Die grösste Akquisition in der Bankenbranche seit der Finanzkrise dürfte zu einem rekordhohen Gewinn im zweiten Quartal geführt haben. Analysten erhoffen sich von UBS-Chef Sergio Ermotti vor allem weitere Einzelheiten zu dem milliardenschweren Sparprogramm, das zehntausende Arbeitsplätze kosten könnte. Auch steht noch die Entscheidung aus, ob das Geschäft der Credit Suisse im Heimmarkt Schweiz vollständig in den neuen Bankkonzern integriert oder verselbständigt wird. Eine Integration würde den Schweizer Bankenplatz vollständig umkrempeln.

Der erste grosse digitale Bankensturm der Geschichte zwang die Schweizer Regierung im März zum Handeln. Praktisch über Nacht orchestrierte sie eine Übernahme der Credit Suisse durch die Schweizer Nummer eins. Dies führte zwar zu einer Stabilisierung der Lage. Analysten gehen dennoch davon aus, dass die Abflüsse von Kundengeldern bei der Credit Suisse im zweiten Quartal angehalten haben. Belastend dürfte auch der Ausstieg aus Geschäftsbereichen sowie Restrukturierungskosten gewirkt haben. Nach einem Bericht der «Sonntagszeitung» hat die Credit Suisse im zweiten Quartal einen Verlust von 3,5 Milliarden Franken angehäuft.

Ganz anders die UBS, die die Übernahme des Rivalen im Juni in trockene Tücher brachte. Analysten erwarten einer von der Bank selbst erhobenen Umfrage zufolge für den Konzern einen Quartalsgewinn von 33,5 Milliarden Dollar. Treiber ist ein Buchgewinn («Badwill») aus der Transaktion, denn der Kaufpreis entsprach nur einem Bruchteil des Credit-Suisse-Eigenkapitals. «Es war ein sehr guter Deal für die UBS», erklärt Stephan Sola, Manager des Plutos Schweiz Fonds. «Die CS wäre ein Vielfaches der drei Milliarden Franken wert gewesen, den die UBS bezahlt hat.» Mit dem Zusammenschluss ist die UBS eigenen Angaben zufolge nach der amerikanischen Morgen Stanley zum weltweit zweitgrössten Vermögensverwalter für Privatpersonen aufgestiegen.

Was passiert mit der Ertragsperle?

Das volle Potenzial des Zusammenschlusses kann die UBS aber nur heben, indem sie Doppelfunktionen abbaut. Bei der Ankündigung stellte die Bank Kostensenkungen von über acht Milliarden Dollar in Aussicht, drei Viertel davon beim Personal. Finanzexperten rechnen inzwischen mit Einsparungen von bis zu zehn Milliarden Dollar. Redburn Atlantic-Analyst Nicholas Watts schätzt, dass über die Jahre bis zu 30.000 Jobs wegfallen könnten. Zum Ende des ersten Quartals kamen UBS und CS noch auf insgesamt rund 122.000 Mitarbeiter. Tausende Angestellte dürften die CS inzwischen aber bereits verlassen haben. Mit der Situation vertraute Personen halten es allerdings für unwahrscheinlich, dass die UBS eine genaue Zahl geben wird, wieviel Jobs gestrichen werden.

Dies hängt auch davon ab, ob die Credit Suisse Schweiz vollständig integriert wird. Ermotti, der eigens für die Mamutaufgabe zur UBS zurückgeholt worden war, wurde nicht Müde zu betonen, dass für dieses Geschäft alle Karten auf dem Tisch lägen, darunter auch eine Abspaltung über die Börse. Gleichzeitig liess der Manager schon früh durchblicken, dass er eine Eingliederung favorisiert. Formell wird der Verwaltungsrat laut einem Bericht der «Neuen Zürcher Zeitung» erst am Mittwoch entscheiden. Aber alles andere als eine Integration wäre eine riesen Überraschung. Angesichts der vergleichsweise hohen und stabilen Gewinne gilt die CS Schweiz als Kronjuwel der Credit Suisse.

«Vor vollendeten Tatsachen»

Die Integration der Credit Suisse würde das Schicksal des Instituts besiegeln, das 1856 vom Unternehmer Alfred Escher gegründet wurde, um den Aufbau des Schweizer Eisenbahnnetzes und den Tunnel durch den Gotthard zu finanzieren. Der Schritt hätte aber auch praktisch weitreichende Folgen. Neben dem massiven Stellenabbau droht eine Einschränkung des Wettbewerbs. Die Citi-Analysten beziffern den Schweizer Marktanteil der kombinierten UBS/CS bei den Einlagen auf 35 Prozent, die 24 Kantonalbanken kommen zusammen lediglich auf 24 Prozent. Noch ausgeprägter dürfte die Vorherrschaft in Teilen des Firmenkreditgeschäfts sein.

Hinzu kommen Befürchtungen, dass die Schweiz die neue UBS bei einer Schieflage kaum mehr retten könnte, denn ihre Bilanzsumme ist rund doppelt so gross wie die gesamte Wirtschaftsleistung des Alpenlandes. «In keinem anderen Land hat eine einzige Bank gemessen am BIP ein solches Gewicht wie die UBS in der Schweiz», erklärte der Grünen-Abgeordnete Gerhard Andrey. Dennoch hätten es das Parlament und die Finanzministerin zu seinem Bedauern verpasst, die Rettung der CS an Bedingungen zu knüpfen. «Jetzt stehen wir vor vollendeten Tatsachen.» In Bezug auf die sich abzeichnende Integration seien der Politik die Hände gebunden.

Die liberale FDP dämpfte ihre ursprüngliche Kritik an einer Integration. Nach dem kürzlichen Verzicht auf ein staatliches Sicherheitsnetz im Gesamtvolumen von bis zu 209 Milliarden Franken habe die Bank an Handlungsfreiheit gewonnen und sei nun in erster Linie ihren Aktionären verpflichtet, erklärte der Abgeordnete Beat Walti. «Nach direkten Kontakten mit der UBS bin ich zum Schluss gekommen, dass es wahrscheinlich nicht so einfach ist, die CS Schweiz abzukoppeln.» Denn es gebe offenbar vielfältige Verflechtungen mit dem Rest der Bank, bei Kapital, Produkten und Dienstleistungen. Aber die UBS werde damit leben müssen, dass Regierung, Parlament und Regulatoren verstärkt auf geschäftliche Entscheidungen Einfluss nehmen würden.

Die Partei Die Mitte fordert etwa strengere Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften sowie neue Boni-Regelungen, um die mit der Grossbank verbundenen Risiken einzudämmen, wie eine Sprecherin sagt. Wegweisende Entscheide des Parlaments und der Regierung zu diesen Fragen sind Experten zufolge aber frühestens im nächsten Jahr zu erwarten.

(Reuters)