Dass ein Analyst von Nestlé die Aktie unterhab von 100 Franken sieht, ist selten und hat es auch schon länger mehr nicht gegeben. Doch die US-Investmentbank Jefferies reduzierte am Mittwoch genau dieses Kursziel für den Schweizer Nahrungsmittelriesen von 100 Franken auf 95 Franken (aktueller Kurs: 108,50 Franken). Der zuständige Analyst rät - als einer der wenigen - zum Verkauf der Aktie. Bereits letzte Woche verringerte die Société Générale ihr Kursziel für die Nestlé-Aktie von 130 auf 100 Franken. Gröber dabei noch: Die Empfehlung wurde gleich von "Kaufen" auf "Verkaufen" gesetzt. 

Der weltgrösste Nahrungsmittel-Hersteller entwickelte sich im dritten Quartal zwar weiter solide und schlug die Konkurrenz in vielen Bereichen. Das organische Wachstum als wichtigste Kenngrösse sank im Vergleich zum Halbjahresresultat nur wenig, entsprechend hat der Konzern gar die Zielgrösse für diesen Wert im Gesamtjahr leicht erhöht.

Im Neunmonatszeitraum waren von den 7,3 Prozent organischem Wachstum rund 4,1 Prozent auf Mengenwachstum (internes Realwachstum RIG) und 3,2 Prozent auf Preisanpassungen zurückzuführen. Im Vergleich zum Halbjahr zeigt sich, dass das Mengenwachstum abgenommen, die Preiskomponente dafür gestiegen ist. Nestlé versucht also die höheren Rohstoffpreise auf die Kunden zu überwälzen, muss dadurch aber einen Rückgang des Mengenwachstums in Kauf nehmen.

Risiken bei Mengenwachstum, Tiernahrung und Starbucks

Genau davor warnt der Nestlé-Analyst von Société Générale. Mit Blick auf das Mengenwachstum RIG sieht er verschiedene Risiken wie etwas sinkende Volumina in Europa, sinkende Zahlen an Haustierbesitzern in den USA, nachdem diese während der Covid-19-Pandemie einen Rekord erreicht hatte. Aber auch eine Verlangsamung bei der Expansion von Starbucks gehört dazu. Darüber hinaus sieht er wenig Raum, dass die Margenentwicklung in den kommenden zwei Jahren positiv überraschen wird.

Der Trend zu den zweitrangigen Produktkategorien (zum Beispiel Fertiggerichte) sei rückläufig, so dass 60 Prozent des Umsatzwachstums auf Kaffee und Tiernahrung zurückgingen, bemängelt auch der Nestlé-Analyst von Jefferies. Das interne Realwachstum bei Nestle tendiert laut Jefferies wieder zu dem Niveau vor Covid-19, da ein Umfeld mit Marktzinsen von über 4 Prozent die Bewertung belaste.

Beide Analysten schlussfolgern, dass die ihrer Ansicht nach negativen Entwicklungen noch nicht im Aktienkurs berücksichtigt sind. Nestlé handle mit Blick auf die Marktzinsen derzeit deutlich über dem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 14 bis 18, welches der Wert letztes Mal hatte, als das Renditeumfeld sich so wie aktuell gestaltet hat. Das KGV von Nestlé beträgt derzeit rund 20. 

Aktienkurs sinkt stärker als bei der Konkurrenz

Der Blick auf die Jahresperformance von Nestlé spricht nicht unbedingt für die Aktie: Mit einem Minus von 15 Prozent liegt Nestlé auf achter Position im Swiss Market Index und schneidet damit nur minim besser als der Gesamtindex. Auch der Direktvergleich zum Konkurrenten Danone (-9 Prozent) ist nicht vorteilhaft für Nestlé, ebensowenig der Blick auf die Jahresperformance des europäischen Bloomberg-Nahrungsmittelaktienindex (-11 Prozent).

Sicher: Der im Januar erzielte Aktien-Rekordstand von 129,30 Franken bleibt für einige Zeit ausser Reichweite. Allerdings darf man auch nicht davon ausgehen, dass die Aktie - falls überhaupt - weit unter die Marke von 100 Franken fällt. Dies geschah zum letzten Mal im März 2021 und beim Covid-Marktabsturz im Frühjahr 2020. Beide Male erholte sich die Aktie relativ schnell. Im gleichen Atemzug muss man sagen: Wenn eine Schätzung von 95 Franken wohl zu tief ist, dann ist auch das durchschnittliche Kursziel von 25 Analysten zu hoch, die vom Bloomberg erfasst werden und die in den letzten drei Monaten ein Urteil zu Nestlé abgegeben haben. Es beträgt 120,88 Fanken.

Das grösste Wachstum erzielte die Aktie im Jahr 2018, als der Titel von 80 bis zwischenzeitlich auf 113 Franken stieg. Es war das zweite Jahr des Wirkens von CEO Mark Schneider, als die Früchte seiner Umbaus des Konzerns sichtbar wurden. Und Mark Schenider geniesst noch immer höchstes Investorenvertrauen. Auch wenn er derzeit - zumindest börsenseitig - das schwierigste Jahr bei Nestlé erlebt.

(cash)