In der Genfer Flagship-Boutique von Bucherer wird fast jeder, der auf der Suche nach einer neuen Rolex Daytona ist, enttäuscht sein. Beim wichtigsten Rolex-Händler der Welt gibt es keine der beliebten Luxusuhren auf Lager - und auf der Warteliste kann man Wochen zubringen, aber auch Monate oder Jahre. Im vierten Stock des Genfer Geschäfts könnte man indessen Glück haben. Vorausgesetzt, man ist bereit, statt einer neuen eine gebrauchte Uhr zu nehmen - und viel mehr dafür zu bezahlen.

Eine Platin-Rolex Daytona aus dem Jahr 2020 mit hellblauem Zifferblatt und brauner Keramikmiklünette wird im Erdgeschoss neu für 74’400 Schweizer Franken angeboten. Verfügbar ist sie jedoch aktuell nicht. Im vierten Stock ist sie dafür gebraucht für 110’000 Franken zu haben. Das sind zwar rund 36’000 Franken mehr, doch für die Kunden lohnt es sich: Sie wissen, dass es sich bei der Uhr, die sie kaufen, definitiv um eine Rolex und nicht um eine Fälschung handelt. 

Lebhafter Zweitmarkt

Das Uhrengeschäft hat einen ungewöhnlich lebhaften Secondhand-Markt. Rund 50 Milliarden Dollar Dollar an brandneuen Luxusuhren werden jedes Jahr verkauft. Weitere 25 Milliarden Dollar werden gebraucht gehandelt, so die Schätzungen des Branchendatenanbieters WatchCharts.com. Für die Luxusgüterindustrie insgesamt betrug der Anteil der Secondhand-Verkäufe nur 12 Prozent des Primärmarktumsatzes im Jahr 2023, so das Beratungsunternehmen Bain & Co. Uhren behalten ihren Wert in der Regel besser als andere Arten von Luxusgütern, und Wiederverkaufswebsites haben den Secondhand-Handel einfacher und transparenter gemacht.

Rolex hat nun den sogenannten "Certified Pre-Owned"-Markt für sich entdeckt und ist mit seinen wohl begehrtesten Uhren der Welt nun auch im Secondhand-Geschäft tätig. Es sei "vermutlich der bedeutendste Schritt, den ein Hersteller zur Legitimierung des Sekundärmarktes unternehmen kann", sagte Joshua Ganjei, CEO der European Watch Company.

Das Prinzip hinter CPO ist einfach: Rolex-Konzessionäre kaufen Rolex-Uhren vom aktuellen Besitzer zurück, worauf die Echtheit der Uhren durch Rolex selbst geprüft, eine Revision durchgeführt und ein Echtheitssiegel versehrt wird. Anschliessend werden die Uhren als Certified Pre-Owned-Modelle (CPO) mit einer zweijährigen Garantie im Laden oder Online-Shop beim Konzessionär verkauft. Damit kann der Gebrauchtmarkt vom Schweizer Traditionsunternehmen kontrolliert werden und erschafft einen direkten Zugang zu einem Markt, der laut Deloitte schätzungsweise 20 Milliarden Dollar wert ist und bis 2030 auf 35 Milliarden Dollar anwachsen soll. 

Auf Nachfrage erklärten Vertreter von Rolex in Genf, das CPO-Programm solle Kunden die Möglichkeit geben, "originale gebrauchte Uhren zu kaufen und dabei von der Qualität und Exzellenz profitieren, die für die Marke charakteristisch sind." Die bisher im Rahmen des CPO-Programms verkauften Uhren machen allerdings nur 1 Prozent des gesamten Secondhand-Marktes für Rolex-Uhren aus. “Zu glauben, dass die Marke die Preise auf dem Sekundärmarkt allein durch den Eintritt in diesen Bereich kontrollieren kann, ist sehr kurzsichtig”, sagte Ganjei. "CPO-Uhren erzielen zwar einen erheblichen Aufschlag auf die traditionellen Sekundärmarktpreise, aber preisbewusste Verbraucher werden weiterhin nach besseren Angeboten bei anderen vertrauenswürdigen Händlern suchen."

Turbulente Zeiten

Für Rolex ist es dennoch eine zusätzliche Einnahmequelle in einer Zeit, in der die Branche nach Boom-Jahren mit einer Flaute zu kämpfen hat. Die Schweizer Uhrenhersteller sind so besorgt, dass sie sogar um staatliche Hilfen gebeten haben. Der Nachfrageeinfall in China und Hongkong, der starke Franken und die durch konjunkturelle Unsicherheiten beeinflusste Kauflaune machen der Industrie stark zu schaffen.

Nun besteht jedoch Grund zur Hoffnung: Die Exporte von Schweizer Uhren stiegen im August zum zweiten Mal in Folge, nachdem sie im ersten Halbjahr stark zurückgegangen waren. Der weiterhin grössten Absatzmarkt, die USA scheint nach wie vor stark und noch entscheidender ist vermutlich das neue Massnahmepaket, welches die Chinesische Zentralbank am Dienstag bekanntgegeben hatte. Dieses dürfte die Branche zumindest kurzfristig stützen, heisst es in einem Kommentar der RBC. So bestünden nun Hoffnungen, dass der Tiefpunkt des Luxus-Zyklus in den nächsten 3 bis 6 Monaten erreicht wird. Dies könnte den in letzter Zeit arg gebeutelten Aktien im Sektor nun wieder etwas Auftrieb verleihen.

(cash)