Sinkender Elektroautoabsatz, der Aktienkurs auf Talfahrt und dann noch ein Streit um ein Vergütungspaket mit einem Volumen, das der Wirtschaftsleistung von Island und Malta zusammengerechnet entspricht: Vor allem professionelle Investoren verlieren langsam die Geduld mit dem Elektroautobauer Tesla und lösen ihre Aktienbestände auf.

«Ich denke, die Geschichte ist vorbei, so kann man es am besten sagen», sagt zum Beispiel Ross Gerber, dessen Anlagehaus Gerber Kawasaki Wealth & Investment Management vor mehr als einem Jahrzehnt eine halbe Million Tesla-Aktien gekauft hatte und sich nun Schritt für Schritt davon trennt.

Am Donnerstag nächster Woche sind die Tesla-Aktionäre zu ihrer jährlichen Versammlung geladen. Zur Abstimmung steht dabei unter anderem das Vergütungspaket aus dem Jahr 2018 im Volumen von 56 Milliarden Dollar für Elon Musk, das ein Gericht kürzlich gekippt hatte. Musk wirbt mit Werksführungen um Zustimmung zu dem Paket. Ob das reicht, bleibt abzuwarten. So empfahlen die Aktionärsberater Institutional Shareholder Services (ISS) und Glass Lewis zuletzt, gegen das Paket zu stimmen.

Andere, wie der Investor Ron Baron, stellen sich hinter Musk: Ohne dessen kompromisslosen Kurs gäbe es kein Tesla, begründete er das. Die Abstimmung gilt als Referendum über Musks Führungsqualitäten. Investoren befürchten, dass er durch seine anderen Unternehmungen wie SpaceX, Neuralink und den Kurznachrichtendienst X abgelenkt ist und seine oft kontroversen Kommentare dem Ruf und den Verkaufszahlen von Tesla schaden.

Im ersten Quartal sanken zum ersten Mal seit vier Jahren die Absatzzahlen bei dem E-Auto-Pionier. Dabei spielt zum einen die derzeitige Schwäche am Markt für Elektroautos eine Rolle, zum anderen die zunehmende Konkurrenz durch etablierte Autobauer und neue Rivalen aus China. Überdies ist die Modellpalette inzwischen vergleichsweise alt und hat Lücken.

Massiver Kursverlust

Seit dem Anfang des Jahres haben die Tesla-Aktien ungefähr 30 Prozent an Wert verloren, von ihrem Höhepunkt aus dem Jahr 2021 sind sie inzwischen mehr als 50 Prozent entfernt. «Es fühlt sich so an, als ob sich die Fundamentaldaten von der Realität lösen», sagt John Belton, Portfoliomanager bei Gabelli Funds, dessen Unternehmen im ersten Quartal seinen gesamten Bestand an Tesla-Aktien verkauft hat.

Jahrelang haben Investoren Bewertungen akzeptiert, die eher einem Technologieunternehmen zugestanden werden als einem Autobauer. Doch nun scheint sich das Blatt zu wenden. Von den 18 Publikumsfonds, die seit 2019 nach Daten des Fonds-Analysehauses Morningstar Tesla-Aktien halten, haben zehn ihre Bestände reduziert, vier davon um 15 Prozent oder mehr. Nur fünf Fonds haben zugekauft.

Das heisst nicht, dass die Wall Street Tesla schon abgeschrieben hat. Unter den von LSEG befragten Analysten empfehlen 19 die Aktien zum Kauf, zehn zum Verkauf, und auch das durchschnittliche Kursziel liegt höher als der derzeitige Kurs.

Tesla bleibt weiterhin der wertvollste Autobauer der Welt mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 560 Milliarden Dollar. Toyota, die weltweite Nummer eins auf dem Automarkt, kommt gerade einmal auf einen Börsenwert von rund 334 Milliarden Dollar. Teslas Bewertung - bezogen auf den Gewinn je Aktie - liegt mit dem 64-Fachen weit über der, die grosse Technologiekonzerne schaffen. So werden etwa die KI-Lieblinge Nvidia und Super Micro Computer mit dem 37,8-beziehungsweise 23,3-Fachen gehandelt.

Hoffnung Robotaxis?

Bei Autobauern liegt das Verhältnis von Gewinn und Kurs in der Regel unter 10. Tesla-Bullen erkennen vor allem in Musks Ideen zu Robotaxis grosse Wachstumschancen. «Die Wall Street sieht hinter der derzeitigen Schwächephase weiterhin die langfristige Wachstums-Geschichte, und Robotaxis sind eine wichtige Zutat in dem Erfolgsrezept», sagt Dan Ives, Analyst bei Wedbush Securities, der Tesla ein Kursziel von 275 Dollar gesetzt hat - fast 100 Dollar mehr als der derzeitige Kurs.

Musk hat für den 8. August Neuigkeiten zu Robotaxis angekündigt und gesagt, dass er Tesla eher als KI-Unternehmen denn als Autobauer sieht. Derzeit aber erfüllen die Tesla-Systeme Autopilot und FSD («Full Self Driving») noch nicht die Anforderungen, die für einen Betrieb ohne Fahrer nötig sind.

Zudem hat Musk bereits in der Vergangenheit wiederholt Robotaxis angekündigt, die dann doch nicht gekommen sind. Entsprechend kritisch sehen Investoren das Thema. Graham Tanaka war mit seinem Tanaka Growth Fund ungefähr 2011 bei Tesla eingestiegen, damals zu einem Aktienkurs von zwei Dollar. In den vergangenen sechs Monaten hat er seinen gesamten Bestand verkauft. Stattdessen kauft er Nvidia-Aktien, weil er dem Unternehmen mehr Chancen beim Thema Künstliche Intelligenz zutraut. «Tesla ist zu riskant, wenn man Nvidia zur halben Bewertung kaufen kann.»

(Reuters)