Der Berner Fachhochschulprofessor für Digitalisierung Matthias Stürmer zeigte sich in einem Interview mit der «SonntagsZeitung» überrascht, dass es am 19. Juli nicht zu grösseren Ausfällen kam. Die Zeitverschiebung habe in Europa Schlimmeres verhindert. Am frühen Morgen hätten viele noch nicht gearbeitet.
Zur Ursache der Panne erklärte der Digitalisierungsforscher, streng genommen habe Crowdstrike kein Softwareupdate vorgenommen. Vielmehr war es ein fehlerhaftes Update der Erkennungsmuster für Cyberangriffe.
Stürmer vermutete gegenüber der Zeitung, dass das Unternehmen das Update nicht ausführlich getestet hatte, sonst wäre der Fehler aufgefallen. Das sei ein nur schwer erklärbarer Anfängerfehler, der vielleicht auf wirtschaftliche Interessen zurückzuführen sei. Firmen seien an kostengünstiger und effizienter Arbeit interessiert.
Skyguide ohne Plan B
Die von der IT-Panne stark betroffene Flugsicherung Skyguide sei schlecht vorbereitet gewesen, sagte Stürmer. Ein Unternehmen müsse sich schon überlegen, inwiefern es bei solch heftigen Störungen einen Plan B brauche. Am Flughafen Zürich war es am Freitag vor einer Woche zu Verspätungen und Flugausfällen gekommen.
Nach Ansicht des Berner Forschers muss Crowdstrike mit Schadenersatzforderungen rechnen. Die Frage ist für Stürmer, welche Chancen die Klagen haben. In ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen nämlich halte die Firma fest, dass die Cybersicherheitssoftware nicht für kritische Anwendungen eingesetzt werden soll. Explizit sei dabei die Flugsicherung erwähnt.
Wegweisender Fall
Das bringe Skyguide in die Bredouille, sagte Stürmer. Die Luftraumüberwachung musste den Geschäftsbedingungen zustimmen, denn sonst hätte sie die Software nicht nutzen können.
Rechtlich werde der weltweite Absturz ein wegweisender Fall. Einen Ausfall in diesem Ausmass habe es noch nie gegeben; die Schäden dürften in die Milliarden Franken gehen. Der Flughafen Zürich kündigte schon rechtliche Schritte an.
Stürmer ist Professor an der Berner Fachhochschule und Leiter des Instituts für Transformation im öffentlichen Sektor. Er lehrt und forscht zum Thema Digitalisierung. Sein Fokus liegt auf den Gebieten öffentliche Beschaffung, Nachhaltigkeit und Open Source.
(AWP)