Seit dem Wahlsieg von Donald Trump verzeichnet Matthias Arnold, Winzer im deutschen Riesling-Gürtel, eine Flut von Sonderbestellungen von US-Importeuren. Er versucht, so viele wie möglich abzuarbeiten, bevor der designierte Präsident vielleicht wieder Zölle auf europäische Weine einführt, die er 2019 schon einmal verhängt hatte.

Auch Sunny Hu hat seit den US-Wahlen alle Hände voll zu tun. Sie hat die Lieferungen von Gartenmöbeln und Pavillons ihres Unternehmens Hangzhou Skytech Outdoor bei Shanghai an amerikanische Kunden beschleunigt und treibt gleichzeitig die Diversifizierung in andere Märkte voran.

Weltweit warten Unternehmen nicht erst bis zum Tag von Trumps Amtseinführung am 20. Januar, um Klarheit über seinen geplanten Handelskrieg zu erlangen. Stattdessen haben seine blossen Zolldrohungen einen Wettlauf ausgelöst, der zu Engpässen und höheren Kosten im globalen Handelssystem führen könnte. «Wir befinden uns immer noch in der Ausrastphase», sagte Robert Krieger, Präsident des in Los Angeles ansässigen Zollmakler- und Logistikberatungsunternehmens Krieger Worldwide. «Wir stehen kurz vor einer gewaltigen Flutwelle in der Lieferkette.»

Win Cramer, Chef des kalifornischen Audiounternehmens JLab, hat bereits seine Lieferketten von China weg verlagert, um den Zöllen zu entgehen, die während der ersten Trump-Präsidentschaft eingeführt wurden. Die Unsicherheit zwang das Unternehmen zu einem Einstellungsstopp bis Juni. Sollte diesmal ein universeller Zoll eingeführt werden, wird er als Nächstes die Preise für Kopfhörer und drahtlose Produkte erhöhen.

Konsumenten bezahlen die Zeche

Um einen Schritt voraus zu sein, ziehen einige Unternehmen ihre Bestellungen vor. Andere suchen neue Lieferanten oder versuchen, bestehende Verträge neu zu verhandeln. Allen gemeinsam ist, dass sie mit höheren Kosten in Form von grösseren Lagerbeständen oder teureren Expresslieferungen konfrontiert sind. Gleichzeitig steigt das Risiko, das mit ungeprüften Partnern verbunden ist. Das drückt auf die Gewinne, der Gürtel wird folglich an anderer Stelle enger geschnallt. Die Zeche zahlen letztlich die Konsumenten.

Trotz aller Vorsichtsmassnahmen gibt es keine Garantie, dass die Ausweichstrategien der Unternehmen aus Trumps erstem Handelskrieg auch dieses Mal erfolgreich sein werden. Wie Trumps Zolldrohung gegen China, Mexiko und Kanada Ende November zeigen, hat er diesmal sowohl Verbündete als auch Gegner im Visier.

Die Online-Produktbeschaffungsplattform Zipfox verbindet US-Unternehmen insbesondere mit Fabriken in Mexiko. Seit zwei Wochen vor der Wahl seien die Angebotsanfragen und Neuregistrierungen von Einkäufern um 30 Prozent gestiegen, so Gründer und CEO Raine Mahdi. Er sagte, dass die neuen Anfragen zugenommen haben, nachdem Trump damit gedroht hat, die BRICS- Länder mit Zöllen in Höhe von 100 Prozent zu belegen. Die meisten kommen von Importeuren von in China hergestellten Waren. Mahdi warnt vor Nachlässigkeit.

«Wenn Sie zu lange warten, laufen Sie Gefahr, dass Sie die Umstellung im Eiltempo vornehmen müssen», sagte Mahdi. «Diesmal erwischt man nicht das Ende der Trump-Administration, sondern das ganze Ding, und das mit einem neuen Zorn.»

Schon jetzt machen sich die Massnahmen der Unternehmen bemerkbar. In den Häfen Chinas wurde in den zwei Wochen vor der Wahl ein zweistelliges Wachstum beim Containerumschlag verzeichnet, das in der zweiten Dezemberwoche sogar auf fast 30 Prozent anstieg. Internationale Luftfrachtflüge haben seit Mitte Oktober jede Woche um mindestens ein Drittel zugenommen. Ökonomen gehen davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzen wird, da die Kunden ihre Bestellungen vorziehen.

Zentralbanker behalten die Situation angesichts der Bedrohung, die höhere Importsteuern für ihre Inflationsbekämpfung darstellen, genau im Auge. Auf der anderen Seite des Pazifiks verzeichnet der geschäftigste Containerhafen der USA, der aus den Zwillingshäfen Los Angeles und Long Beach besteht, einen Anstieg der ankommenden Sendungen, der mit der Welle vergleichbar ist, die Trumps erste Zolldrohungen gegen China begleitete. Beide Häfen haben im dritten Quartal Rekorde gebrochen, und Experten gehen davon aus, dass das Volumen bis ins nächste Jahr hinein hoch bleiben wird.

«Der landesweite Anstieg der Importe könnte bis ins Frühjahr 2025 anhalten», sagte Mario Cordero, CEO des Hafens von Long Beach, im Dezember gegenüber Reportern. «Im Jahr 2018 führten die unter der ersten Trump-Regierung eingeführten Zölle zu einem Rückgang der Importe aus China um 20 Prozent und der Exporte nach China um 45 Prozent aufgrund von Vergeltungsmassnahmen.»

Zölle sind aber nicht der einzige Grund für den Anstieg der Warenimporte. Daneben befeuert das chinesische Neujahrsfest, das Ende Januar beginnt, und die Sorge vor potenziellen Streiks in US-Häfen die Situation. Vor diesem Hintergrund würde es nicht viel brauchen, um zusätzlichen Druck auf das globale Handelssystem auszuüben, sagte Robert Sockin, Senior Global Economist bei Citi.

«Die Frachtkosten könnten einen zusätzlichen Aufwärtsdruck erfahren, wenn die Vorzieheffekte spürbar zunehmen», sagte er. «Wenn das Front-Running besonders umfangreich ist, könnte es zu Engpässen in den US-Häfen kommen, was den Druck auf die Lieferkette noch verstärken würde.»

Das Wort «Zoll» hat Konjunktur

Seit der US-Wahl Anfang November hat die Federal Reserve mehr Bedenken hinsichtlich der Abgaben vernommen. Das Wort «Zoll» tauchte elfmal - so oft wie noch nie seit 2020 - in ihrem jüngsten Beige Book Report auf, einer regionalen Umfrage unter Unternehmen. Auch in den Geschäftsberichten von S&P 500-Unternehmen wurden Zölle zunehmend thematisiert. Wie Daten von Bloomberg zeigen, erreichten die Erwähnungen im November den höchsten Stand seit Ende 2019. Vor allem bei Industrieunternehmen und Zulieferern werden Zölle thematisiert.

Wie weitreichend die Auswirkungen von Trumps Plänen sind, zeigt sich im E-Mail-Postfach von Lynlee Brown. Sie ist Global Trade Partner beim Beratungsriesen EY und hat in den ersten Stunden nach der US-Wahl Anfragen aus der ganzen Welt erhalten - von US-Rohstoffimporteuren bis hin zu einem australischen Bekleidungsunternehmen. «Es kommen viele Fragen von Unternehmen», sagt sie.

Diese Unwägbarkeiten stellen JLab vor neue Herausforderungen. Die Produkte des Unternehmens wurden 2019 unter der ersten Trump-Regierung mit Zöllen belegt, nachdem Anträge auf Zoll-Ausnahmen abgelehnt worden waren. Dies führte dazu, dass Cramer rund 90 Prozent seiner Auftragsfertigung von China nach Vietnam, Malaysia und in andere Länder verlagerte. «Wir waren praktisch gezwungen, unsere Lieferkette ausserhalb Chinas neu aufzubauen, und das ist keine leichte Aufgabe», sagt er. Vor der Einführung von Zöllen sei es nicht sinnvoll, Lagerbestände aufzubauen. Es koste Geld und er könnte auf veralteten Beständen sitzen bleiben, während sich die Technologie ständig ändere, so Cramer. Und Trump könnte seine Meinung auch wieder ändern.

Viele Unternehmen, die sich an Trumps erste Zollrunde anpassten, würden mit einem zweiten Schock zu kämpfen haben, sagt Evelyn Suarez, eine Zollanwältin in Washington, zu deren Mandanten amerikanische Fertigungsunternehmen gehören. «Sie sind auf einem Niveau, das sie verkraften können, aber wenn noch einmal 60 Prozent dazukommen, ist das untragbar.» Suarez sagte, dass ihre Kunden sich auf höhere Kosten einstellen und dass dies eine echte Herausforderung sei, da die Preise steigen werden.

Laut einer Umfrage von Oxford Economics unter 156 Unternehmen in den zwei Wochen vor dem 10. Dezember gaben 65 Prozent der Befragten an, dass ein globaler Handelskrieg in den nächsten zwei Jahren ein sehr grosses Risiko für die Weltwirtschaft darstellt. Im Vergleich dazu waren es bei den Spannungen zwischen Russland und der Nato 38 Prozent und beim Konflikt zwischen China und Taiwan 14 Prozent.

Als Betreiber des Weinguts Jul. Ferd. Kimich musste Arnold während der ersten Amtszeit von Trump etwa 80 Prozent der Zölle auffangen. Nur so hielt er Kunden, die sonst auf günstigere Weine aus anderen Regionen umsteigen würden. Sowohl Arnold als auch der US-Importeur, mit dem er zusammenarbeitet, wollen auch dieses Mal relativ stabile Preise für ihre Kunden aufrechterhalten.

Die Frage ist, wie die zusätzlichen Kosten unter ihnen aufgeteilt werden sollen. Arnold exportiert jedes Jahr etwa 10'000 Flaschen Wein in die USA, was etwa 5 Prozent seines Gesamtvolumens entspricht. Er ist zuversichtlich, dass er eine weitere Runde von Zöllen aussitzen kann. Allerdings werden Märkte mit höheren Margen wie Skandinavien zu attraktiveren Exportzielen, wenn die Zölle längerfristig in Kraft bleiben. Einige deutsche Weinhersteller verkaufen jedoch bis zu 40 Prozent ihrer Produkte in die USA. Für sie werde es hart, sagte Arnold. «Die Zölle könnten diesmal schnell eingeführt werden und viel länger anhalten», befürchtet er.

(Bloomberg)