Bei dreitägigen Gesprächen in Peking hätten sich mehrere palästinensische Gruppierungen darauf geeinigt, ihre Streitigkeiten zu überwinden und eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden, teilte das chinesische Aussenministerium mit. China hoffe, dass auf Grundlage inner Aussöhnung rascher ein unabhängiger Palästinenser-Staat geschaffen werden könne, sagte Aussenminister Wang Yi. Die Erklärung wurde bei der Abschlusszeremonie eines Versöhnungsdialogs in der chinesischen Hauptstadt unterzeichnet, an dem 14 Palästinenser-Gruppen teilnahmen. Israel kritisierte die palästinensischen Pläne für eine Einheitsregierung. Aussenminister Israel Katz verurteilte vor allem die geplante Zusammenarbeit der gemässigten Fatah mit der militant-islamistischen Hamas.

Die im Gazastreifen herrschende radikal-islamische Hamas-Organisation und die gemässigtere Fatah, die die Palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland stellt, hatten sich über viele Jahre blutig bekämpft. Die Hamas hatte 2006 die Wahl im Gazastreifen gewonnen, die Fatah die im Westjordanland. Nach kurzen Kämpfen zwischen Anhängern der beiden Organisationen festigte die Hamas ihre Macht im Gazastreifen. Dies führte zur faktischen Teilung der Autonomiegebiete. Seither hat es in beiden Palästinensergebieten keine Parlamentswahl mehr gegeben.

Die Einigung und die beabsichtigte Bildung einer palästinensischen Einheitsregierung stellt die westliche Nahost-Politik vor Probleme. Denn die Hamas ist wie in Deutschland in vielen anderen Staaten als Terrororganisation eingestuft und verboten. Die Autonomiebehörde wird dagegen unterstützt.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wiederum hatte mehrfach erklärt, das Ziel des israelischen Militäreinsatzes im Gazastreifen sei es, die vom Iran unterstützte Hamas zu zerstören. Er hatte auch abgelehnt, dass die Hamas in einer Nachkriegsverwaltung des Gazastreifens eine Rolle spielt. Hamas-Kämpfer waren am 7. Oktober 2023 in Israel eingedrungen und hatten rund 1200 Menschen getötet und zahlreiche Geiseln verschleppt. Bei dem anschliessenden Krieg im Gazastreifen wurden nach Angaben der dortigen Behörden mehr als 38'000 Palästinenser getötet.

Israels Aussenminister Katz kritisierte die Palästinenser-Pläne Anstatt den Terrorismus abzulehnen, umarme Fatah-Anführer Mahmud Abbas «die Mörder und Vergewaltiger der Hamas und offenbart damit sein wahres Gesicht», erklärte er auf der Online-Plattform X. Dies werde aber nicht geschehen, «denn die Herrschaft der Hamas wird zerschlagen werden, und Abbas wird den Gazastreifen aus der Ferne beobachten. Die Sicherheit Israels wird allein in Israels Händen bleiben».

14 Gruppen trafen sich in Peking

Insgesamt 14 palästinensische Gruppen, darunter die Anführer von Fatah und Hamas, nahmen an den Gesprächen teil und waren den Angaben zufolge auch mit Chinas Aussenminister Wang zusammengekommen. Der wichtigste Punkt der Erklärung von Peking sei die Bildung einer palästinensischen Regierung der nationalen Einheit, die die Angelegenheiten der Palästinenser regeln soll, sagte der führende Hamas-Funktionär Hussam Badran. Eine Regierung der nationalen Einheit werde die Angelegenheiten der Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland verwalten, den Wiederaufbau überwachen und die Voraussetzungen für Wahlen schaffen. Dies sei die Position der Hamas, die sie seit den ersten Wochen des Kampfes im Gazastreifens gefordert und vorgeschlagen habe.

Die Vereinbarung ist ein erneuter diplomatischer Coup für Peking und Zeichen für seinen wachsenden Einfluss im Nahen Osten. 2023 hatte China bereits ein Friedensabkommen zwischen den langjährigen regionalen Rivalen Saudi-Arabien und Iran vermittelt. Westlichen Staaten wird von arabischen Länder und den Palästinensern vorgeworfen, sich zu einseitig auf die Seite Israels zu stellen. Dabei geht es vor allem darum, dass Israel nie für die Siedlungspolitik in den besetzten palästinensischen Gebieten sanktioniert wurde. Der Internationale Gerichtshof hatte am Freitag ein Gutachten veröffentlicht, in dem der Siedlungsbau als illegal bezeichnet und ein sofortiges Ende gefordert wird.

Die Hamas und Fatah hatten sich erstmals im April in Peking getroffen, um über Versöhnungsbemühungen zur Beendigung der rund 17 Jahre andauernden Streitigkeiten zu sprechen. Chinesische Vertreter haben sich in den vergangenen Monaten in internationalen Foren verstärkt für die Palästinenser eingesetzt und eine grössere israelisch-palästinensische Friedenskonferenz sowie einen konkreten Zeitplan für die Umsetzung einer Zwei-Staaten-Lösung gefordert.

Netanjahu machte den Familien von israelischen Geiseln, die im Gazastreifen von der Hamas festgehalten werden, Hoffnung auf eine Freilassung. Diese könnte in greifbare Nähe rücken, teilte sein Büro am Dienstag mit. Die israelischen Streitkräfte setzten ihre Razzien im südlichen Gazastreifen in Chan Junis fort. Sie hatten die Zivilbevölkerung zuvor aufgefordert, einige Stadtteile zu evakuieren, die angeblich für erneute Angriffe militanter Palästinenser genutzt worden waren. Nach Angaben der UN flohen Tausende von Menschen vor den israelischen Luftangriffen in sicherere Gebiete. Netanjahu hält sich derzeit in Washington auf und wird voraussichtlich im Laufe dieser Woche nach einer Rede vor dem Kongress mit US-Präsident Joe Biden zusammentreffen. 

(Reuters)