Nun soll der ehemalige Deutschland-Chef der Fernsehsender-Kette RTL, Bernd Reichart, einen neuen Anlauf starten, um die "Champions League" des europäischen Fussball-Verbandes Uefa abzulösen. Der europäische Fussball drohe sonst seine führende Rolle im Weltsport zu verlieren, sagte der 48-Jährige am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. "Das System ist ganz schön instabil geworden, der Fussball finanziert sich nicht mehr von selbst." Reichart fungiert nun als Chef der A22 Sports Management in Madrid, die das Projekt vorantreiben soll. Er setzt auf einen "Dialog" mit der Uefa statt auf Konfrontation. Diese zeigt sich prompt gesprächsbereit.
Im Frühjahr 2021 waren zwölf führende Vereine aus England, Spanien und Italien gescheitert, eine "Super League" anstelle der Uefa-"Champions League" ins Leben zu rufen. Der Grossteil der "Super League"-Teilnehmer sollte - anders als in der Champions League - unabhängig vom Abschneiden in den nationalen Top-Ligen gesetzt sein. Die Bundesliga-Spitzenklubs Bayern München und Borussia Dortmund sowie Paris St. Germain aus Frankreich hatten sich dem Projekt verweigert, die Uefa drohte mit einem Ausschluss abtrünniger Vereine aus ihren Wettbewerben. Binnen zwei Tagen wandten sich neun der zwölf Vereine ab, Real, Barca und Juve verfolgten die Ziele aber hinter den Kulissen weiter.
"Die Vereine sollten selbst bestimmen können - sie tragen schliesslich auch das alleinige Risiko", sagte Reichart zu Reuters. Auch auf nationaler Ebene hätten sich die Ligen von den Verbänden organisatorisch gelöst - wie in Deutschland die DFL vom DFB. "Der europäische Klubfussball steht aktuell vor einigen schwierigen Herausforderungen, die sich nicht von allein lösen werden." Von den 32 Top-Klubs hätten nach einer Deloitte-Studie zwischen 2019 und 2021 nur fünf schwarze Zahlen geschrieben. Die meisten Vereine seien sich einig, dass es so nicht weitergehen könne. Viele Klubs sind hochverschuldet, Barcelona etwa drohte in diesem Sommer sogar die Pleite.
Die Aufblähung der Champions League, wie sie die Uefa ab 2024 beschlossen hat, sei der falsche Weg, sagte Reichart. "Grossen Fussball gibt es auch dann erst im Achtelfinale", betonte er. Damit drohe der Fussball vor allem die jungen Zuschauer zu verlieren.
«Der Dialog ist zu kurz gekommen»
Der neue A22-Chef versucht die Fehler des ersten Anlaufs zu vermeiden: "Der Dialog ist zu kurz gekommen", räumte Reichart ein. "Wir wollen nicht gegen jemanden arbeiten, sondern für den Fussball." In einem Reuters vorliegenden Brief regt er "so bald wie möglich" ein Treffen mit Uefa-Präsident Aleksander Ceferin an. A22 wolle die Sicht des Verbandes einbeziehen. "Von meiner Seite sichere ich einen offenen und transparenten Dialog zu", heisst es dort. Ein Uefa-Sprecher sagte, der Verband sei offen für konstruktive Gespräche und denke über ein baldiges Treffen nach. Zurzeit sei Ceferin aber zu Besuch in Argentinien.
In der Super League soll es auch die Chance zum Auf- und Abstieg geben. Die Finanzierung ist allerdings bisher ungeklärt. "Wir fangen praktisch bei Null an", sagte Reichart. 2021 waren die Teilnehmer mit milliardenschweren Garantiezahlungen gelockt worden, die die US-Investmentbank JPMorgan bereitstellen wollte.
Real, Barcelona und Juve setzen aber auch auf ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), in dem es um die Frage geht, ob die Uefa darauf pochen kann, dass nur sie kontinentale Klub-Wettbewerbe veranstaltet. Die drei Klubs finden, dass das dem europäischen Wettbewerbsrecht widerspricht. A22 hatte das Verfahren mit initiiert und erwartet für 2023 ein Urteil.
Reichart war im vergangenen Jahr bei RTL abgelöst worden, sass aber noch bis Juni im Führungsgremium des Mutterkonzerns Bertelsmann. Er hatte seine Laufbahn in der Sport-Branche begonnen, bei Ufa Sports und dem Sportrechtevermarkter Sportfive.
(Reuters)