Mobilfunknutzer in Russland werden wahrscheinlich mit langsameren Down- und Uploads, mehr unterbrochenen Anrufen, Verbindungsproblemen und längeren Ausfällen konfrontiert sein, sagten fünf hochrangige Telekom-Manager und andere Branchenexperten der Nachrichtenagentur Reuters. Die Betreiber würden nicht mehr in der Lage sein, Software zu aktualisieren und schwindende Ersatzteilvorräte auszugleichen.

Nokia und Ericsson halten an ihrem Zeitplan für den Rückzug aus Russland fest: "Wir arbeiten auf das Ende des Jahres hin, dann laufen alle Ausnahmeregelungen aus", sagte Ericsson-Finanzchef Carl Mellander zu Reuters.

Das Unternehmen hatte von den schwedischen Behörden Ausnahmen von den Sanktionen erhalten. "Unser Ausstieg wird vollständig sein. Wir werden nichts mehr nach Russland liefern", bekräftigte Nokia-Chef Pekka Lundmark.

Die beiden skandinavischen Konzerne betreiben fast die Hälfte der Basisstationen in Russland und decken ein breites Produktspektrum ab - von Telekommunikationsantennen bis hin zur Hardware, die Glasfaserkabel mit digitalen Signalen verbindet. Sie liefern auch die entscheidende Software, die das Zusammenspiel der verschiedenen Teile des Netzes ermöglicht.

Mit der Förderung russischer Anbieter und Produkte hat Russland in den letzten Jahren seine Abhängigkeit von Nokia und Ericsson reduziert. Die russischen Hersteller haben ihren Marktanteil in diesem Jahr auf 25,2 Prozent mehr als verdoppelt. Das russische Digitalministerium erklärte gegenüber der heimischen Nachrichtenagentur TASS, es gebe in Russland keine Engpässe bei der Telekommunikationsausrüstung. Der Rückzug von Nokia und Ericsson werde keine Auswirkungen auf die Qualität der Kommunikation haben. Auf Reuters-Anfragen für eine Stellungnahme zu den Informationen reagierte das Ministerium nicht. Die vier grossen Telekomanbieter in Russland - Marktführer MTS, Megafon, Beeline und Tele 2 - äusserten sich ebenfalls nicht.

Kommunikationsminister Maxut Schadajew sagte diese Woche, dass vier Telekommunikationsbetreiber Verträge unterzeichnet hätten, um mehr als 100 Milliarden Rubel (1,33 Milliarden Euro) für Ausrüstung aus russischer Produktion auszugeben. "Dies wird es uns ermöglichen, eine moderne Produktion von Telekommunikationsausrüstung in Russland zu organisieren", sagte er, ohne Angaben zu den Betreibern oder Herstellern zu machen.

Knackpunkt Software

Experten entwerfen allerdings ein düsteres Bild: Der Abbruch der Beziehungen zu ausländischen Unternehmen werde die russische Kommunikation um eine Generation zurückwerfen, während der Rest der Welt die Einführung von 5G-Technologien vorantreibt. "Wenn diese Situation wie vermutet jahrelang anhält, könnten die russischen Mobilfunknetze in Bezug auf die Abdeckung in den Zustand der späten 1990er Jahre zurückfallen, als ihre Abdeckung auf grosse Städte und die reichsten Vororte beschränkt war", sagte Leonid Konik, der die IT-Infoseite ComNews in Moskau leitet.

Nach Expertenansicht wird zuerst die Telekom-Versorgung der ländlichen Gebiete zusammenbrechen, da die Betreiber zur Stärkung der städtischen Netze Geräte wohl entfernen würden. Zudem könnten fehlende Software-Updates zu Netzausfällen oder Cyberangriffen führen.

Die grösste Hürde für Mobilfunkbetreiber werde das Fehlen von Software-Upgrades sein, so die Experten. Während Unternehmen Hardwareteile für den späteren Gebrauch horten können, sind sie auf einen regelmässigen Zeitplan für lizenzierte Software-Updates und die als Patches bekannten Sicherheitspakete angewiesen, um die Integrität eines Netzes aufrechtzuerhalten. Nokia und Ericsson wollen nach eigenen Angaben alle Updates bis zum nächsten Jahr einstellen und danach auch keine Patches mehr zur Verfügung stellen.

Der chinesische Telekom-Ausrüster Huawei - im vergangenen Jahr mit einem Marktanteil von mehr als einem Drittel grösster Anbieter in Russland - wird Insidern zufolge zwar weiterhin Software-Updates bereitstellen und Wartungsarbeiten durchführen. Den Verkauf neuer Telekomausrüstung in Russland hat das Unternehmen jedoch eingestellt, als die USA Sanktionen wegen des Ukraine-Kriegs einführten. Huawei verkaufe auch keine Smartphones mehr in dem Land, sagten die Insider. Huawei lehnte einen Kommentar dazu ab. 

(Reuters)