"Das Mantra des Unternehmens war, nicht nach Erlaubnis zu fragen, sondern einfach loszulegen", sagte der frühere Uber-Top-Lobbyist und jetzige Whistleblower Mark MacGann den Tamedia-Zeitungen vom Samstag. Für das Unternehmen sei es profitabler gewesen, sich später zu entschuldigen, als vorher zu fragen.
Man habe die Regeln in der Schweiz gekannt, so MacGann. Und Uber habe beim Markteintritt 2013 gewusst, dass man kein erfolgreiches Geschäft haben werde, wenn die Regeln eingehalten würden. "Also haben wir sie einfach auf die Seite geschoben".
Uber habe sich gesagt: "Diese lokalen Gesetze über Lizenzen passen nicht zu unserem Geschäftsmodell. Wir ignorieren sie jetzt einfach". In Zürich und Genf sei das ziemlich einfach gewesen.
Das Geschäftsmodell von Uber sei nur profitabel, wenn die Fahrer nicht als Angestellte behandelt würden, sagte MacGann. Hätte Uber für die Rente, die Krankenversicherung und die Ferien der Fahrer einzahlen müssen, wäre das nicht finanzierbar gewesen.
Zehntausende Dokumente
Das Tamedia-Recherchedesk hatte zusammen mit verschiedenen europäischen Zeitungen 120'000 interne Dokumente ausgewertet, die ihnen vom Whistleblower MacGann zugespielt worden waren. Die Artikel wurden am Samstag veröffentlicht.
Uber räumte in einer Stellungnahme ein, das Unternehmen sei sich bewusst, in der Anfangszeit Fehler gemacht zu haben: "Wir werden nicht versuchen, diese zu rechtfertigen."
Über die Fehler sei schon vor Bekanntwerden der "Uber Files" breit berichtet worden, teilte das Unternehmen auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit. Allerdings habe man das Geschäftsmodell in den letzten Jahren an die in der Schweiz geltenden Bestimmungen angepasst. So arbeite Uber heute ausschliesslich mit professionellen Taxi- und Limousinenchauffeuren zusammen, die über die nötigen Bewilligungen verfügten.
"Bei all dem legen wir heute grossen Wert darauf, ein zuverlässiger und vertrauenswürdiger Partner für die Städte und Gemeinden zu sein, in denen wir aktiv sind", hiess es in der Stellungnahme weiter.
Im Bericht ist auch die Rede von aggressivem Lobbying auf Bundes- und Kantonsebene. Viele Unternehmen griffen beim Eintritt in neue Märkte auf lokale Fachleute zurück, schrieb Uber dazu. Selbstverständlich habe man damals wie heute den Austausch mit politischen Akteuren gesucht. Ziel sei gewesen zu verstehen, unter welchen Bedingungen Uber sein Geschäftsmodell in der Schweiz etablieren könne.
Millionen-Nachzahlung in Genf
Die Arbeitsbedingungen der Fahrerinnen und Fahrer von Uber hatten im vergangenen Jahr insbesondere im Kanton Genf für Schlagzeilen gesorgt. Das Bundesgericht hatte Ende Mai entschieden, dass Uber in Genf unter das Gesetz über Taxis und Transportfahrzeuge fällt und deshalb seine Fahrer wie Angestellte und nicht wie Selbstständige behandeln muss.
Der Kanton hatte dem Fahrdienst daraufhin vorerst die Tätigkeit untersagt, das Verbot aber später sistiert. Im November hatte sich Uber bereiterklärt, 35,4 Millionen Franken zu bezahlen, um seinen Verpflichtungen als Arbeitgeber in Genf nachzukommen.
Gewerkschaft spricht von Skandal
Heftige Kritik am Gebaren von Uber übte die Gewerkschaft Unia. "Das ist schlicht und einfach der grösste Schwarzarbeit-Skandal, den die Schweiz je gesehen hat", wurde Unia-Sekretär Roman Künzler im Artikel zitiert.
Der Fahrdienst stellt sich dagegen weiterhin auf die Position, Uber könne in der Schweiz nicht generell als Arbeitgeber der Fahrer betrachtet werden. Das habe auch das Bundesgericht in einem anderen Fall bestätigt. Der Richterspruch zur Situation in Genf beziehe sich lediglich auf die dort gültige kantonale Gesetzgebung. Die jüngste Entscheidung der Genfer Behörden zeige zudem, dass sich Uber für sie als zuverlässiger Partner erwiesen habe.
(AWP)