In den letzten drei Monaten 2022 hätten Unternehmen bereits weniger Kredite nachgefragt, teilte die Europäische Zentralbank (EZB) am Dienstag in Frankfurt mit. "Dies ist der erste Netto-Nachfragerückgang seit Anfang 2021 und er fällt im Vergleich zu den Erwartungen der Banken aus dem Vorquartal deutlicher aus", stellte die EZB fest. Zu den Gründen zählten die steigenden Zinsen im Euro-Raum und eine geringe Neigung zu Anlageinvestitionen. Für Kredite an Privathaushalte sowie für private Wohnungsbaukredite erwarteten die Institute, dass sich die Nachfrage im ersten Quartal wie schon im Schlussviertel 2022 kräftig abschwäche.
Die Umfrage zeigt Volkswirten zufolge, dass der Straffungskurs der EZB inzwischen seine Wirkung in der Wirtschaft entfaltet. "Dies bestätigt unsere Einschätzung einer schleppenden Konjunktur für den grössten Teil des Jahres 2023 und ist ein deutliches Zeichen für die EZB, dass die Zinserhöhungen bereits erhebliche Auswirkungen haben", kommentierte ING-Ökonom Bert Colijn die Umfrage. EZB-Vertretern einer eher lockeren Geldpolitik lieferten die Resultate Argumente dafür, weitere Zinserhöhungen begrenzt zu halten. Befürworter einer eher strafferen Haltung würden Colijn zufolge dagegen auf die hartnäckig hohe Inflation verweisen.
Laut Umfrage verschärften Banken in den Monaten Oktober bis Dezember ihre Standards für die Kredit-Vergabe deutlich. "Die Nettoverschärfung der Kreditstandards war die grösste, die seit der Staatsschuldenkrise im Euro-Raum 2011 berichtet wurde", erklärte die EZB. Dahinter stünden unter anderem gestiegene Risikoeinschätzungen hinsichtlich der Konjunktur. Für das erste Quartal gingen Institute davon aus, dass sich Vergabestandards weiter verschärfen. Auch bei Krediten an Privathaushalte sowie bei privaten Wohnungsbaukrediten werde mit erneut strengeren Vergabestandards gerechnet.
Firmenkredit-Nachfrage sinkt auch in Deutschland
Die EZB befragt vier mal im Jahr Banken zu ihrer Kreditvergabe. Diesmal fand die Erhebung zwischen dem 12. Dezember und dem 10. Januar statt - 151 Banken nahmen teil. Für die Währungshüter liefert die als "Bank Lending Survey" (BLS) bekannte Umfrage wichtige Anhaltspunkte zu den Finanzierungsbedingungen im Währungsraum. Die EZB hat im Kampf gegen die hohe Inflation seit Juli bereits vier Mal in Folge die Zinsen angehoben - zuletzt im Dezember um 0,50 Prozentpunkte. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte zu dem Zeitpunkte weitere Zinserhöhungen von jeweils einem halben Prozentpunkt in Aussicht gestellt. Die nächste EZB-Zinssitzung findet an diesem Donnerstag statt - es ist die erste im neuen Jahr.
In Deutschland nahm die Kreditnachfrage der Unternehmen laut Umfrage im vierten Quartal deutlich ab. Die Bundesbank erklärte zu der EZB-Umfrage, dass bei den beteiligten deutschen Instituten die Kreditnachfrage der Firmen erstmals seit 2013 gesunken sei. Zudem sei die Nachfrage nach privaten Wohnungsbaukrediten so stark eingebrochen wie noch nie zuvor seit Beginn der Erhebungen im Jahr 2003. Für das erste Quartal erwarteten deutsche Banken eine weiter sinkende Nachfrage in allen Kreditbereichen. Der Rückgang werde aber schwächer ausfallen als im Schlussquartal 2022. Auch hierzulande hätten Banken ihre Vergabestandards für Firmenkredite, Darlehen an Privathaushalte und für private Immobilienkredite verschärft. Hauptgrund aus Sicht der Institute: ein gestiegenes Kreditrisiko.
(Reuters)