"Wir beobachten in einer Reihe von Industrien, darunter mit Chemie und Auto in zwei Schlüsselbranchen, einen Abbau", sagte Clemens Fuest in einem am Mittwoch vorab verbreiteten Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit". Die Automobilindustrie schrumpfe bereits seit mehreren Jahren, "ihre Produktion entspricht heute nur noch etwa zwei Dritteln des Niveaus von 2018".
Deutschland als den "kranken Mann Europas" zu beschreiben, sei zwar "derzeit überzogen". "Deutschland ist wie ein 40-jähriger Mensch, der lange erfolgreich war, sich jetzt aber beruflich umorientieren muss", sagte der renommierte Ökonom. "Das fällt schwer."
Das Land habe aber ernste Probleme. "Einige wichtige Bedingungen für Investoren haben sich in den letzten zehn Jahren schleichend verschlechtert", sagte Fuest. Mehr Bürokratie, hohe Unternehmenssteuern und der in Zukunft noch größere Mangel an Arbeitskräften sprächen gegen Deutschland.
Mit Subventionen ließen sich Standortschwächen nicht ausgleichen, warnte der Ökonom. Er lehnt auch die Strategie ab, als Antwort auf Subventionen in anderen Ländern diese Branchen hierzulande ebenfalls zu fördern.
"So wahnsinnig intelligent ist das nicht, weil dann ein sehr teurer Subventionswettlauf entsteht, wie etwa bei der Chipindustrie." Besser sei es, den eigenen Standort für Investoren allgemein attraktiver zu machen - "also etwa durch weniger Bürokratie, weniger Regulierungen oder bessere steuerliche Bedingungen".
Bundesfinanzminister Christian Lindner will wegen der seit längerem schwachen Wirtschaftsentwicklung in Deutschland Unternehmen steuerliche Entlastungen gewähren. "Die Wirtschaft benötigt Impulse - selten war das so dringlich wie jetzt", twitterte der FDP-Vorsitzende. Im Umfeld des Ministeriums hieß es, vorgesehen sei eine Entlastung im Volumen von rund sechs Milliarden Euro pro Jahr. Ob die Ampel-Partner SPD und Grüne bei den Plänen mitziehen, ist aber noch unklar. Mit dem sogenannten Wachstumschancengesetz will Lindner den Standort Deutschland wettbewerbsfähiger machen.
(Reuters)