Russland hat am Donnerstag den Rückzug seiner Truppen westlich des ukrainischen Flusses Dnipro um die Stadt Cherson im Süden des Landes angeordnet. Das teilte Verteidigungsminister Sergej Schoigu mit und deutete damit eine der bislang schwersten Niederlagen der russischen Streitkräfte in dem Angriffskrieg an.

Der Oberbefehlshaber der russischen Streitkräfte in der Ukraine, General Sergej Surowikin, begründete den Schritt damit, dass Cherson nicht mehr mit Nachschub zu versorgen sei.

Kiew bleibt verhalten

Die Regierung in Kiew blieb zugleich verhalten bezüglich der Ankündigung aus Moskau. Ein Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj warnte, Cherson könne zu einer "Stadt des Todes" werden. Der ukrainische Armeechef Walerij Saluschnyj sagte, er könne einen Abzug der Russen aus Cherson nicht bestätigen. Er teilte aber mit, dass die ukrainischen Truppen unter anderem die Stadt Snihuriwka in der südlichen Region Mykolajiw zurückerobert hätten.

Doch warum ist  die Region strategisch und militärisch so wichtig ist für den Kriegsverlauf? Die wichtigsten Fakten

  • Tor zur Krim

Die Region Cherson, ein wichtiges Industriezentrum in der Ukraine, grenzt an die Halbinsel Krim. Die Region liegt nahe der Dnipro-Mündung ins Schwarze Meer. Dort kann die Ukraine die Trinkwasserversorgung für die von Russland 2014 annektierte Halbinsel Krim abschneiden. Das hatte Kiew auch damals nach der Annexion so gemacht. Russland benötigt das Wasser für die dortige Bevölkerung, die Bewässerung von landwirtschaftlich genutzten Feldern und diverse Militäreinrichtungen. Eine Rückeroberung der Region könnte den ukrainischen Streitkräften auch eine Ausgangsbasis für eine Offensive auf der Halbinsel bieten, wo sich bereits mehrere Explosionen ereignet haben.

  • Versorgungsrouten

Cherson ist zudem der Schlüssel zur gesamten südlichen Region, der der Ukraine erlauben würde, wichtige Versorgungsrouten der russischen Streitkräfte ins Visier zu nehmen und abzuschneiden.

  • Symbolische Bedeutung 

Die Stadt Cherson ist bislang die einzige Regionalhauptstadt, die russische Streitkräft seit dem Einmarsch am 24. Februar eingenommen haben. Ein Verlust wäre daher auch ein grosser symbolischer Hieb für den Kreml. Einem Analyst zufolge könnte der Verlust der Stadt auch das russische Image schädigen und innerhalb von Russland negativ gesehen werden. Eine Vertreibung russischer Truppen wäre für Kremlchef Wladimir Putin nach einer Reihe von Niederlagen eine erneute Demütigung.

  • Kontrolle über das Schwarze Meer 

Die Cherson-Region, in der vor Kriegsbeginn mehr als eine Million Menschen lebten, liegt am Schwarzen Meer. Eine Rückeroberung würde Kiew auch dabei helfen, wieder Kontrolle über Abschnitte am Meer zu erlangen, die eine wichtige Verkehrsader für den Export von Lebensmitteln ins Ausland sind. 

(Reuters)