Im Gegenzug könnten ähnliche Hightech-Langstreckenraketen in Schlagdistanz jener Staaten stationiert werden, die der Ukraine den Einsatz bestimmter Raketen auf russischem Territorium gestatten würden, sagt Putin vor ausländischen Journalisten in St. Petersburg.

Er nennt insbesondere amerikanische ATACMS sowie britische und französische Raketensysteme. Wo die russischen Raketen stationiert werden sollen, lässt er zunächst offen.

Putin hat auch vor einem Einsatz deutscher Raketen im Ukraine-Krieg gegen Ziele in seinem Land gewarnt. «Als deutsche Panzer zum ersten Mal auf ukrainischem Boden auftauchten, löste das in Russland bereits einen moralisch-ethischen Schock aus», sagte Putin. Wenn nun gesagt werde, dass Raketen aus Deutschland Ziele auf russischem Boden treffen würden, «dann zerstört das natürlich letztlich die deutsch-russischen Beziehungen». In der Bundesregierung ist umstritten, ob die Ukraine deutsche Marschflugkörper des Typs Taurus erhalten soll. Damit wären Angriffe auf Moskau möglich.

Putin sprach im neu gebauten Hauptsitz des Energiekonzerns Gazprom zu ausländischen Medienvertretern, darunter auch von der Nachrichtenagentur Reuters. Es war der erste derartige Termin seit 2019. Im Jahr 2021 hatte der Präsident ein ähnliches Treffen online abgehalten.

Ein Sprecher der Bundesregierung sagte auf Anfrage zu den Worten Putins: «Wir haben die Äusserungen zur Kenntnis genommen.»

Bundeskanzler Olaf Scholz lehnt die Lieferung von Taurus-Raketen ab. Gerade wegen deren Reichweite müsste Deutschland bei einer Lieferung unbedingt die Kontrolle über die Zieleinstellung haben, hat er erklärt. Dann wäre man aber direkt am Krieg beteiligt, was die Bundesregierung ausschliesst. Andere deutsche Politiker wie der neue Vorsitzende des Bundestags-Ausschusses für Verteidigung, Marcus Faber, befürworten eine Lieferung der Taurus-Raketen dagegen.

Putin ging im Gespräch mit den Journalisten auch auf zahlreiche andere Themen ein. Er wies die Vorstellung zurück, Russland könne die Nato angreifen wollen. «Haben Sie völlig den Verstand verloren?», sagte er. «Wer hat sich das ausgedacht? Das ist Blödsinn, wissen Sie? Das ist absoluter Blödsinn.» Putin wies auch die Darstellung zurück, er habe mit «einer Art Atomkeule» gedroht. «Aber habe ich die Möglichkeit des Einsatzes von Atomwaffen aufgebracht? Das haben Sie getan.» Der Westen glaube aus irgendeinem Grund, dass Russland niemals Kernwaffen einsetzen werde, sagte Putin jedoch weiter. Er verwies auf die russische Atomdoktrin: «Wenn jemand unsere Souveränität und territoriale Integrität bedroht, ist es möglich, dass wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen.»

Zu dem Krieg in der Ukraine sagte Putin, die USA stünden hinter einem Staatsstreich, der den Krieg dort ausgelöst habe. Niemand im Westen wolle wahrhaben, dass der Konflikt auf diesen Staatsstreich zurückgehe. Zwar habe Russland versucht, die Krise friedlich zu lösen. Allerdings seien acht Jahre lang russische Bürger im Osten der Ukraine ermordet worden. Russland habe nicht angegriffen, sondern sich verteidigt.

Die Ukraine hatte 2013 unter dem prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch Gespräche mit der EU ausgesetzt und sich für die Wiederbelebung von Wirtschaftsbeziehungen mit Russland entschieden. Es folgten monatelange Massenproteste, die in Gewalt umschlugen. Das Parlament in Kiew erklärte Janukowitsch 2014 für abgesetzt. Im Mai wurde der prowestliche Geschäftsmann Petro Poroschenko zum Präsidenten gewählt.

Einen Monat zuvor hatten prorussische Separatisten im Osten der Ukraine ihre Unabhängigkeit erklärt. Es brachen Kämpfe zwischen den von Russland unterstützten Aufständischen und der ukrainischen Armee aus. Russland übernahm 2014 zudem die Macht auf der Krim. Der gegenwärtige Angriffskrieg gegen die Ukraine begann im Februar 2022. 

Vor dem Hintergrund der Spannungen seit der russischen Invasion in der Ukraine wird Russland nach US-Angaben zudem Militärübungen in der Karibik durchführen. «Im Rahmen der regelmässigen russischen Militärübungen erwarten wir, dass Russland in diesem Sommer verstärkte Marine- und Luftwaffenübungen in der Nähe der Vereinigten Staaten durchführen wird. Diese Aktivitäten werden in einer globalen russischen Marineübung im Herbst gipfeln», sagt ein US-Regierungsvertreter Reportern.

Die Übungen würden als Teil der routinemässigen Marineaktivitäten angesehen, und die USA seien nicht besorgt über die russischen Manöver, die keine direkte Bedrohung für die Vereinigten Staaten darstellten. «Hier geht es darum, dass Russland zeigt, dass es immer noch in der Lage ist, eine gewisse globale Machtprojektion zu erreichen». Dennoch werde die US-Marine die Übungen beobachten.

(Reuters)