Noch während der Auszählung am Samstag räumten beide Rivalen ihre Niederlage ein. Der Ausgang der zeitgleichen Parlamentswahl stand zunächst nicht fest. Sie ist für die weitere Entwicklung der komplizierten Beziehung zu China wichtig, das das demokratisch regierte und industriell hoch entwickelte Taiwan als abtrünnige Provinz betrachtet. Die Regierung in Peking hatte Lai vor der Abstimmung als einen gefährlichen Separatisten bezeichnet.
Man habe der Welt gezeigt, wie sehr man die Demokratie liebe, erklärte der 64-jährige Lai in einer ersten Stellungnahme. Das Volk von Taiwan habe erfolgreich einer Einflussnahme von aussen widerstanden. Gegen Lai waren Hou Yu-ih von der nationalistischen Kuomintang (KMT) und Ko Wen-je von der Taiwanischen Volkspartei (TTP) angetreten. Die KMT steht für engere Beziehungen zu China, sie dementiert jedoch pro-chinesisch zu sein. Die TTP will auch die Fühler nach China ausstrecken, aber zugleich die Demokratie in Taiwan erhalten. Taiwans bisherige Präsidentin Tsai Ing-wen durfte nach zwei Amtszeiten nicht erneut antreten.
Taiwan vor zentraler Bedeutung für Halbleiterindustrie
Lai hat sich für die Erhaltung des Friedens ausgesprochen, eine Fortführung der bisherigen Politik sowie eine Stärkung des Militärs. Das Schicksal der Insel mit etwa 23,5 Millionen Einwohnern - grob so viele wie Bayern und Baden-Württemberg zusammen - ist aufgrund ihrer Rolle in der Halbleiterindustrie von erheblicher Bedeutung für die Weltwirtschaft. So hat dort der weltgrösste Auftragschiphersteller TSMC seinen Sitz.
Die 19,5 Millionen Wahlberechtigten waren auch aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Dieses umfasst 113 Sitze. Der grösste Teil der Abgeordneten wird direkt gewählt, der kleinere Teil der Sitze über Stimmen für die Partei festgelegt. Sowohl für die direkte Wahl der Abgeordneten als auch die des Präsidenten reicht eine einfache Mehrheit. Der neue Präsident tritt sein Amt am 20. Mai an.
Der Status von Taiwan ist einer der Hauptkonfliktpunkte zwischen den USA und China. Die Insel ist zwar seit 1949 selbstverwaltet, wird heute jedoch nur von einigen wenigen Staaten als unabhängig anerkannt. Auch Deutschland unterhält keine formalen diplomatischen Beziehungen zu Taiwan, die Interessen der Bundesrepublik werden durch das Deutsche Institut Taipei wahrgenommen. Damals besiegten die Kommunisten von Mao Zedong im chinesischen Bürgerkrieg die nationalistischen Kuomintang unter Chiang Kai-shek, die sich daraufhin auf die Insel zurückzogen und dort zunächst autoritär herrschten. Auch die USA brachen 1979 ihre formalen Beziehungen zugunsten Chinas ab. Sie unterstützen das Land jedoch mit militärischer Ausrüstung.
(Reuters)