Nach einem langen Höhenflug ist die Inflation in Grossbritannien auf die Zielmarke der Notenbank gefallen. Die Verbraucherpreise erhöhten sich im Mai zum Vorjahresmonat nur noch um 2,0 Prozent, nach 2,3 Prozent im April, wie das Statistikamt ONS am Mittwoch in London mitteilte. Dies ist der niedrigste Stand seit Juli 2021. Von Reuters befragte Experten hatten mit der Punktlandung auf dem Zielwert der Bank of England (BoE) gerechnet, die am Donnerstag wieder über den Leitzins entscheidet. In einer Reuters-Umfrage gingen die meisten Ökonomen jüngst davon aus, dass die Notenbank noch stillhalten und bis August mit der Zinswende warten wird.

Die Finanzmärkte erwarten einen ersten Schritt sogar erst für September oder November. Nach Veröffentlichung der Inflationsdaten legte das Pfund gegenüber dem Dollar und dem Euro leicht zu.

Die BoE hatte die geldpolitischen Zügel zwischen Dezember 2021 und August 2023 insgesamt 14 Mal angezogen, womit der Leitzins auf 5,25 Prozent stieg. Der straffe Kurs hat mit dazu beigetragen, dass die Lebenshaltungskosten auf die Stabilitätsmarke der Notenbank gesunken sind. Noch im Oktober 2022 hatte die Teuerungsrate 11,1 Prozent betragen.

Der jüngste Rückgang der Inflation war auch auf eine Senkung der regulierten Energierechnungen für Privathaushalte im April zurückzuführen. Der Effekt dieser Kürzung wird im weiteren Jahresverlauf allerdings nachlassen. Die BoE rechnet dann auch wieder mit einer anziehenden Inflation. Notenbankchef Andrew Bailey hatte bereits im Vorfeld deutlich gemacht, dass die Rückkehr der Gesamtinflation auf den Zielwert von zwei Prozent per se noch keine Senkung der Zinsen rechtfertige.

Preisauftrieb bei Dienstleistern im Fokus

Den Währungshütern dürften zudem einige Details des Inflationsberichts für Mai nicht gefallen: So lag der Preisauftrieb im Dienstleistungssektor, den die BoE mit Blick auf mittelfristige Inflationsrisiken genau im Auge hält, bei 5,7 Prozent. Das war zwar weniger als im April mit damals 5,9 Prozent. Doch hatte die Notenbank nur einen Wert von 5,3 Prozent auf dem Zettel. Eine Senkung des Leitzinses am Donnerstag sei damit praktisch auszuschliessen, meint Ökonom Cathal Kennedy von RBC Capital Markets.

Doch waren es insbesondere höhere Flugpreise, die dazu führten, dass die Inflation bei Dienstleistungen weniger stark zurückging als erwartet. Flugpreise gelten als schwankungsanfällig. Einige Ökonomen betrachten sie als schlechten Indikator für allgemeine Inflationstrends.

Premierminister Rishi Sunak, dem am 4. Juli Parlamentswahlen ins Haus stehen, hält den Rückgang der Inflation für einen Beleg, dass seine Wirtschaftspolitik funktioniere. «Lassen Sie uns all diese Fortschritte mit Labour nicht aufs Spiel setzen», sagte er in einem Videoclip. Rachel Reeves von der Labour-Partei, die bei einem Wahlsieg Finanzministerin werden könnte, attackierte hingegen die Regierung: Eine Wiederwahl der Konservativen würde «fünf weitere Jahre Chaos» mit sich bringen. In Umfragen liegt die Labour-Partei klar vorn, so dass Sunak um sein Amt fürchten muss.

(Reuters)