Die Stimmung an der Schweizer Börse hat sich auch im neuen Jahr merklich verbessert. Der Anfang Oktober eingeschlagene Aufwärtstrend hat sich fortgesetzt. Anlegerinnen und Anleger haben vorausschauend ihr Aktien-Exposure wieder erhöht - eine weiche Landung der Konjunktur und das Ende der Zinserhöhungszyklus wird im zunehmenden Masse eingepreist.

"In unserem Szenario für 2023 rechnen wir damit, dass sich die Konjunktur weiter erholt, dass sich die geopolitische Lage etwas entspannt und dass die Zinserhöhungen allmählich ein Ende finden", sagt Thomas Rühl, Anlagechef der Schwyzer Kantonalbank, auf Anfrage von cash.ch. Daher dürften sich Schweizer Aktien, insbesondere die Zykliker, auch im weiteren Jahresverlauf aufwärts bewegen.

Rühl sieht bei Schweizer Aktien klar mehr Chancen als Risiken - sie seien insgesamt fair und nicht überbewertet. Neben den Makrofaktoren bestehe aus Bewertungssicht ebenfalls weiteres Potenzial. "Ausserdem halten wir die Qualität der meisten kotierten Schweizer Unternehmen für hoch und glauben deshalb, dass sie auch künftig gut performen werden", sagt Rühl.

Diesen Aufwärtstrend, der dem Swiss Market Index (SMI) 2023 ein Kursplus von mehr als 4 Prozent beschert hat, haben jedoch nicht alle Schweizer Aktien mitgemacht. Einige Titel haben sogar weiter korrigiert, sind nicht vom Fleck gekommen oder haben ihre vorher bestehenden Aufwärtsbewegung abgebrochen. "Buy the Dip" - bei Kursrückschlägen kaufen - könnte insbesondere bei diesen fünf Nachzüglern für den weiteren Jahresverlauf interessant sein:

Logitech - Innovativer Tech-Titel mit langfristigem Rückenwind

Die Aktien des Computerzubehörherstellers Logitech haben seit Anfang Januar mit minus 7 Prozent im SMI am deutlichsten korrigiert - der zu Beginn des Jahres kommunizierte Gewinneinbruch im Weihnachtsgeschäft hat seine Spuren hinterlassen. Doch das Glas ist nicht halb leer, sondern halb voll: Gegenüber dem letztjährigen Tiefstand Mitte Oktober steht ein Kursplus von 27 Prozent zu Buche. Das nahende Ende der Zinserhöhungen macht sich auch bei diesem Wachstumswert bemerkbar.

Kursentwicklung der Aktien von Logitech (Quelle: cash.ch).

Und obwohl Logitech momentan eine eingeschränkte Visibilität und damit wenig Handfestes für Anlegerinnen und Anleger bietet, sind die anhantenden und nichtzyklischen Trends wie Videotelefonie und Gaming Garanten für langfristiges Wachstum und Gewinne. Der Hersteller von Tastaturen bis Kopfhörern generiert zudem weiterhin solide Cashflows, gilt als innovativ und anpassungsfähig und zahlt als Tech-Titel eine relativ hohe Dividendenrendite von 1,8 Prozent.

BCV - Grosszügiger Dividendentitel im Schaufenster

Die Waadtländer Kantonalbank (BCV) hat 2022 mehr verdient, prognostiziert Konstanz und will die Dividenden erhöhen. Trotzdem hat die Aktie seit dem letztjährigen Höchststand Mitte September 15 Prozent verloren. Bieten sich mit der im neuen Jahr anhaltenden Kursschwäche der stark kapitalisierten und gegen Krisen robusten Westschweizer Retail- und Vermögensverwaltungsbank Einstiegschancen?

Kursentwicklung der Aktien von BCV (Quelle: cash.ch).

Wie bei anderen Kantonalbanken der Schweiz haben sich bei der BCV in der Vergangenheit die steigenden Zinsen als Kurstreiber erwiesen - dies dürfte mit dem Ende des Zinserhöhungszyklus wegfallen und wurde wohl schon zum Teil eingepreist. Aber nicht das Kurspotenzial, sondern die Dividendenrendite von 4,5 Prozent ist ein Kaufargument und generiert Nachfrage für den Titel: Die Waadtländer Kantonalbank kann dank hoher Kapitalquoten einen Grossteil der Gewinne an die Aktionäre ausschütten. Damit werden auch in den kommenden Jahren hohe und stabile Dividendenzahlungen wohl an der Tagesordnung bleiben.

Arbonia - Wann zündet der Nachhaltigkeits-Turbo?

Auf Jahressicht haben sich die Aktien des Bauzulieferers Arbonia von knapp 22,6 Franken auf 12,7 Franken beinahe halbiert. Und auch 2023 kommt der Titel nicht vom Fleck. Gestiegene Material- und Logistikkosten, Materialknappheit, stark ansteigende Energiekosten, gestiegene Zinsen und auch der starke Schweizer Franken belasteten den Geschäftsgang, was Anfang Januar in einer Gewinnwarnung mündete und den Absturz der Aktien erklärt - wohl ganz zum Missfallen von Ankeraktionär Michael Pieper, der via Industrie- und Finanzbeteiligungsgruppe Artemis 22 Prozent an Arbonia besitzt.

Kursentwicklung der Aktien von Arbonia (Quelle: cash.ch).

Arbonia fährt eine doppelte Strategie, einerseits mit einer hohen Kostenkontrolle in der Sparte Türen, andererseits als Profiteur des Nachhaltigkeitstrends bei Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen. Gerade wegen letzteren mausert sich der einstige Industrietitel zu einer echten "Klima-Aktie". Und die Entspannung an der Inflations- und Zinsfront sollte dem Bauzulieferer im weiteren Jahresverlauf zugutekommen. Gleiches gilt für die gesunkenen Logistikkosten und die Lage-Entschärfung bei der Materialverfügbarkeit. Die Aktie eignet sich mit der Korrektur für Investoren mit einem langfristigen Zeithorizont. 

Polypeptide - Abgestraft trotz fundamental sehr guten Rahmenbedingungen

Mit zwei Gewinnwarnungen 2022 hat der Pharmazulieferer Polypeptide viel Investorenvertrauen zerstört, was auch den Aktienkurs auf Jahressicht um 69 Prozent korrigieren liess. Denn diese Hiobsbotschaften für die Aktionärinnen und Aktionäre warfen einen sehr dunklen Schatten auf die strategische Ausrichtung und auch auf das Management von Polypeptide.

Kursentwicklung der Aktien von Polypeptide (Quelle: cash.ch).

Obwohl nach den Gewinnwarnungen im vergangenen Geschäftsjahr die Stimmung hinsichtlich der Aktie nach wie vor schwach ist, bieten sich mit der Konsolidierung der vergangenen Wochen Chancen. Ungeachtet des Aufs und Abs an der Börse bleiben die fundamentalen Rahmenbedingungen für Peptide-Hersteller insgesamt sehr gut. Und dass der Pharmazulieferer für 2023 wieder Umsatzwachstum und eine steigende Marge erwartet und auch mittel- bis langfristig gutes Wachstumspotenzial sieht, stimmt angesichts der im Branchenvergleich tiefen Bewertung positiv. 

Roche - Kurspotenzial bleibt intakt

Vom Rekordstand bei gut 400 Franken im letzten April hat sich der Genussschein von Roche deutlich distanziert. Und auch im neuen Jahr ging es um knapp 4 Prozent auf 281 Franken weiter abwärts. Angetrieben wurde diese Entwicklung zuletzt durch ein durchmischtes Zahlenset zum vergangenen Geschäftsjahr und den Verkauf von 2,7 Millionen Inhaberaktien durch eine Aktionärsgruppe: Ein denkbar schlechter Start für den neuen CEO Thomas Schinecker.

Kursentwicklung der Aktien von Roche (Quelle: cash.ch).

Am Markt stösst man jedoch auf die Auffassung, dass der Genussschein bei Kursen unter 300 Franken ein blinder Kauf sei. Dies gilt umso mehr, da Roche eine hohe Visibilität des kurzfristigen Wachstums bietet und bilanzielle Flexibilität aufweist. Zwar haben Rückschläge in der Produkt-Pipeline jüngst auf die Kurse gedrückt, das Innovationspotenzial von Roche - und damit das Kurspotenzial - bleibt jedoch intakt. Darüber hinaus bietet der Pharmakonzern den Aktionärinnen und Aktionären mit einer Dividendenrendite von 3,4 Prozent auch gutes passives Einkommen.

ManuelBoeck
Manuel BoeckMehr erfahren