Wer auf die Fülle an Schweizer Aktien blickt und auf die grossen Unterschiede zwischen den Firmen, fühlt sich schnell überfordert. Geht man aber systematisch vor und hält man sich an bestimmte Regeln, nimmt das Chaos rasch Gestalt an. Folgende Punkte gehören zum Einmaleins vor dem Aktienkauf.

1. Bewertung

Mit der Aktienbewertung kann man beurteilen, ob eine Aktie eher günstig oder teuer ist. Bekannteste Messgrösse ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), das Aktienkurs und Gewinnentwicklung pro Aktie ins Verhältnis zueinander setzt. Wächst der Kurs viel schneller als der Gewinn, steigt das KGV an, was für Anleger ein Warnzeichen sein kann. Firmen mit mehr Wachstumstempo haben in der Regel ein höheres KGV als solche mit etabliertem Geschäftsmodell.

Das KGV eignet sich allerdings nur begrenzt, um Aktien branchenübergreifend zu vergleichen. Denn Versicherer und Banken haben strukturell tiefere Bewertungen als etwa Technologie- oder Industrieunternehmen. Wichtig ist deshalb die Kombination mit anderen Bewertungen wie dem Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV): Der Aktienkurs wird mit dem Wert einer Firma verglichen, wie er in der Bilanz steht. Gerade bei Finanzunternehmen ist diese Kennzahl wichtig.

Beispiele: Der Börsenneuling und Sensorhersteller Sensirion hat ein KGV von hohen 100, der Rückversicherer Swiss Re hingegen eines von 11.

2. Kursverlauf

Von zurückliegender Aktienkurs-Performance sollten keine zukünftigen Erwartungen abgeleitet werden. Aber vor einem Aktienengagement auf den Kursverlauf zu schauen, ist unabdingbar. Ist ein Titel in schnellem Tempo auf ein Allzeithoch geklettert, folgt möglicherweise bald eine Korrektur. Kursrückschläge können als Einstiegsmöglichkeiten identifiziert werden. Kommt eine Aktie seit Jahren nicht richtig vom Fleck, sollte man skeptisch sein und die Frage stellen, was der Aktie Leben einhauchen könnte.

Beispiele: ABB-Aktionäre warten seit Jahren, dass sich die Aktie nachhaltig von 20 Franken löst, beim Biotech-Unternehmen Cassiopea ist der Kurs jüngst scharf in die Höhe geschossen. 

Die Aktien von ABB (grün) und Cassiopea (rot) in den letzten zwöf Monaten (Quelle: cash.ch)

3. Sektorzugehörigkeit

Bei den mehr als 200 Aktien an der Schweizer Börse die Übersicht zu behalten, ist mehr als schwierig. Nützlich ist deshalb die Orientierung an Sektoren, mit denen man bereits vertraut ist. Die wichtigsten Branchen in der Schweiz sind: Gesundheit, Finanzen, Nahrungsmittel, Industrie oder Technologie. So stösst man viel eher Geschäftsmodelle, die man versteht. Auch fällt die Einschätzung des Risikos leichter, wenn man die Eigenheiten der verschiedenen Branchen kennt.

Firmen aus der Pharma-, Nahrungsmittel- oder Telecomindustrie können mit konstanten Einnahmen rechnen, auch wenn die Konjunktur mal nicht so gut läuft. Die entsprechenden Aktien werden als defensiv bezeichnet. Demgegenüber stehen konjunktursensitive Titel aus der Industrie, dem Bauwesen oder der Finanzwelt, sogenannte Zykliker. Biotech-Aktien wiederum sind traditionell sehr schwankungsanfällig, weil ihre Erfolgsaussichten äusserst ungewiss sind.

Beispiele: Bekannte defensive Titel sind Nestlé, Novartis oder Swisscom. Zyklisches Verhalten zeigen Adecco, LafargeHolcim oder Sika.

4. Dividenden

Das Kriterium Dividende hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, weil die Renditen auf die als risikoarm geltenden Obligationen laufend gesunken sind. Die Schweiz ist diesbezüglich üppig ausgestattet: Zahlreiche Firmen bezahlen ihren Aktionären Jahr für Jahr einen grossen Teil des Gewinns aus – einige sogar steuerbefreit. Versicherungen zum Beispiel sind aufgrund der konstanten Prämienzahlungen ihrer Kunden in der Lage, hohe Dividenden zu bezahlen.

Am besten vergleichbar werden Ausschüttungen anhand der Dividendenrendite (Dividende pro Aktie geteilt durch den Aktienkurs). Doch sie muss immer im Gesamtkontext gesehen werden. Denn hohe Dividendenrenditen können sich durch ein unstabiles Geschäftsmodell der Firmen und durch Kursverluste schnell in Luft auflösen. Als besonders attraktiv gelten deshalb Firmen, die konstant über Jahre ihre Dividenden erhöhen können.

Beispiele: Der Pharmakonzern Roche erhöht seine Dividende seit mehr als 30 Jahren ununterbrochen. Der Gebäudetechniker Meier Tobler galt als attraktiver Dividendenzahler, bevor die  Dividende aufgrund schlechter Ergebnisse  gestrichen wurde.

5. Geschäftsgang

Kommt eine Aktie in die engere Auswahl, sollte man sich den Geschäftsgang genauer anschauen. Und zwar die Unternehmenszahlen nicht bloss der Gegenwart, sondern der letzten Jahre. So lassen sich mögliche Trends erkennen und die langfristige Entwicklung des Unternehmens erfahren. Im Fokus sollten zum Beispiel die Verschuldung und die Veränderung der flüssigen Mittel stehen. Stimmen die Zahlen nicht, nützen auch hohe Dividenden und eindrückliche Kursausschläge nichts.

Börsianer achten vor allem darauf, ob ein Unternehmen mit seinen Zahlen die Erwartungen des Marktes übertrifft oder verfehlt. Dementsprechend reagiert der Aktienkurs negativ oder positiv. Auch nach dem Aktienkauf ist es deshalb wichtig, am Ball zu bleiben und die Unternehmensnews zu verfolgen.

Beispiele: Kleinere Aktien wie Dormakaba, Bobst oder Rieter sind in jüngster Zeit abgestürzt, weil sie die Analystenerwartungen verfehlten. In die andere Richtung ging es mit Interroll, SFS oder Cembra Money Bank nach überzeugenden Zahlen.

6. Emotionen

Emotionale Entscheidungen sollten beim Börsenhandel eigentlich vermieden werden. Fällt die Wahl zwischen mehreren gleichwertigen Aktien aber schwer, können durchaus auch "weiche" Faktoren zum Zug kommen. Vielleicht arbeitet ein Familienmitglied bei einem börsenkotierten Konzern oder es gibt Produkte des Alltags, die besondere Freude bereiten? Auch Firmen mit besonderen Naturaldividenden können als Liebhaberaktien ins Depot gelangen.

Beispiele: Logitech stellt jede Menge elektronischen Zubehör her, der in vielen Schweizer Haushalten steht, die Schokolade von Lindt&Sprüngli landet unter manchem Weihnachtsbaum. Die Aktionäre von Calida erhalten jedes Jahr ein Pyjama, jene der Zuger Kantonalbank eine Flasche Kirsch.