Onlineshops wie Temu mussten in der Schweiz bisher keine Mehrwertsteuer zahlen, solange das Paket weniger als 62 Franken gekostet hat. So wurde es bisher am Zoll gehandhabt. Doch eine Anpassung des Mehrwertsteuergesetzes nimmt die Plattformen nun in die Mangel: Liefert eine Plattform jährlich Kleinwarenlieferungen im Wert von mindestens 100'000 Franken in die Schweiz, muss diese eine Mehrwertsteuer von 8,1 Prozent bezahlen.
Plattformen wie Temu und Shein machen in der Schweiz weit mehr als 100'000 Franken Umsatz: Das Beratungsunternehmen Carpathia schätzte den Umsatz von Temu 2023 hierzulande auf 350 Millionen Franken. Shein hat im selben Zeitraum 220 Millionen Franken Umsatz gemacht. Beide sind somit von der neuen Regelung betroffen. Versandhändler wie Zalando bezahlten bereits davor Mehrwertsteuer.
Denn das neue Gesetz zielt auf Plattformen ab, die nicht direkt Waren verkaufen, jedoch Käufer und Verkäufer zusammenbringen – wie eben Temu. Diese Plattformen werden neu so behandelt, als ob sie die Waren von den Händlern erwerben und selber weiterverkaufen würden. «Dadurch wird die Plattformbetreiberin verpflichtet, die Verkaufsumsätze, die über ihre Plattform erbracht werden, selber zu versteuern und mit der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) abzurechnen», teilt ein Sprecher auf Anfrage mit. Die Änderung betrifft auch inländische Shops, wie beispielsweise die Wiederverkaufsplattform Ricardo.
Somit ist nun Schluss mit Steuererleichterungen für ausländische Shops wie Temu oder Shein. Da die Mehrwertsteuer bisher erst ab 62 Franken fällig wurde, verschickte Temu bewusst kleine Pakete mit wenig Inhalt, um diese zu umgehen. Es wird sich zeigen, wie die Plattform Produkte in Zukunft versenden wird.
Das ändert sich für Konsumenten
Für die Konsumentinnen und Konsumenten ändert sich mit der Anpassung nichts – sie zahlen nach wie vor ab einem Warenwert von 62 Franken eine Mehrwertsteuer von 8,1 Prozent. Ob Temu die Preise deswegen nach oben schraubt, wird sich zeigen. Damit zählen für Plattformen wie Temu nun dieselben Voraussetzungen wie für Versandhändler wie Zalando.
Ist eine Plattform neu mehrwertsteuerpflichtig, muss sie sich bei der ESTV anmelden. Temu ist im Register bereits zu finden – mit einem Sitz in Zürich. Weitere Konkurrenten aus China wie Shein oder Aliexpress sind bisher nicht eingetragen.
Halten sich die elektronischen Plattformen nicht an das neue Gesetz, drohen Konsequenzen: Die ESTV kann beispielsweise den Namen des Shops veröffentlichen, Bussen verhängen – oder gar ein Einfuhrverbot der Waren aussprechen.
Das sagen Schweizer Detailhändler
Der Detailhandelsverband Swiss Retail Federation begrüsst die neue Regelung. «Es ist letztlich ein überfälliger und wichtiger Schritt in Richtung Sicherstellung von gleich langen Spiessen für alle Marktteilnehmer», so Verbandsdirektorin Dagmar Jenni (56). Doch bekanntlich sei jedes Gesetz nur so gut, wie es effektiv vollzogen wird. Man beobachte die Umsetzung deshalb weiterhin.
«Es ist ein ganz wichtiger Schritt zur Herstellung von gleich langen Spiessen zwischen Schweizer Händlern und ausländischen Plattformen», schreibt auch der Handelsverband Swiss in einer Stellungnahme. «Es bleibt abzuwarten, wie sich diese neue Inpflichtnahme der elektronischen Plattformen auf weitere rechtliche Gesetzesgrundlagen auswirken wird.»
Temu teilt auf Anfrage mit, dass man sich an die neue Gesetzgebung halte. Mit wie vielen Mehrkosten der Konzern deswegen rechnet, wollte dieser nicht verraten.
Dieser Artikel ist zuerst im Blick erschienen.
4 Kommentare
Jetzt kassiert der Staat gleich 2 mal mehrwert Steuer ab. Toll. Einmal bei Temu und am Bürger.
Ein wunderbares Beispiel für ein schlecht geschriebenes Gesetz. Hätte das Parlament auf die Fachleute gehört, wäre die Umgehung der Mehrwertsteuer bereits von Beginn weg im Gesetzestext verunmöglicht worden. So sind dem Staat Steuereinnahmen entgangen und dem Schweizer Detailhandel Umsätze.
Übrigens: Der zweite, zwingende Schritt zu Temu und Co ist die Kontrolle der Einhaltung der Regulierung zur Produkteauszeichnung und -deklaration, der gesetzlichen Vorgaben bezgl. Produktesicherheit und weiteren verpflichtenden Normen, Gewährung der Garantieleistungen und ein paar weitere Dinge. All das, was ein Schweizer Anbieter auch machen muss.
Kleiner Hinweis: Gerade bei den rechtswidrigen Kopien von Elektrogeärten werden oft die CE Zeichen einfach mitkopiert, ohne dass die Geräte entsprechende Vorgaben erfüllen und ohne dass entsprechende Testnachweise vorliegen.
Kleine Korrektur: "CE" erforfert bei den meisten vertriebenen Gerätegruppen lediglich eine sog. "Selbstdeklaration". Testnachweise sind oft nicht zwingend, werden aber zum Absichern der (selbstdeklarativen) Konformität meist dennoch vom Hersteller durchgeführt. An der mangelhaften Sicherheit "einiger" netzbetriebener Geräte auf Temu & Co. ändert diese Tatsache jedoch nur wenig....
Genau. Mit der Selbstdeklaration bestätigt der Hersteller und Inverkehrbringer, dass er alle für das Produkt anzuwendenden Vorgaben eingehalten hat. Dazu braucht es eine Konformitätsbewertung. Diese wiederum ist ohne Tests nicht machbar und nicht belegbar. Die Selbstdeklaration kann von den Behörden jederzeit überprüft werden. Wer dann nicht nachwseisen kann, dass diese korrekt ist, und das geht ohne Prüfprotokolle nicht, macht sich strafbar. Und das ist mein Punkt: Da werden CE Kennzeichnungen kopiert, ohne dass die entsprechenden Tests gemacht wurden, was sich alleine schon dadurch manifestiert, dass keine Prüfprotokolle vorweisbar sind.