Der Genussschein des Pharmaunternehmens Roche steigt kurz nach Handelsbeginn am Mittwoch um sechs Prozent auf 274,70 Franken. Er setzt damit den Aufwärtstrend der vergangenen Wochen fort und erklimmt ein neues Jahreshoch.

Die positive Kursreaktion vom Mittwochvormittag folgt auf einen Forschungserfolg von Roche im Kampf gegen Fettleibigkeit. In einer frühen klinischen Studie der Phase 1 habe der Wirkstoff CT-996 positive Ergebnisse erzielt, teilte das Unternehmen am Mittwoch mit. Innerhalb von vier Wochen habe das Mittel zu einer Gewichtsabnahme von durchschnittlich 7,3 Prozent geführt. Bereinigt um den Placeboeffekt liegt der Wert bei 6,1 Prozent bei Probanden mit Fettleibigkeit und ohne Typ-2-Diabetes.

Die vollständigen Studiendaten will Roche auf einem bevorstehenden medizinischen Kongress vorstellen. Das Mittel soll nun in die zweite von drei Phasen der klinischen Entwicklung gebracht werden.

«Die Daten sehen im Vergleich zu Konkurrenzpräparaten vielversprechend aus», schreibt der zuständige Analyst der Zürcher Kantonalbank. Positiv reagiert auch Kepler Cheuvreux. Das orale Fettleibigkeitsmedikament von Roche rücke nun voll in den Fokus. Die positive Kursreaktion sei dem Markthype um Medikamente gegen Fettleibigkeit im Allgemeinen zuzuschreiben.

Nach Angaben von Roche haben die Probanden die einmal täglich einzunehmende Pille gut vertragen. Keiner der Teilnehmer habe die Studie abgebrochen. Probleme mit Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen bei einer GLP-1-Pille hatte dagegen der US-Pharmakonzern Pfizer, der deshalb Ende vergangenen Jahres die klinische Entwicklung seines Mittels Danuglipron abbrach. Doch in der vergangenen Woche teilte Pfizer mit, mit einer überarbeiteten Version der Pille einen neuen Anlauf zu nehmen.

Laut Goldmann Sachs deuten die Resultate die Wettbewerbsfähigkeit des Roche-Kandidaten an. Roche verbreitere seine Palette von Medikamenten gegen Übergewicht. Gleichwohl brauche es erst einmal weitere Details.

Bei JPMorgan schränkt der Analyst unterdessen ein, dass die Daten zwar durchaus wettbewerbsfähig aussähen, es aber noch an Angaben zur Verträglichkeit mangele. Zudem handelt es sich um sehr früher Phase-1-Daten, die von einer kleineren Anzahl Patienten stammt. Ob die Ergebnisse auch auf grössere Bevölkerungsgruppen gültig sind, wird sich erst weisen müssen.

Der Kandidat stammt aus dem Portfolio des US-Unternehmens Carmot, das Roche im vergangenen Dezember für insgesamt etwa drei Milliarden Dollar übernommen hat. Erst vor wenigen Tagen hatte Roche Daten zu seinem anderen Fettleibigkeits-Kandidaten CT-388 veröffentlicht, die von Analysten und Investoren wohlwollend aufgenommen wurden, wie die Kursreaktion gezeigt hatte.

Roche-Genussschein seit Anfang Mai im Aufwind

CT-996 gehört zur Klasse der GLP-1-Abnehmmittel, die ursprünglich zur Behandlung von Diabetes entwickelt wurden und den Blutzuckerspiegel senken sowie den Appetit verringern. Zu diesen Medikamenten gehören die bekannte Abnehmspritze Wegovy von Novo Nordisk sowie das Mittel Zepbound von Eli Lilly. Beide Arzneien müssen einmal wöchentlich gespritzt werden. Die Einnahme in Tablettenform wäre ein wichtiger Schritt, um die Nachfrage zu erhöhen. Deshalb arbeiten auch die Roche-Konkurrenten an Tabletten.

Die Pille Orforglipron von Lilly befindet sich bereits in der entscheidenden dritten Phase der klinischen Entwicklung. Nach bisherigen Daten wurde bei der höchsten Dosis der Pille bei fettleibigen oder übergewichtigen Patienten nach 36 Wochen eine Gewichtsabnahme von fast 15 Prozent beobachtet. Novo Nordisk hatte im März Daten aus einer Phase-1-Studie veröffentlicht, wonach seine Abnehmpille Amycretin bei den Patienten nach zwölf Wochen zu einem Gewichtsverlust von gut 13 Prozent führte.

Für die Pharmakonzerne geht es um viel Geld: Analysten gehen davon aus, dass der Markt für Medikamente zur Gewichtsreduzierung, der derzeit von Novo Nordisk und Lilly beherrscht wird, bis Anfang der 2030er Jahre auf einen Jahresumsatz von rund 150 Milliarden Dollar kommen könnte. Roche entwickelt CT-996 sowohl zur Behandlung von Fettleibigkeit als auch für Typ-2-Diabetes. Das Mittel hatte sich der Konzern mit der Übernahme des kalifornischen Biotechunternehmens Carmot für 2,7 Milliarden Dollar gesichert.

Ohnehin befindet sich der Roche-Genussschein seit Anfang Mai im Aufwind. Damals hatte er bei 214 Franken ein Mehrjahrestief erreicht. Inzwischen sind Negativmeldungen ausgeblieben, und das Basler Phamaunternehmen hat mehrere positive Nachrichten geliefert - im Juli beispielsweise die Zulassung des Augenmittels Vabysmo und die Zulassung eine KI-gestütztes Diabetes-Tools. 

(cash/AWP/Reuters)