Die Aktien des Winterthurer Spinnereimaschinenhersteller Rieter ziehen bis 09.30 Uhr merklich um 5,72 Prozent auf 86,90 Franken an, während der Swiss Performance Index (SPI) 0,80 Prozent zulegt. Allerdings notieren die Rieter-Valoren am Freitag immer noch auf dem Niveau von Juli 2020. Zwischenzeitlich wurden in der Spitze Preise von 240 Franken bezahlt nach einem brummenden Geschäft bei Ende der Corona-Krise. 

Die Talsohle sei durchschritten, teilte Rieter anlässlich der am Mittwoch vorgestellten Jahreszahlen für 2023 kommuniziert. Dies veranlasst die US-Investmentbank Stifel zu einer Neueinschätzung und setzt die Aktie neu von «Halten» auf «Kaufen».

Die erhöhte Margenprognose für das Geschäftsjahr 2023 von 5–7 Prozent auf neue 7 Prozent gibt Trost in der Ambition des neuen Managements von Rieter, im erwarteten Niedrigzyklusszenario für Textilmaschinen im Geschäftsjahr 2024 eine positive EBIT-Marge zu erreichen. Die EBIT-Margenannahme für das Geschäftsjahr 2024 wird von 1,4 Prozent auf 3,1 Prozent erhöht, was zu einem bereinigten Anstieg des Gewinns vor Zinsen und Steuern (EBIT) von 1,51 CHF auf 4,77 Franken pro Aktie führt, schreibt Stifel-Analyst Christian Arnold. «Wir glauben, dass die Veröffentlichung der Ergebnisse für das erste Halbjahr 2024 zeigen wird, inwieweit das Unternehmen auf dem Weg ist, seine ehrgeizigen Ziele zu erreichen.» Das Wachstum des Auftragseingangs dürfte plus 35 Prozent auf CHF 440 Millionen Franken betragen. Der Umsatzrückgang wird mit einem Minus von 37,5 Prozent auf CHF 474 Millionen Franken erwartet sowie eine positive EBIT-Marge von 1,3 Prozent im ersten Halbjahr 2024.

Das Schweizer Analystenhaus Research Partners hat das Kaufrating ebenfalls bestätigt, senkt aber das Kursziel für Rieter von 120 auf 110 Franken. Die erwartete Erholung des Auftragseingangs blieb auch im vierten Quartal 2023 aus. Allerdings sei es nur eine Frage der Zeit, bis die Erholung einsetze. Stifel und Research Partner attestieren damit den Titeln ein Aufwärtspotenzial von 26 Prozent. 

Schleppender Geschäftsgang wird sich erholen

Im Gesamtjahr 2023 verbuchte Rieter lediglich Bestellungen im Wert von 541,8 Millionen Franken. Der Auftragseingang hat sich somit gegenüber dem Vorjahr mehr als halbiert, und gegenüber dem Boomjahr 2021 mit 2,23 Milliarden Franken entspricht der 2023er-Wert knapp einem Viertel.

Die Kunden bestellen seit Monaten nur sehr wenige neue Maschinen wegen der geopolitischen Unsicherheiten, höheren Finanzierungskosten und der Konsumzurückhaltung in wichtigen Märkten, teilte Rieter am Mittwoch mit. «Zudem sind die Spinnereien derzeit schwach ausgelastet, was auch die Nachfrage nach Verschleissteilen bremst», sagte CEO Thomas Oetterli an einer Telefonkonferenz, wie die Nachrichtenagentur AWP berichtete.

Dies hat sich auch im Schlussquartal nicht verändert. Im Gegenteil gingen zwischen Oktober und Dezember lediglich Bestellungen im Wert von knapp 90 Millionen Franken ein, nachdem der Auftragseingang schon im dritten Quartal bei sehr tiefen 127 Millionen gelegen hatte. Analysten hatten im Vorfeld mit einer Erholung gerechnet und für das vierte Quartal einen rund doppelt so hohen Bestellungseingang prognostiziert.

Projekte nur verschoben

Doch der tiefe Wert täusche, betonte Firmenchef Oetterli. So seien diverse Grossprojekte im Schlussquartal fertig verhandelt worden. Weil aber die Finanzierungsfragen noch nicht geklärt sind, seien diese Projekt noch nicht im Bestellungseingang verbucht worden. Oetterli bezifferte die so verschobenen Projekte auf rund 100 Millionen Franken.

Zuversicht gibt dem Management ausserdem, dass die Zahl der Kundenanfragen gestiegen sei. Oetterli geht dabei von einer Markterholung «von Ost nach West» aus. In China gebe es schon deutliche Anzeichen dafür. Danach werde sich wohl der indische Markt als nächstes erholen. Im zweiten Halbjahr dürften dann die Türkei, Europa und Amerika folgen.

Thomas Daniel Marti
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