Mit der nachlassenden Inflation in den USA hat sich der Fokus der Anleger verstärkt auf die amerikanischen Arbeitsmarktdaten verlagert, da diese einen wesentlichen Einfluss auf die Zinsentscheidungen der amerikanischen Notenbank Fed haben. Im Gegensatz zur Schweizerischen Nationalbank, die ihre Geldpolitik hauptsächlich an der Geldwertstabilität ausrichtet, gehört es zum dualen Mandat der Fed, auch für einen stabilen Arbeitsmarkt zu sorgen.
Aktuell sind die US-Leitzinsen mit einer Spanne von 5,25 bis 5,5 Prozent auf dem höchsten Stand seit 22 Jahren. Die mittlerweile elfte Erhöhung binnen 16 Monaten war im Juli allgemein erwartet worden. Die spannende Frage ist, wie es weitergeht.
Fed-Chef Jerome Powell machte sehr deutlich, dass bis zur nächsten Zinsentscheidung am 20. September beobachtet werden soll, wie sich die bisherigen Straffungen auswirken. Ein erster Schlüsselindikator dürfte der Bericht über die Lohn- und Gehaltsabrechnung ausserhalb der Landwirtschaft sein, der am Freitag zusammen mit den Löhnen für den Monat Juli publiziert wird. "Ich erwarte einen Zuwachs von 250'000 Stellen, eine unveränderten Arbeitslosenquote von 3,6 Prozent und ein Lohnwachstum von 0,4 Prozent", sagt ein Ökonom der Scotiabank. Dadurch dürfte das Trendlohnwachstum über der Inflationsrate bleiben, was zu Reallohnsteigerungen führen wird.
Damit liegt die Schätzung der Scotiabank höher als die Konsensschätzung der Deutschen Bank, die von 200'000 zusätzlichen Stellen ausgeht. Ein Analyst der Deutschen Bank erwartet sogar bloss einem Anstieg um 175'000 Stellen, verglichen mit 209'000 im Vormonat. Damit läge der Zuwachs unter dem Dreimonatsschnitt von 244'000 Stellen.
Die Schätzung der Canadian Imperial Bank of Commerce (CIBC) liegt näher bei der der Deutschen Bank. Dass die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe im Referenzzeitraum der Juli-Umfrage zurückgingen, deute darauf hin, dass in den USA 185'000 Arbeitsplätze entstanden sein könnten. Das stehe im Einklang mit dem jüngsten Anstieg der Erwerbsbeteiligung in der Gruppe im Haupterwerbsalter und dem Abbau überschüssiger Ersparnisse. "Die nach wie vor starke Nachfrage nach Arbeitskräften zeigt sich an den zunehmenden offenen Stellen. Das deutet darauf hin, dass neue Arbeitskräfte schnell in freie Stellen aufgenommen werden", sagt ein Ökonom der CIBC.
Er gehe wie Scotiabank von einer gleichbleibenden Arbeitslosenquote von 3,6 Prozent aus, vermutet aber, dass der Lohnzuwachs nur 0,3 Prozent betragen könnte. "Damit liegen wir leicht unter dem Konsens. Der tiefere Lohnzuwachs könnte zu sinkenden Anleiherenditen führen", sagt der CIBC-Ökonom.
Die ING Bank schliesst sich dieser Einschätzung an, weil sich die Anzeichen verdichteten, die für einen nachlassenden Lohndruck und damit gegen eine weitere Leitzinserhöhung sprechen.
Die Juni-Daten zeigten, dass sich die hohe Inflation in den USA erneut und spürbar abschwächte. Die Verbraucherpreise stiegen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 3,0 Prozent. Das war der niedrigste Wert seit etwas mehr als zwei Jahren. Im Vormonat hatte die Rate noch 4,0 Prozent betragen. Die Kerninflation fiel im Juni ebenfalls deutlich von 5,3 auf 4,8 Prozent. Bei dieser Rate werden volatile Energie- und Lebensmittelpreise ausgeklammert.