Es herrscht die blanke Angst und Panik. 15 Prozent rauschten die internationalen Aktienmärkte nach dem Ausbruch des Corona-Virus in Italien Ende Februar in nur wenigen Tagen in den Keller. Tagesverluste von drei oder vier Prozent waren keine Seltenheit. Zwar waren die Indizes davor monate- ja sogar jahrelang von einem Hoch zum nächsten gelaufen und hatten noch im Februar oft ein Allzeithoch erreicht, aber solche Kurseinbrüche machen keinen Spass. Kein Anleger will diese Art von Kapriolen und schon gar keiner mit schwachen Nerven.

Dass die Nerven wegen Corona blank liegen, zeigt beispielsweise auch das Konsumverhalten in den USA. Alleine wegen der Namensgleichheit mit dem Virus wollen nun 40 Prozent der Biertrinker in den Staaten kein Corona-Bier mehr aus Mexiko konsumieren. Das ist echte Hysterie, mit der sich aber auch die Kurseinbrüche an den Aktienmärkten gut erklären lassen.

Viele Anleger wollen jetzt für immer das Handtuch schmeissen…

Nach den panikartigen Kursrückschlägen in den letzten zwei Wochen haben viele Anleger schon die Lust verloren auf Aktien. Viele denken an das Sprichwort der Börsenlegende André Kostolany: «Wer gut schlafen will kauft Anleihen, wer gut essen will kauft Aktien.»

Nach dem Kursdebakel Ende Februar denken deshalb jetzt auch immer mehr Anleger: Lieber gut schlafen bei ein oder zwei Prozent Rendite im Jahr als bei 15 Prozent Verlust im Portfolio von gutem Essen nur noch träumen. Nicht wenige Anleger dürften Aktien jetzt für immer meiden.

… aber zuvor sie sollten sich unbedingt noch ausserbörsliche Titel ansehen

Wer noch nicht total verzweifelt ist und das Handtuch noch nicht geworfen hat, der sollte sich einmal mit dem ausserbörslichen Handel der Berner Kantonalbank (BEKB) beschäftigen. Dort werden heimische, nicht an der SIX kotierte Titel gehandelt. Und dieses Segment zeigt sich auch in der aktuellen Krise bombenfest. Das maximale Kursminus des BEKB Liquidity Index mit den dort am meisten gehandelten Aktien beträgt in diesem Jahr zum Allzeithoch mickrige 2,5 Prozent.

Eine Corona-Delle ist so gut wie nicht zu sehen. Dafür gibt es aber auch im ausserbörslichen – dem OTC, over the counter-Handel – mittel- bis langfristig betrachtet schöne Kursgewinne. So kletterten die 43 Titel im BEKB-Liquidity in den letzten drei Jahren um 16 Prozent und teils sind da sogar noch hohe Dividenden drin.

In dem Liquidity-Index, genau so wie im gesamten OTC-Segment von BEKB, finden sich heimische Unternehmen aus allen Branchen: Tourismus, Gastronomie, Detailhandel, Finanzdienstleistungen, Nahrungsmittel, Maschinenbau, Energie und Versorger, Industrie oder Medien.

Grosse internationale Investoren bei OTC nicht an Bord

Den stabilen Lauf verdanken die Aktien im ausserbörslichen Bereich dem regionalen Bezug und der Absenz von grossen institutionellen und internationalen Investoren. Denn die OTC-Werte sind für grosse Wallstreet-Adressen wegen einer für deren Anforderungen zu geringen Marktkapitalisierung und zu geringen Liquidität an der Börse kein Investment.

Dafür sind die heimischen OTC-Werte bei Schweizer Privatanlegern heiss begehrt. Gerade bei Unternehmen mit regionalem Bezug spielt der schnelle Gewinn, das Hin- und Her-Traden keine Rolle und Investoren in diesem Segment sind mit den Unternehmen meist mittel- oder gar sehr langfristig verbunden. 

An den OTC-Werten gehen die grossen Kursschwankungen aber nicht nur wegen fehlender Börsenhaie der grossen Finanzwelt spurlos vorüber, sondern auch wegen der Substanz. Viele Aktien im ausserbörslichen Handel notieren unter Buchwert und es gibt häufig hohe stille Reserven etwa bei firmeneigenen Liegenschaften. Und Aktien, die ohnehin teils schon weit unter dem Vermögen notieren, kommen dann in einem Kursabschwung eben nicht so unter Druck.

Natürlich gibt es auch OTC Sektoren, die jetzt im Krisenmodus etwas schlechter abschneiden. So notiert beispielsweise der Tourismus-Sektor bei BEKB derzeit rund fünf Prozent unter den Hochs zum Jahreswechsel. Aber was sind schon fünf Prozent? Der grösste Reiseveranstalter der Welt, TUI, hat sich in den letzten Wochen kursmässig fast halbiert.

Viele Titel auf Jahres- oder Allzeithoch

Richtig stabil zeigen sich aktuell aber die Segmente Medien, Energie und Immobilien. Aber auch der Industriebereich schlägt sich wacker und hat zum Jahreshoch lediglich rund drei Prozent an Wert verloren.

In den genannten vier Sektoren heben sich einige Titel mit besonders stabiler Entwicklung besonders hervor: Medien – AZ Medien, SWS Medien, Zürcher Oberland Medien und Galledia. Alle vier Titel notieren auf Jahreshoch.

Im Industriesegment verteidigen ebenfalls mehrere Werte ihre Rekordstände: Griston Holding, Menzi Muck, Plaston, SSE Holding und Weleda. Bei Immobilien glänzen mit relativer Stärke insbesondere Agruna, Konkordia oder Tersa. Bei Energie und Versorgern schliesslich haben ADEV Windkraft, EW Jona-Rapperswil, Energie Zürichsee Linth, Forces Motrices de l’Avancon, Genturica, Raurica Wald, Rhiienergie, VO Energies, aventron und ebs Erdgas + Biogas ein Jahreshoch erreicht.

Geduld und limitierte Order

Aber das Handelsvolumen im ausserbörslichen Segment ist auch im Liquidity-Bereich immer wieder gering. Anleger sollten dort deshalb nur mit Limit ordern und die gewünschte Aktie nötigenfalls langsam einsammeln. Möglicherweise ist aber genau diese Geduld die entscheidende Tugend im OTC-Segment. Wer eine Position in einer Aktie möglicherweise über einige Zeit aufgebaut hat, der schmeisst sie nicht gleich bei der ersten Krise wieder panisch aus dem Depot.

Dieser Beitrag erschein zuerst auf HZ.ch unter dem Titel «Warum die Corona-Panik Schweizer OTC-Aktien verschont»