Die Privatwirtschaft in den USA hat im Juni unerwartet viele neue Stellen geschaffen und damit trotz gestiegener Zinsen eine robuste Lage auf dem Arbeitsmarkt signalisiert, wie der Arbeitsmarktdienstleister ADP am Donnerstag mitteilte. Im Vergleich zum Vormonat stieg die Beschäftigung um 497'000. Dies ist der stärkste Zuwachs seit Februar 2022. 

Entsprechend sind die Renditen an den Anleihenmärkten in den USA deutlich gestiegen: 2-jährige Treasury Bills auf über 5 Prozent, 10-jährige Treasury Bonds auf über 4 Prozent. Die Märkte erwarten nun, dass die Fed im Juli erneut an der Zinsschraube dreht. An den Aktienmärkten kam es folglich zu deutlichen Korrekturen und die Leitindizes auf dieser und der anderen Seite des Atlantiks verloren deutlich an Wert.

Bereits am Freitag stehen die nächsten US-Arbeitsmarktdaten mit der Anzahl neu geschaffener Stellen ausserhalb der Landwirtschaft, der Arbeitslosenrate und weiterer Beschäftigungsdaten wie geleistete Arbeitsstunden und Einkommensentwicklung an. Die Marktteilnehmer stellen sich nach den starken Daten vom Donnerstag die Frage, ob noch einmal überraschende Arbeitsmarktdaten publiziert werden, was zu weiteren Kursverlusten an den US-Aktienmärkten führen könnte.

Die Strategen von Goldman Sachs geben hier Entwarnung und schreiben in einer Kundennotiz: "Wir vermuten, dass eine Verzerrung der saisonalen ADP-Faktoren zu diesen starken Zahlen beigetragen haben. Deshalb halten wir an unserer Prognose für die Beschäftigung ausserhalb der Landwirtschaft vor der heutigen Veröffentlichung unverändert bei 250'000 neuen Stellen belassen.“

Damit liegt Goldman Sachs immer noch über dem Konsensus, der von 225'000 neuen Stellen ausgeht. Die Arbeitslosenquote dürfte im Juni um 0,1 Prozentpunkte auf 3,6 Prozent sinken.

Für die Aktienmärkte heisst das, dass es weiterhin volatil zu und her gehen könnte. Das Händler-Desk von JP Morgan erwartet, dass die US-Aktienmärkte mehr als 1 Prozent an Wert verlieren könnten, wenn die Anzahl der neue geschaffenen Stellen über 300'000 liegt. Ein Wert um 250'000 dürfte vom Markt dagegen positiv aufgenommen werden und die Kurse in den USA wieder Richtung Jahreshoch treiben. Für eine Erholung nach den Kursverlusten in dieser Woche spräche zudem, dass die Aktienmärkte zum Wochenschluss grundsätzlich freundlich tendieren. 

Arbeitsmarktdaten nicht überbewerten

Paul Donovan, Chefökonom bei UBS Global Wealth Management, ist nicht nur für seinen britischen Humor bekannt, sondern für seinen markigen Analysen. Er schreibt mit Blick auf die Arbeitsmarktdaten, dass die publizierten Daten auf einer Umfrage basieren, an der nur 43 Prozent der Unternehmen in den USA teilnehmen - die anderen Unternehmen kümmern sich nicht darum.

"Es ist auch zweifelhaft, ob die Beschäftigungsdaten die explosionsartige Zunahme von Nebenerwerbstätigkeiten und Unternehmensgründungen vollständig widerspiegeln. Nirgendwo im Beschäftigungsbericht erscheint 'TikTok Content Creator' als Job.

In den USA und anderswo gibt es für den UBS-Chefökonomen drei grosse Arbeitsmarkttrends, die für die Märkte von Bedeutung sind. Erstens ist die Arbeitslosigkeit und damit die Angst vor Arbeitslosigkeit im Allgemeinen gering. Arbeitnehmer mit sicherem Arbeitsplatz haben das Selbstvertrauen, weiterhin für lebensnotwendige Dinge wie Urlaub Geld auszugeben. Es besteht keine Notwendigkeit, mit dem "Vorsorgesparen“ zu beginnen.

Zweitens ist das Reallohnwachstum katastrophal schlecht. "Trotz niedriger Arbeitslosigkeit konnten die Arbeitnehmer ihr grundlegendstes Ziel – die Aufrechterhaltung des Lebensstandards – nicht erreichen." Während sich das Reallohnwachstum bei sinkender Inflation ins Positive drehen sollte, spricht dies gegen eine strukturelle Machtverschiebung von Arbeitgebern zu Arbeitnehmern.

Als letzten Punkt fügt Donovan an, dass es an der "Zeit ist, die Midlife-Crisis zu überwinden. Die Pandemie löste einen rasanten Anstieg des Job-Hoppings aus, bei dem die Menschen rasch den Arbeitgeber wechselten. Das scheint sich nun zu beruhigen, und für die Unternehmen - was auch immer sie sonst behaupten mögen - ist es einfacher, Leute einzustellen."

Thomas Daniel Marti
Thomas MartiMehr erfahren