Der 20-jährige Student Devin Jones wurde als Kind zweier US-Militärangehöriger in Deutschland geboren. Heute lebt er in Flint im Bundesstaat Michigan. Eigentlich wollten seine Eltern ihm zu seinem 18. Geburtstag eine Reise nach Deutschland schenken, aber das mussten sie wegen der gestiegenen Preise verschieben. Mehr noch, sie selbst zogen aus Flint weg nach Goshen in Indiana, wo die Lebenshaltungskosten niedriger sind. Die Preise für Hackfleisch und Eier seien inzwischen unfassbar, sagt Jones. «Die Dinge liefen gut unter Trump, unter früheren Regierungen», sagt er über den Ex-Präsidenten Donald Trump und seine erste Amtszeit 2017 bis 2021. «Es war alles nicht so teuer.»

Eigentlich haben die USA die Pandemie wirtschaftlich besser bewältigt als andere Industriestaaten. Hohe Konsumausgaben - die wichtigste Stütze der weltweit grössten Volkswirtschaft - sowie Investitionen von Unternehmen und Ausgabenprogramme der Regierung haben eine befürchtete Rezession abgewendet. Die Aktienmärkte erreichen Rekordhöhen, die Löhne steigen deutlich, die Arbeitslosigkeit ist vergleichsweise niedrig und die Inflation liegt nach einem Anstieg 2022 inzwischen unter dem Niveau vom Januar 2020.

«Sticker Shock» bei Einkaufen, Miete, Ausgehen

Und trotzdem sind die Amerikaner frustriert und wütend - und sie geben den Demokraten der Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris die Schuld. Denn die Preise für Lebensmittel, Miete und Nebenkosten sowie Restaurantbesuche liegen deutlich über dem Niveau von 2019. Auf Englisch wird von dem «sticker shock» gesprochen, den man verspürt, wenn man auf ein Preisschild guckt. Auf einer Wahlkampfveranstaltung der Republikaner in Detroit erklärt die 24-jährige Tiesha Blackwell, dass ihre Miete von 575 Dollar im Monat auf 1100 Dollar gestiegen sei. Ein Pfund Gehacktes habe 2,99 Dollar gekostet, heute seien es 4,99 Dollar. Zwar gehe es ihr nicht wirklich schlechter als vor vier Jahren. Aber: «Alles ist teurer.» Dieses Mal werde sie Trump wählen statt die Demokraten.

Das geht nicht nur den Bürgern von Michigan so, einem der sieben «swing states», die nach dem komplizierten US-Wahlsystem am 5. November den Ausschlag über das nächste Staatsoberhaupt geben dürften. In einer Reuters/Ipsos-Umfrage erklärten jüngst 61 Prozent der Befragten, die Wirtschaft entwickle sich in den USA in die falsche Richtung. Bei den Lebenshaltungskosten stieg die Quote auf 68 Prozent. Schuld an der Teuerung sind Faktoren, auf die die Regierung eigentlich kaum Einfluss hat, wie Arbeitskosten, Lieferkettenprobleme und mangelnder Wettbewerb.

«Politik ist immer persönlich»

Der Frust bleibt. Michael Strain, Direktor für Wirtschaftspolitik am konservativen American Enterprise Institute, spricht von seinen eigenen Erfahrungen. Er verstehe zwar die Mechanismen der Inflation vermutlich besser als andere, sagt er, und verweist auf seine Zeit bei der US-Notenbank Fed. Trotzdem sei er überrascht, wie verärgert er im Alltag auf die Preise reagiere. «Wenn ich in ein Restaurant gehe, in das ich seit Jahren gehe, und zahle anstatt 50 Dollar 70 Dollar, fühle ich mich, als hätte mir jemand ins Gesicht geschlagen und einen 20-Dollar-Schein aus meiner Brieftasche gestohlen», sagt er.

Die Demokraten sind sich des Problems bewusst. Die Strategin Ameshia Cross ist zwar der Ansicht, dass die Regierung von Joe Biden und seiner Vizepräsidentin Harris eigentlich Lob für die Schaffung von Arbeitsplätzen verdient hätte, in Michigan und anderswo im Land. Die gelebte Wirklichkeit der Bürger sei aber eine andere. «Es geht nicht um den Dow Jones», sagt sie unter Verweis auf einen der wichtigsten US-Aktienindizes. «Die Menschen gucken, ob sie Geld haben, um die Dinge zu tun, die sie noch vor ein paar Jahren tun konnten. Und die meisten würden Ihnen sagen, dass sie es nicht können», sagte sie. «Politik ist immer persönlich.»

(Reuters)