Ausserdem müsste der Halbleiter-Konzern einige kartellrechtliche Hürden überwinden, denn Qualcomm ist der weltgrösste Anbieter von Smartphone-Chips, während Intel bei PC- und Laptop-Prozessoren eine grosse Rolle spielt.

«Ein solcher Deal wäre in vielerlei Hinsicht interessant und aus reiner Produktperspektive auch sinnvoll», sagt Bob O'Donnell, Gründer des Research-Hauses TECHnalysis. Die Produktpaletten würden sich in einigen Bereichen gut ergänzen. Er halte die Wahrscheinlichkeit einer solchen Transaktion dennoch für gering, da Qualcomm kaum Interesse am Gesamtkonzern habe. Eine Zerschlagung wäre schwierig, da sich Intels defizitäre Auftragsfertigung nur schwer verkaufen lasse.

Eine Schliessung sei auch keine Option, da sie politisch nicht durchsetzbar sei, gibt Analyst Stacey Rasgon vom Vermögensverwalter Bernstein zu bedenken. Sie würde dem Ziel der US-Regierung zuwiderlaufen, sich unabhängiger von Chip-Importen zu machen. Hierfür hat der Staat dem Konzern bereits einen zweistelligen Milliardenbetrag für neue Werke bewilligt. Mit dem Betrieb eigener Fabriken habe Qualcomm keinerlei Erfahrung, fügt Rasgon hinzu. Das Unternehmen nutzt für seine Produkte Entwürfe des Chip-Designers ARM und lässt Prozessoren beim weltgrössten Auftragsfertiger TSMC produzieren.

Interesse am einstigen Branchenprimus

Einem Insider zufolge ist Qualcomm-Chef Cristiano Amon persönlich in die Gespräche mit Intel eingebunden. Der einst weltgrösste Hersteller von Computerchips befindet sich in einer schweren Krise, weil das Unternehmen den Boom bei Künstlicher Intelligenz (KI) verschlafen hat. Dem Konzern fehlt es an konkurrenzfähigen Produkten für diese rechenintensiven Anwendungen. Auch bei PC- und Laptop-Prozessoren gerät Intel unter immer stärkeren Druck. Hier drängt Qualcomm mit seinem Chip «Snapdragon Elite X» für das Betriebssystem Microsoft Windows in den Markt. Dieser kommt in einigen KI-Heimrechnern bereits zum Einsatz und bedroht die jahrzehntelange Dominanz von Intel und AMD in diesem Segment.

Dadurch ist Intels Marktkapitalisierung erstmals seit drei Jahrzehnten unter die Marke von 100 Milliarden Dollar gefallen. Daran änderten auch die geplanten milliardenschweren Einsparungen und Stellenstreichungen nichts. Der Qualcomm-Konzern ist aktuell etwa doppelt so viel wert. Früheren Aussagen von Insidern zufolge ist Letzterer vor allem an Intels Sparte zur Entwicklung von PCs interessiert. Sollte sich Qualcomm für eine Komplett-Übernahme entscheiden, erwarten Analysten eine drastische Kapitalerhöhung. Die drohende Verwässerung ihrer Anteile könnte den Widerstand der bisherigen Aktionäre hervorrufen. Qualcomm verfügt nach eigenen Angaben über Barmittel in Höhe von knapp acht Milliarden Dollar.

Einige Experten gehen davon aus, dass Intel eine Finanzspritze einem Teil- oder Komplettverkauf vorziehen würde. Ein Indiz hierfür sei, dass der Konzern seine Auftragsfertigung in der Bilanz separat ausweise. Nach mehreren Rückschlägen konnte dieser Geschäftsbereich vor einigen Tagen einen Erfolg vorweisen und mit dem Cloud-Anbieter Amazon Web Services (AWS) eine milliardenschwere Vereinbarung zur Entwicklung von KI-Chips abschliessen. Der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge will der Finanzinvestor Apollo bis zu fünf Milliarden Dollar zur Verfügung stellen. Dieser hat sich bereits an einer Intel-Fabrik in Irland beteiligt.

(Reuters)