Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat bei der letzten Zinssitzung des Jahres ihren Leitsatz zum vierten Mal in Folge und überraschend stark gesenkt. Zudem signalisierte sie ihre Bereitschaft zu einer weiteren geldpolitischen Lockerung. Der SNB-Leitzins wird um 0,5 Prozentpunkte auf 0,5 Prozent herabgesetzt, wie die Notenbank am Donnerstag mitteilt.
Der zugrundeliegende Inflationsdruck habe in diesem Quartal nochmals abgenommen. Mit der Lockerung der Geldpolitik trage die Nationalbank dieser Entwicklung Rechnung, schreibt die SNB in einer Mitteilung.
Der Entscheid kommt für die Märkte unerwartet. 27 der 31 von der Nachrichtenagentur Reuters befragten Ökonomen und Finanzmarktexperten hatten vorausgesagt, dass die Notenbank den Leitzins erneut um 0,25 Prozentpunkte auf 0,75 Prozent senken werde. Nur vier der Befragten gingen von einer stärkeren Rücknahme um 50 Basispunkte aus.
Der Franken schwächt sich gegen den Euro nach dem unerwarteten Schritt ab. Er fällt bis auf 0,9342 von 0,9282 vor dem Entscheid.
Die SNB senkte die für ihre Zinsentscheidung massgebliche Inflationsprognose für dieses und kommendes Jahr nochmals: Sie rechnet 2024 nun mit einem Anstieg der Verbraucherpreise um 1,1 Prozent, nachdem sie im September noch 1,2 Prozent veranschlagt hatte. 2025 dürften es nur noch 0,3 (bislang: 0,6) Prozent sein. 2026 wird dann eine Teuerung von 0,8 (bislang: 0,7) Prozent erwartet.
Die Schweiz hat eine der niedrigsten Inflationsraten unter den grossen Volkswirtschaften. Zwar stieg die Jahresteuerung im November leicht auf 0,7 Prozent, sie liegt aber weiterhin im unteren Bereich der von der SNB angepeilten Spanne von null bis zwei Prozent.
«Nach drei Zinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte überrascht der deutliche Zinsschritt doch ein wenig», scheibt Philipp Merkt, Chief Investment Officer von Postfinance. Er zeige aber auch, dass die SNB in der Aufwertungstendenz des Schweizer Frankens und deren Folgen ein erhebliches Risiko sehe.
Karsten Junius, Chefökonom bei der Bank J. Safra Sarasin, hatte den grossen Zinsschritt vorausgesagt. Die Senkung um 50 Basispunkte sei die richtige Entscheidung, da die Inflationsrisiken nach unten gerichtet seien und die Wirtschaft unter ihrem Potenzial wachse, während die wichtigsten Exportgüter der Schweiz mit strukturellen und zyklischen Problemen zu kämpfen hätten, schreibt er in einer Mitteilung. Er erwartet zwei weitere Senkungen um 25 Basispunkte bei den nächsten beiden Sitzungen auf einen Stand von 0 Prozent im Juni.
Die Notenbank geht dieses Jahr weiterhin von einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums in der Alpenrepublik auf rund 1,0 Prozent aus. 2023 war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) noch um 1,2 Prozent gestiegen. 2025 rechnet die SNB dann mit 1,0 bis 1,5 (bislang: rund 1,5) Prozent BIP-Zuwachs.
Die Schweiz hat bereits den zweitniedrigsten Zinssatz unter den grossen Volkswirtschaften nach Japan. Anders als die Bank von Japan hat es die Schweizer Zentralbank aber mit einer starken Währung zu tun, die zwar die Teuerung bremst, aber auch die Exporte der Schweizer Unternehmen verteuert. Der Franken hat seit der letzten Zinssenkung im September gegenüber der Hauptexportwährung Euro um rund zwei Prozent aufgewertet.
Die Schweizer Währungshüter entscheiden in der Regel viermal jährlich gegen Ende des Quartals über die Zinsen.
(cash/Reuters)