Seit Jahresbeginn haben die Genussscheine des Basler Pharmakonzerns Roche um mehr 17 Prozent auf 287 Franken zugelegt und mischen mittlerweile unter den Topperformern im Swiss Market Index (SMI) mit.
Diese starke Performance kommt überraschend, notierte der Titel am 2. Mai noch auf einem neuen Mehrjahrestief von 214,10 Franken. Die Titel befanden sich damals an einem Tiefpunkt eines zwei Jahre dauernden Börsenabstiegs. Diverse Marktteilnehmer beäugen die Trendwende bisher eher skeptisch, nachhaltige Katalysatoren konnten noch nicht ausgemacht werden.
Die Übernahme von Carmot vom Dezember 2023 hat dem Titel im Mai dann neues Leben eingehaucht. Der wichtigste der drei Kandidaten für Schlankheitsmittel, die sich Roche ins Portfolio damit holte, ist CT-388. Forschungsdaten im Mai zeigten positive Ergebnisse. Als Begründung für den kräftigen Kursanstieg seither taugt das nur bedingt, da ein neues Schlankheitsmittel von Roche im besten Fall erst 2027 marktreif sein dürfte.
Ein Konferenzgespräch der Pharma-Analysten der US-Investmentbank Stifel von letzter Woche mit Alan Hippe, dem Finanzchef von Roche, legt dar, wie Roche in Zukunft die Investoren überzeugen will.
In den letzten zwölf bis achtzehn Monaten wurden auf verschiedenen Ebenen Initiativen auf den Weg gebracht, die bereits im ersten Halbjahr Ergebnisse geliefert haben und dies auch kurz- und mittelfristig tun sollten, schreibt der Stifel-Experte Eric Le Berrigaud in einer Kundennotiz.
Damit sollten die Kosten unter Kontrolle gehalten werden, und diese sollte für die nächsten zwei bis drei Jahre zu stabilen, wenn nicht sogar steigenden Margen führen. Roche-Finanzchef Hippe zeigte sich im Gespräch offenbar entschlossen, mit denselben investierten Beträgen mehr zu erreichen als bis anhin. Dies gelte insbesondere bei den Forschungsausgaben.
Ein Mentalitätswandel in der Forschung
Es geht vor allem darum, die richtigen Ressourcen den richtigen Projekten zuzuweisen und die richtigen Vermögenswerte zu priorisieren, erklärte der Finanzchef von Roche. Der Konzern werde selektiver vorgehen und deshalb in fortgeschrittenen Phasen schneller mit den Programmen vorankommen.
Im ersten Halbjahr 2024 blieben die Ausgaben für Forschung und Entwicklung im Vergleich zum Vorjahr unverändert. Der Plan bestehe darin, dieses Budget über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren mehr oder weniger unverändert zu belassen, teilte der Roche-CFO weiter mit.
«Unserer Meinung nach ist dies eine radikale Veränderung gegenüber der Vergangenheit, denn bisher hat Roche die Forschungsausgaben immer stärker gesteigert als den Umsatz. Zudem hörte das Verhältnis der Forschungsausgaben zum Umsatz nie auf zu wachsen, bis der Konzern im Jahr 2022 bestimmte Elemente neu klassifizierte», betont Le Berrigaud von Stifel.
Wahrscheinlich gab es nicht genügend Kontrolle über die Forschungsausgaben, nicht genügend Kontrolle darüber, wie das Geld ausgegeben wurde. Roche verlor etwas von seinem Erfolg und wurde mit der Zeit weniger produktiv, so die Konklusion des Experten.
Erhöhung des Kursziels
Der Analyst der US-Investmentbank hat sein Bewertungsmodell entsprechend überarbeitet. Daraus resultiert eine Kurszielerhöhung von 285 auf 320 Franken und somit weiteres Aufwärtspotenzial. «Dabei wurden die Erfolge aus der Pipeline noch nicht berücksichtigt, und der Konsens scheint konservativer zu sein als unsere Einschätzung.»
Ganz vorne im Premiumbereich liegt Roche noch nicht. Deshalb wird das Rating bei Stiefel auf «Halten» belassen. Aber die Voraussetzungen sind gegeben, wonach Roche sich im Vorfeld einer vollen Agenda in den nächsten Monaten weiter erholen kann. Auf der Pipeline-Seite gibt es noch mehr zu tun, aber die Einschätzung verbessert sich eindeutig, so Le Berrigaud von Stifel. Er hält fest, dass das im ersten Halbjahr verzeichnete Gewinnwachstum im hohen einstelligen Bereich durchaus anhalten und Roche in den kommenden Jahren wettbewerbsfähiger machen könnte als gedacht.
2 Kommentare
Management und VR haben ihre Führungsverantwortung in den letzten 10 Jahren höchst mangelhaft wahrgenommen. Die personellen und organisatorischen Konsequenzen sind jetzt zu ziehen. Der Stiefel-Analyst ist meines Erachtens blauäugig und unterschätzt die laufenden Fortschritte der Pharmakonkurrenz.
320 von Stifel bestimmt realistischer als die damals 200 von Goldman Sachs und Deutsche Bank.