Die zarte Erholung an den Aktienmärkten und die etwas besseren Aussichten lassen die Börsenbullen hoffen. Auf der anderen Seite stehen die Leerverkäufer im Bärenlager, die trotz Bankenkrise, nach wie vor hoher Inflation und steigenden Zinsen ordentlich mehr graue Haare gekriegt haben - der Taucher an der Börse war einmal mehr von kurzer Dauer.

Michael Burry gratuliert den Dip-Käufern

Michael Burry, der am 31. Januar mit seinem Tweet "Sell" aufhorchen liess, hat sich letzte Woche bei seiner Twitter-Gemeinde entschuldigt. Er sei falsch gelegen. Burry ging sogar noch einen Schritt weiter und hat der "Buy the Dip"- oder BTD-Community - gratulliert. Diese Anleger - ein Grossteil der Generation Z - haben gemäss untenstehendem Tweet in den letzten Jahren alles richtig gemacht. 

Für einmal kein kryptischer Tweet von Michael Burry, sondern Analyse zu BTD

Für einmal kein kryptischer Tweet von Michael Burry, sondern eine klare Analyse zu BTD "Buy the Dip".

Quelle: Twitter

Wer allerdings nur gekauft hat, wurde auch nicht glücklich. Zu BTD gehört standardmässig ein anderer Begriff, der sich im letzten Jahr wieder etabliert hat: "Sell the rip" und bedeutet, Aktienbestände oder spekulative Longpositionen in Stärkephasen des Marktes zu verkaufen. 

Wie das ging und wo Anlegende und Trader in den letzten 12 Monaten Gewinne einfahren konnten, zeigt sich zum Beispiel am "Fear and Greed Index" von CNN. Kaufen, wenn die Furcht (Fear) am Grössten war, und konsequentes Verkaufen, wenn der Index wieder auf Gier (Greed) stand. Traden war angesagt, das Kaufen und Halten von Indices hat seit Anfang 2022 kaum zum Erfolg geführt.

Die Statistik zeigt, dass Investitionen in Börsenindices auch in der jüngeren Vergangenheit kaum erfolgreich waren und Index-Käufe oft einem Nullsummenspiel gleichkamen. Der S&P 500 Index bewegt sich in den letzten sechs Monaten in einem Range von 3800 bis 4200 Punkte und der SMI zwischen 10'129 und 11'425 Punkten - das entspricht in beiden Fällen einem verhältnismässig engen Kursband von 12 Prozent. 

Das Börsengeschehen in den letzten zwei Quartal wird denn auch von Händlern als wechselhaft und holprig beschrieben - auf englisch "choppy". Kein Wunder, sind doch die bekanntesten Börsenstrategen meilenweit davon entfernt, eine grundsätzlich positive Meinung über den weiteren Kursverlauf zu haben. Und irgendwie zeichnet sich ab, dass dies so weitergehen dürfte, denn die Argumente der Haussier und Baissier halten sich die Waage. Ein Blick auf die wichtigsten Themen zeigt, dass beide Lager gute Argumente auf ihrer Seite haben.  

An den Prognosen zu Inflation, Zinsen, Rezession, Bankenkrise und Gewinnerwartungen scheiden sich die Geister

Der Inflationsdruck hat in den USA, der Eurozone und auch in der Schweiz deutlich nachgelassen. Dies spräche eigentlich für höhere Kurs, so die Argumentation der Bullen. Die Bären verweisen aber darauf, dass die Zinsen hoch bleiben werden, weil die Kerninflation weiterhin viel zu hoch sei und nicht schnell sinken werde. Ebenso wird argumentiert, dass sich die Arbeitsmärkte weltweit trotz geopolitischer Unsicherheiten weiterhin in einem guten Zustand befänden. 

In Bezug auf die Bankenkrise fallen die Meinungen ebenfalls differenziert aus. Die Bären argumentieren, die Krise sei noch nicht ausgestanden. Zu gross sei die Differenz vor allem zwischen den von den US-Banken angebotenen Sparzinsen (vielfach bei 0,25 Prozent) gegenüber den kurzlaufenden Geldmarktpapieren, welche bis 4,5 Prozent Rendite abwerfen.

Entsprechend werde der Liquiditätsabfluss bei den US-Banken anhalten. Die Bullen glauben dagegen, dass die Banken mit dieser Problematik künftig deutlich besser umgehen können und mit der Übernahme der CS durch die UBS die grössten Gefahren vom Bankensektor abgewendet worden seien. 

Nicht wirklich erbaulich ist die Entwicklung bei den Unternehmensgewinnen - aber auch da prallen Optimismus und Pessimismus aufeinander. Diese befinden sich gerade in den USA seit Monaten im Rückwärtsgang. Die Gretchen-Frage ist nun, ob es zu einer Rezession in Übersee kommt oder nicht. Im Falle einer Rezession dürften die Gewinnprognosen weiter schrumpfen, während im Falle eines milden Abschwungs schon gegen Ende dieses Jahres wieder mit steigenden Unternehmensgewinnen zu rechnen ist. 

Die Sentiment-Indikatoren vermögen auch nicht zu überzeugen

Wie verzwickt die Lage ist, zeigt auch ein Blick auf die Stimmungsindikatoren der Firma Sentix, welche regelmässig Institutionelle Anleger zur aktuellen Marktlage befragt. Der Geschäftsführer Manfred Hübner hält dazu fest: "Stellten wir in der Vorwoche noch eine erstaunliche Emotionslosigkeit der Anleger fest, müssen wir diese Woche einen richtigen Paukenschlag im Sentiment vermelden. Die Stimmungsdaten springen kräftig nach oben, die Bullen sind voll erwacht und feiern die Märkte."

Dies sei allerdings nur kurzfristig. Mittelfristig falle dagegen das Grundvertrauen. Dies sei eine gefährliche Entwicklung, so Hübner und schlussfolgert, dass "die Daten so ungünstig für Aktien wie lange nicht mehr sind."

Wie konträr die Meinungen sind, verdeutlicht auch eine Analyse des Volatilitätsindex VIX. Im Jahr 2022 sind Investoren gut gefahren, welche Aktien bei einem VIX-Niveau von 20 verkauft und bei einem Indexstand über 28 gekauft haben. Heute steht der VIX wieder unter 20, was eigentlich ein Verkaufssignal wäre.

Schenkt man den Optionsspezialisten um Tier1Alpha allerdings glaube, so macht der steile Abwärtstrend bei der Volatilität weitere Leerverkäufe attraktiv. Dies wiederum werde weiteren Aufwärtsdruck auf die US-Indizes erzeugen. Der Markt sehe nichts Befürchtenswertes am Horizont. 

Strategie "Buy the Dip" und "Sell the Rip"

Ob die steigenden Kurse das Ende des Bärenmarkets bedeuten, bleibt fraglich und für Spannung ist weiterhin gesorgt. Wer die Nerven und Musse hat, kann in einem solchen Markt trotzdem Geld verdienen. Rein statisch lohnt sich ein Kauf bei fallenden Kursen gemäss Argumentation von Michael Burry. Fokussiertes Stock-Picking - darin sind sich viele Strategen von UBS über JP Morgan bis Goldman Sachs derzeit einig - und hernach das richtige Risiko-Management (kurze Haltezeit und konsequentes Liquidieren, sollte sich der Kurs nicht wie erhofft entwickeln) bleiben ein elementarer Bestandteil einer solchen Strategie. Am Ende des Tages sollte unter dem Strich somit ein Plus übrig bleibt.

Ein wichtiges Bonmot lässt sich bei einem sich in Bandbreiten bewegenden Markt anreihen: "Don't chase the rally" - sping nicht einer vermeintlichen Rally (in einem Bärenmarkt) hinterher. Das hat 2022 ebenfalls gezeigt. 

Thomas Daniel Marti
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