Jahrelang hatte sich vor allem deutsche Politiker auf der Sicherheitskonferenz von US-Politikern belehren lassen müssen, dass sie die Welt zu naiv sehen, nicht genug nur für Sicherheit tun. Diesmal waren die Rollen in München anders verteilt: Vor allem die sonst lautstark auftretenden US-Kongressabgeordneten versteckten sich diesmal eher. Denn in allen Gesprächen mit europäischen Politikern mussten sie sich rechtfertigen: Kann es sein, dass das Repräsentantenhaus der Supermacht aus innenpolitischen Gründen die milliardenschwere Ukraine-Hilfe verhindert? Wie verlässlich sind die USA noch? Das diplomatische Speed-Dating wurde dabei letztlich geprägt von einem Trio, das gar nicht in München anwesend war: Präsidentschaftskandidat Donald Trump, Russlands Präsident Wladimir Putin und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu - die in den Augen vieler westlicher Diplomaten als Problemfälle gelten.

Die offiziellen transatlantischen Appelle zum Zusammenhalt von US-Vizepräsidentin Kamala Harris bis zu Kanzler Olaf Scholz wirkten deshalb ein bisschen wie gegenseitiges Mut machen. «Es herrscht im transatlantischen Verhältnis derzeit eine Wagenburg-Mentalität», beschreibt ein europäischer Diplomat in München die Lage. Angesichts der Bedrohungen in der Welt fühlen sich US-Präsident Joe Biden und die Europäer zwar in ihrer Wagenburg so nahe wie selten. Aber sie haben keine Antwort, wie sie auf Politiker reagieren sollen, die einer anderen Logik folgen.

Wer überzeugt Netanjahu?

Als die Top-Diplomaten der Europäer, arabischen Länder und US-Aussenminister Antony Blinken in einer vertraulichen Runde in München zusammensassen, um über den Nahostkonflikt zu beraten, waren sich Anwesenden ungewohnt einig. Einerseits wollen auch Länder wie Saudi-Arabien, dass der Krieg im Gazastreifen aufhört, Israel in Frieden leben soll und die Palästinenser ihren eigenen Staat bekommen. Niemand in diesem Kreis hegte Sympathien für die von Iran unterstützte Hamas. Aber Israels Präsident Isaac Herzog bekam zu hören, dass Netanjahu mitmachen müsse. Doch der Ministerpräsident lehnt eine Zweistaaten-Lösung ab, die etwa Saudi-Arabien zur Bedingung für eine Normalisierung der Beziehungen mit Jerusalem macht.

Das bringt auch die Supermacht USA in die Bredouille: Wenn US-Aussenminister Antony Blinken Israel öffentlich warnt, dass sich Katastrophen wie der Hamas-Überfall alle fünf bis zehn Jahre wiederholen könnten, wenn Israel den Palästinensern keine Perspektive biete, klingt dies eher hilflos.

Was hilft gegen Putin?

Ähnlich ist die Lage beim Thema Ukraine. Anders als vor einem Jahr sind sich Amerikaner und Europäer nun einig, dass Russlands Präsident Wladimir Putin den Krieg fortsetzen werde. Gleichzeitig stellt man auf beiden Seiten des Atlantiks fest, dass man derzeit nicht über die Mittel verfügt, um der Ukraine entscheidend zu helfen. In Europa wird die Rüstungsproduktion zwar deutlich hochgefahren - aber das braucht Zeit. «Egal wie viele Schecks geschrieben werden: Auch amerikanische Rüstungskonzerne können das von der Ukraine benötigte Material so schnell nicht produzieren», sagt der republikanische US-Senator J.D. Vance.

Dazu kommt, dass west- und südeuropäische EU-Staaten auf der Sicherheitskonferenz aus gutem Grund kaum vertreten waren: Sie wussten, dass sie in München nur gemahnt worden wären, dass sie nicht genug für die Ukraine täten. «Das Kanzleramt hat die Chance verpasst, mit einem Auftritt möglichst aller EU-Staats- und Regierungschefs ein Signal der Einheit der Europäer zu geben», sagt Constanze Stelzenmüller, Direktorin des Center on the United States and Europe, zu Reuters.

Angst vor der Irrationalität bei Trump

Der grösste «Elefant im Raum» war der US-Präsidentschaftsbewerber Trump. Offiziell wird die Wahrscheinlichkeit einer Wiederwahl zwar auch in München heruntergeredet. «Man muss nicht jede Äusserung mit grosser Aufgeregtheit in Europa quittieren», sagt Österreichs Aussenminister Alexander Schallenberg zu Reuters. Trump wolle mit kritischen Warnungen an die Europäer im US-Wahlkampf punkten. «Ich glaube, die amerikanischen Freunde wissen doch selbst ganz genau, dass diese transatlantische Partnerschaft eine ist, die ihre Sicherheit stärkt und nicht schwächt», fügt er hinzu.

Im Hintergrund räumen EU-Diplomaten aber ein, dass dies bei Trump wenig bedeutet. «Ausserdem beeinflusst Trump schon vor der Wahl die Debatten bereits massiv», warnt Stelzenmüller. Er wird etwa für die mögliche Ablehnung der amerikanischen Militärhilfe im US-Repräsentantenhaus verantwortlich gemacht, weil er Druck auf die Abgeordneten ausübe.

Ausserdem zeigte sich in München eine gewisse Hilflosigkeit, wie man mit der unterstellten Irrationalität von Trump als Präsident umgehen sollte. In seiner ersten Amtszeit hatten Pentagon und US-Diplomaten noch die angedrohten Verlagerungen von Militäreinrichtungen aus Deutschland verhindert. «In einer zweiten Amtszeit gäbe es aber niemanden mehr, der ihm widersprechen würde», warnt ein führender deutscher Politiker. Wenn Trump nur impulsiv handeln sollte, wäre es egal, ob Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel der Nato erreiche oder nicht.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will Trump deshalb anders einbinden: Er lud den Republikaner von München aus ein, sich selbst mit ihm ein Bild von der Front mit Russland zu machen. «Wir müssen Entscheidungsträgern klar machen, wie der wahre Krieg aussieht – nicht der auf Instagram», sagte er.

(Reuters)