Der russische Angriff auf die Ukraine vor knapp einem Jahr dürfte die anstehenden G20-Treffen in Indien überschatten. Der G20-Gastgeber wolle in diesem Jahr nicht über zusätzliche Sanktionen gegen Russland sprechen, sagten sechs Vertreter der Regierung in Neu-Delhi der Nachrichtenagentur Reuters. Indien hat Russland bislang nicht offen für die Invasion kritisiert.

Am Rande des am Mittwoch beginnenden Treffens der Finanzminister und Notenbankchefs aus den 20 führenden Industrie- und Schwellenländern (G20) sind auch G7-Beratungen geplant, also ausschliesslich der grössten westlichen Industriestaaten. Dabei wird es am Donnerstag japanischen Angaben zufolge auch um weitere Massnahmen gegen Russland gehen. Am Freitag jährt sich die russische Invasion.

Laut den G20-Insidern will Indien zwar die wirtschaftlichen Folgen des Krieges thematisieren, nicht aber politische Konsequenzen. "Die bestehenden Sanktionen gegen Russland haben negative Auswirkungen auf die Welt gehabt", sagte einer der indischen Regierungsvertreter.

Seit Kriegsausbruch ist die Inflation rund um den Globus deutlich angestiegen, vor allem die Preise für Energie und Lebensmittel. Das trifft viele arme Länder überdurchschnittlich stark. Die indischen Nachbarn Sri Lanka, Pakistan und Bangladesch haben allesamt Kredithilfen beim Internationalen Währungsfonds anfragen müssen. Die USA und europäische Staaten wollen aber weitere Sanktionen gegen Russland verhängen. Auch Exportkontrollen sind vorgesehen, etwa bei Kühlschränken oder Mikrowellen, damit Russland nicht über diese Produkte an Chips kommt, die es für sein Militär benötigt.

Indien setzt auf Dialog mit Russland

Die indische Regierung von Ministerpräsident Narendra Modi hat Russland bislang nicht öffentlich für den Angriff auf die Ukraine angegangen. "Demokratie, Dialog und Diplomatie sind der Weg nach vorne", sagte Indiens Informationsminister Anurag Thakur zur Eröffnung des G20-Finanzministertreffens in Bangalore, das bis Samstag angesetzt ist. Es ist das erste grosse Treffen der indischen G20-Präsidentschaft in diesem Jahr. Unklar ist noch, ob hochrangige russische Regierungsvertreter überhaupt daran teilnehmen.

Indien hat zuletzt seine Ölkäufe aus Russland deutlich ausgeweitet. Russland ist zudem der wichtigste Lieferant von Rüstungsgütern für Indien. Der Krieg hat die G20-Beratungen im vergangenen Jahr weitgehend gelähmt, so dass viele drängende Themen nicht vorankommen. Die Folgen des Krieges stehen weiter oben auf der Agenda - angesichts der noch immer sehr hohen Inflation und der deutlich abgekühlten Weltwirtschaft. Ausserdem wird es um die Entschuldung ärmerer Länder und die Regulierung von Kryptowerten gehen.

(Reuters)