Noch plagen die Investoren viele Sorgen. Gross ist vor allem die Angst, dass die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrem Zinserhöhungsmarathon der Wirtschaft dies- und jenseits des Atlantiks einen nachhaltigen Schaden zugefügt haben könnten. "Die globale Industriekonjunktur ist aktuell angeschlagen", resümiert Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Helaba. "Ob wir bereits nahe des Tiefpunktes sind oder ein weiteres Abtauchen bevorsteht, bleibt offen." Die Datenlage sei durchwachsen und regional unterschiedlich.
Experten und Investoren rechneten fest damit, dass die Fed auf ihrer Sitzung am nächsten Mittwoch die Zinsen im Kampf gegen die Inflation noch einmal um einen viertel Prozentpunkt auf die neue Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent anziehen wird. Im Juni hatten die Währungshüter nach zehn Zinserhöhungen in Folge eine Pause eingelegt. Der abnehmende Inflationsdruck in den USA sorgte zuletzt dafür, dass viele Anleger auf ein baldiges Erreichen des Zinsgipfels in den Vereinigten Staaten wetteten. In einer Reuters Umfrage erwarteten nur 19 von 106 Volkswirten, dass nach Juli noch ein weiterer Schritt nach oben folgen wird. Die US-Währungshüter hatten in ihrem Ausblick Mitte Juni allerdings signalisiert, dass sie noch bis zu zwei Anhebungen um jeweils einen viertel Prozentpunkt für dieses Jahr ins Auge fassen.
Auch im Euroraum stellen sich die Marktteilnehmer darauf ein, dass die EZB am Donnerstag noch einmal an der Zinsschraube drehen wird. Experten rechnen mit einer Erhöhung des Einlagensatzes um einen viertel Prozentpunkt auf 3,75 Prozent. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte zuletzt angemerkt, dass die Notenbank auf ihrem Straffungskurs noch eine Wegstrecke zu gehen habe. Ulrike Kastens, Volkswirtin Europa von der DWS, geht davon aus, dass auch im September die Leitzinsen angehoben werden dürften, "da sich unserer Meinung nach aber weder der Arbeitsmarkt noch der unterliegende Preistrend signifikant abschwächen werden".
Reihe von Konjunkturdaten stehen im Terminkalender
Wie es um die Wirtschaft und die Inflation bestellt ist, werden Investoren versuchen, aus einer Reihe von Konjunkturdaten abzulesen, die in der neuen Woche anstehen. In den USA werden unter anderem die Kerninflationsdaten für Juni (Freitag) und das Bruttoinlandsprodukt für das zweite Quartal (Donnerstag) veröffentlicht. Die Analysten der Helaba rechneten nach rund zwei Prozent annualisiertem Wachstum im ersten Quartal für das Frühjahr mit einem Plus von 1,4 Prozent. Trüber sieht nach Einschätzung von Commerzbank-Experte Christoph Weil der Ausblick für die Euro-Zone aus. Er geht davon aus, dass der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor, der am Montag veröffentlicht wird, auch im Juli weiter gesunken ist. Auch das Ifo-Geschäftsklima für die deutsche Wirtschaft (Dienstag) werde wohl erneut gefallen sein. Zum Wochenschluss stehen dann noch die Juli-Inflationszahlen in Deutschland an, die einen leichten Rückgang aufweisen dürften.
Neben der Konjunktur- und Zinspolitik sollten die Anleger in der neuen Woche auch den Ausgang der spanischen Parlamentswahlen im Auge behalten. Nach Italien steht womöglich auch Spanien ein Rechtsruck ins Haus. Vor den Neuwahlen am Sonntag liegt die von Alberto Nuñez Feijoo (61) angeführte oppositionelle konservative Volkspartei (PP) in Umfragen vor den regierenden Sozialisten (PSOE) von Ministerpräsident Pedro Sanchez (51). Um sich die erforderliche absolute Mehrheit im 350 Sitze umfassenden Parlament zu sichern, ist sie aber voraussichtlich auf die Stimmen der rechts-populistischen Vox-Partei angewiesen.
(Reuters)
2 Kommentare
Ich denke, wir sehen im Industriesektor derzeit mitunter auch eine Bereinigung, die sowieso früher oder später gekommen wäre. Es gibt Branchen, die ihre Hausaufgaben punkto Automatisierung und Digitalisierung in den vergangenen Jahren nicht ordentlich gemacht haben (zB grosse Teile der europäischen Automobilindustrie), sehr innovationsarm waren und in denen auch die Kostendisziplin zu wünschen übrig lässt. Solange viel Geld sehr günstig im Umlauf war, hatten diese Unternehmen mehr Spielraum. Jetzt wird's eng und sie werden auf den Prüfstand gestellt, was der eine oder andere - zu recht - nicht überleben wird.
Das ist aber gleichzeitig eine zusätzliche Chance für jene Unternehmen, die besser aufgestellt sind, diese werden sich hier zusätzliche Marktanteile relativ günstig holen können.
Mein Fazit ist daher: Genau hinschauen, die guten ins Portfolio, die schlechten aussortieren.
Da haben während/nach Corona und den Lieferkettenproblemen alle danach gerufen, dass wir wieder viel mehr Lokal produzieren müssen um Lieferketten unabhängig und weniger Global zu machen. Zudem sind die Transporte sehr Energieintensiv und produzieren Unmengen co2, was scheinbar alle verhindern wollen. Um lokale Produktionen zu ermöglichen benötigt es aber Investitionen und die werden mit den stetig steigenden Zinsen genau abgewürgt, also das Gegenteil dessen was wir eigentlich tun müssten.