Die Zeit für Veränderungen in der Militärführung sei gekommen, erklärte das Staatsoberhaupt am Donnerstag nach einem Treffen mit Armeechef Walerij Saluschnyj via Telegram-Dienst. «Wir haben darüber gesprochen, welche Erneuerung die Streitkräfte der Ukraine brauchen. Wir haben auch darüber gesprochen, wer in der erneuerten Führung der Streitkräfte der Ukraine sein könnte. Die Zeit für diese Erneuerung ist jetzt.» Er ernannte als neuen Armee-Chef Olexsandr Syrskyj, bat aber den populären Saluschnyj, «in seinem Team» zu bleiben.

Saluschnyj selbst teilte mit, er habe ein «wichtiges und ernsthaftes Gespräch» mit Selenskyj geführt und es sei entschieden worden, Taktik und Strategie an der Front zu ändern. «Die Aufgaben von 2022 unterscheiden sich von den Aufgaben von 2024. Deshalb müssen sich auch alle ändern und an die neuen Realitäten anpassen. Auch um gemeinsam zu gewinnen», schrieb er auf Telegram.

Die Streitkräfte hätten unter Beweis gestellt, dass sie in der Lage seien, die Kontrolle über den Himmel zurückzugewinnen, sagte Selenskyj. Allerdings hätten sie ihre Ziele auf dem Boden im vergangenen Jahr nicht erreichen können. Es seien sofortige Reformen nötig. Nötig sei eine realistische Strategie für das Jahr 2024. Der Präsident forderte neuen Ansätze zur Mobilisierung und Rekrutierung von Soldaten.

Seit Wochen war in Medien spekuliert worden, ob der Präsident die Entlassung des Armeechefs erwägt, der von vielen Ukrainern verehrt wird. Saluschnyj war auch verantwortlich für die Offensive der ukrainischen Armee im vergangenen Sommer, die trotz hoher Verluste kaum Veränderungen an der 1000 Kilometer langen Front bewirkt hat. In der Vergangenheit hatte es wiederholt Differenzen zwischen Selenskyj und Saluschnyj gegeben.

Im November hatte der General erklärt, der Krieg sei in eine Pattsituation getreten, und hatte damit eine Rüge des Präsidenten auf sich gezogen. Saluschnyj zog Paralellen zum festgefahrenen Stellungskrieg im Ersten Weltkrieg und warnte, ein derartiger Abnutzungs-Kampf spiele Russland mit seinen ungleich grösseren Ressourcen in die Hände.

In einem jüngst veröffentlichten Beitrag für den US-Fernsehsender CNN hatte Saluschnyj unter anderem kritisiert, aufgrund Widerstands in der Ukraine habe man keine hinreichende Kampfkraft aufbauen können. Eine Aufforderung des Präsidenten zum Rücktritt soll der angesehene General Medienberichten zufolge abgelehnt haben.

Saluschnyjs Nachfolger Syrskyj war seit 2019 Chef der Bodentruppen. Im vergangenen Jahr war er für die Verteidigung von Bachmut im Osten der Ukraine verantwortlich. Dort kam es zu einer der längsten und blutigsten Schlachten seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022.

Einige Militärexperten stellten in Frage, ob der Kampf um eine zerstörte Stadt so viele Opfer wert war. Syrskyi entgegnete, die hartnäckige Verteidigung von Bachmut habe die russischen Offensiv-Pläne ausgehebelt, indem die Wagner-Söldner dort gebunden waren.

Syrskyj hat bei früheren Gelegenheiten betont, seine Priorität sei die Moral seiner Truppen, die er regelmässig an der Front besucht. Er teilte westlichen Medien mit, dass er viereinhalb Stunden pro Nacht schläft und sich im Fitnessstudio entspannt. Er ist verheiratet und hat zwei Söhne.

(Reuters)