«Die Schwierigkeiten im Wind stellen die exzellenten Leistungen in allen anderen Bereichen in den Schatten», klagte CEO Christian Bruch am Mittwoch in München. Erst im Geschäftsjahr 2025/26 sei dort eine schwarze Null zu erwarten, zwei Jahre später als bisher gedacht. Auch im laufenden Geschäftsjahr werde die Windkraft-Tochter Siemens Gamesa mit einem Verlust von zwei Milliarden Euro den ganzen Konzern operativ in die roten Zahlen drücken, räumte Bruch ein. Am Geschäft mit Windkraftanlagen an Land (Onshore), in dem Siemens Energy Qualitätsmängel plagen, will er gleichwohl vorerst festhalten.

«Wir können nicht sagen, das machen wir nicht mehr», sagte Bruch auf der Bilanzpressekonferenz. «Es muss unsere Aufgabe sein, das erst einmal zu fixen.» Immerhin zeichne sich ab, dass die Rückstellungen von 1,6 Milliarden Euro ausreichten. Die Onshore-Sparte macht gut die Hälfte des Windanlagen-Geschäfts aus, 50.000 Anlagen sind installiert. Siemens Energy werde sich aber auf bestimmte Produkte und Märkte fokussieren müssen, sagte der Vorstandschef. Weitergehende Entscheidungen könnten erst fallen, wenn der Bereich wieder schwarze Zahlen schreibe. Ein «Knalleffekt» sei auf dem Kapitalmarkttag in der nächsten Woche daher nicht zu erwarten.

Bei Windrädern für den Einsatz auf hoher See (Offshore) hat Siemens Gamesa Anlaufprobleme in vier neuen Werken. Hier seien aber im kommenden Jahr ohnehin kaum neue Aufträge zu erwarten, weil viele Grossprojekte für Offshore-Windparks nicht vorankommen. Siemens Energy sitzt auf Aufträgen für Windanlagen an Land und auf See von 42 Milliarden Euro, das ist ein Grossteil des Auftragsbestands im Konzern von 112 Milliarden.

Um die Aufträge für Gasturbinen, Stromnetze und Transformatoren abarbeiten zu können, muss das Unternehmen den Kunden milliardenschwere Garantien geben, für deren Anzahlungen, aber auch für mögliche Gewährleistungsfälle. 15 Milliarden Euro an Garantien sind nötig, doch die Banken wollten für so grosse Summen nicht mehr allein einstehen, weshalb sich Siemens Energy an den Staat wandte. «Wenn der Wind-Bereich erfolgreich wäre, hätten wir diese Diskussion nicht gebraucht», räumte Bruch ein. Dabei sei die Wahrscheinlichkeit, dass die Garantien gezogen werden, verschwindend gering.

In zähen Verhandlungen handelten Siemens Energy, die Banken und der Bund eine Lösung aus: Die Banken geben elf Milliarden Euro, von denen der Bund 7,5 Milliarden absichert - gegen Geld. «Wir sind froh, dass wir eine gute Lösung mit allen Beteiligten gefunden haben, unser durch die Energiewende stark beschleunigtes Wachstum sicherzustellen», sagte Bruch.

«Nun liegt es am Management von Siemens Energy, zeitnah eine Zukunftsperspektive für das Windgeschäft aufzuzeigen und die Probleme zu lösen», sagte IG-Metall-Vizechef Jürgen Kerner, der in den Aufsichtsräten von Siemens und Siemens Energy sitzt. «Nur damit werden das Unternehmen und seine Beschäftigten wieder in ruhigeres Fahrwasser kommen und ihr grosses Potential im Rahmen der Energiewende umsetzen können.»

Nach spätestens zwei Jahren wolle Siemens Energy wieder auf eigenen Beinen stehen, sagte Bruch - bis dahin sind Vorstands-Boni und Dividenden ausgeschlossen. Weitere drei Milliarden Euro an Garantien will sich Siemens Energy im Ausland besorgen, die spanische Regierung hat schon Unterstützung signalisiert.

Für die erste Milliarde an möglichen Ausfällen steht formal der ehemalige Mutterkonzern Siemens ein. Er hat sich dafür aber unter anderem eine Fünf-Prozent-Aktienpaket an der gemeinsamen indischen Tochter Siemens Ltd verpfänden lassen. Siemens-Chef Roland Busch habe eine konstruktive Rolle in den Verhandlungen gespielt, sagte Bruch. Die Siemens AG, die noch 25,1 Prozent an Siemens Energy hält, nutzt die Gelegenheit, um ihr Geschäft und das der Ex-Tochter schneller zu entflechten. Der Technologiekonzern kauft Siemens Energy für 2,1 Milliarden Euro 18 Prozent an Siemens Ltd ab und kommt dort damit auf 69 Prozent. Bis 2025 soll das lukrative Indien-Geschäft der beiden Firmen getrennt sein. Für die Kunden ändere sich nichts, sagte Bruch.

Mit dem Geldregen will Finanzchefin Maria Ferraro Siemens Energy das Investment-Grade-Rating retten, das angesichts der Milliardenverluste wackelt. Im laufenden Geschäftsjahr 2023/24 kann der Konzern nur dank der Überweisung der Siemens AG und des Verkaufs von Tochterfirmen wie der Hochspannungs-Sparte Trench wieder schwarze Zahlen schreiben; erwartet wird ein Nettogewinn von einer Milliarde Euro. Die operative Umsatzrendite werde bei minus zwei bis plus ein (2023/23: minus 8,9) Prozent erwartet, bei einem erwarteten Umsatzwachstum von drei bis sieben Prozent.

2022/23 war der Verlust wegen Siemens Gamesa auf 4,59 (0,71) Milliarden Euro angeschwollen, obwohl die drei anderen Sparten - die für 70 Prozent des Umsatzes stehen - ihre Ziele übertrafen. Der Umsatz stieg auf vergleichbarer Basis um zehn Prozent auf 31,1 Milliarden Euro, der Auftragseingang schnellte um gut ein Drittel auf 50,4 Milliarden Euro. Wenn Siemens Gamesa wie geplant keine Verluste mehr produziert, peilt Siemens Energy 2025/26 eine operative Marge von fünf bis sieben Prozent und einen Nettogewinn von 1,0 bis 1,5 Milliarden Euro an.

Die Siemens-Energy-Aktie legte um vier Prozent auf 10,67 Euro zu. Seit dem Kurssturz vor drei Wochen, als der Ruf nach Staatsgarantien bekannt wurde, hat sie 73 Prozent zugelegt.

(Reuters)