Vier Tage lang bemühten sich diverse Redner auf dem Parteitag der Republikaner, Donald Trump ein neues Image zu geben. Sie beschrieben ihn als liebevollen und fürsorglichen Familienvater, den das Attentat auf ihn bei einer Wahlkampfveranstaltung am Samstag verändert habe. Als Trump dann am Donnerstagabend als Höhepunkt und zum Abschluss des Parteitags in Milwaukee vor die Menge trat, schienen ihre Anstrengungen, Trump als bescheidene und einigende Persönlichkeit darzustellen, zunächst Früchte zu tragen. Er wolle der Präsident von ganz Amerika sein, sagte Trump. Nicht nur einer Hälfte.

Trump schilderte ausführlich das Attentat. Es habe ihn zutiefst betroffen gemacht. Bewegt sprach er über einen von dem Schützen getöteten Anhänger, einen Feuerwehrmann, und küsste dessen Helm. «In einer Zeit, in der unsere Politik uns allzu oft spaltet, ist es jetzt an der Zeit, sich daran zu erinnern, dass wir alle Mitbürger sind», mahnte Trump.

Er hielt diesen Duktus kaum eine halbe Stunde durch, dann kam der altbekannte Trump wieder zum Vorschein: Er polarisierte und beleidigte. Die Botschaft der Einheit war zunichte gemacht. Und das, obwohl Trump selbst nach dem Attentat erklärt hatte, das ursprüngliche Manuskript zugunsten einer Rede zur Einheit der Nation zerrissen zu haben.

In einer weitschweifigen 92-minütigen Ansprache, die den Rekord für die längste Parteitagsrede der Geschichte brach, warf Trump Präsident Joe Biden von den Demokraten vor, der schlechteste Präsident in der Geschichte der USA zu sein. Die frühere Vorsitzende des Repräsentantenhauses bezeichnete er als «verrückte Nancy Pelosi». Die Demokraten betrieben eine juristische Hexenjagd auf ihn. «Die Demokratische Partei sollte sofort aufhören, das Justizsystem als Waffe einzusetzen und ihren politischen Gegner als Feind der Demokratie zu brandmarken, insbesondere da dies nicht wahr ist», sagte Trump. «Tatsächlich bin ich derjenige, der die Demokratie für die Menschen unseres Landes rettet.»

In bekannt übertriebener Wortwahl erklärte Trump, die illegale Einwanderung in die USA sei «die grösste Invasion der Geschichte» und führe jedes Jahr zum Tod Hunderttausender Amerikaner. Beide Aussagen werden allerdings durch keine Daten gestützt. Er zeichnete das düstere Bild eines zerfallenden Amerikas, einer Nation im Niedergang, deren Städte von Kriminalität geplagt sind und wirtschaftlich am Boden liegen – ein typisches Bild seiner Wahlkampfreden, in denen er sich als Retter des Landes präsentiert.

«Uns wurde gesagt, dass dies ein anderer Trump sein würde, weicher», sagte Mary Anna Mancuso, eine republikanische Strategin und Trump-Kritikerin, anschliessend. Trumps Rede habe sich aber nicht um die Vereinigung der Nation gedreht. «Es war derselbe Trump, den wir gesehen haben, und es gab keinen Unterschied.» Allerdings vermied Trump seine bei Kundgebungen oft verwendeten schärfsten Formulierungen. Biden erwähnte er beispielsweise nur zweimal namentlich. Normalerweise verspottet er Biden gern als geschwächten Präsidenten.

Frank Luntz, ein weiterer republikanischer Stratege, sagte, die Rede sei so lang gewesen und habe so spät begonnen, dass viele Zuschauer nur die ersten 30 Minuten gesehen hätten. Die allerdings seien perfekt gewesen. Er fand, dass auch einige der rauesten Elemente von Trumps üblichen Angriffen abgeschwächt worden seien. «Es war der traditionelle, typische Trump ohne die üblichen harten Kanten», sagte Luntz.

Ob etwas von dem Versuch, die Einheit der Partei zu erreichen, anhält, wird sich ab Samstag zeigen. Dann nimmt Trump mit seinem Kandidaten für das Vizeamt, J.D. Vance, den Wahlkampf wieder auf. Skeptiker des Imagewechsels werden ganz genau beobachten, welcher Trump dann auftritt.

(Reuters)