Ein mutiger Schritt, den das Basler Biotech-Unternehmen da wagt. Am morgigen Freitag kommen die Aktien von BioVersys mit dem Kürzel «BIOV» an die Schweizer Börse SIX.  Am darauf folgenden Montag wird die Aktie in den Swiss Performance Index aufgenommen.

Konkret sind es 2,1 Millionen neue Aktien zum Preis von je 36 Franken. Der Börsenwert des Neulings beläuft sich somit auf 213 Millionen Franken - zum Vergleich: Bei Galderma waren es 14,5 Milliarden Franken. Obwohl das Handelsvolumen überschaubar bleibt, sind die Banken Citi, UBS und Stifel Teil des Konsortiums. Zusätzlich fungieren Octavian und Mirabaud als Verkaufsagenten.

Der «Free-Float» wird voraussichtlich bis zu 28 Prozent betragen. Dabei müssen das Management und die Direktoren ihre Aktien für 360 Tage halten, während andere Aktionäre eine Sperrfrist von 180 Tagen haben. Die Sperrfristen sollen verhindern, dass grosse Aktienpakete sofort verkauft werden, was zu einem drastischen Rückgang des Aktienkurses führen könnte.

Mutig ist die Entscheidung daher, weil die meisten Biotechwerte aus der Schweiz in den vergangenen Jahren eher enttäuscht hatten. Während Evolva Ende 2023 definitiv die Geschäftstätigkeit einstellte, kämpft Idorsia seit zwei Jahren gegen das Aus. Mangels Einnahmen mussten sie sich bereits von tausenden von Mitarbeitenden trennen. Gleichzeit gab es aber auch Erfolgsgeschichten wie Kuros, die vergangenes Jahr solide Finanzzahlen lieferten und ihren Aktienkurs um 512 Prozent vervielfachten.

Wie also soll wird es bei Bioversys wahrscheinlich laufen?

Hauptmotiv Kapitalzugang

BioVerys erhofft sich vom Börsengang 75 Millionen Franken - 80 Millionen Franken, wenn die Zuteilungsoption voll ausgeübt wird. Eine bescheidene Summe. Aber wenn man die Situation mit Idorsia vergleicht, ist ein bescheidenes Vorgehen vielleicht die schlauere Taktik. Denn die grosszügige Kapitalausstattung des Allschwiler Unternehmen führte zu exzessiven Ausgaben, worauf die nötigen finanziellen Mittel nun fehlen.

Geplant sei, das Angebot als öffentliches Angebot in der Schweiz und in Form von Privatplatzierungen in einer Reihe von Jurisdiktionen, einschliesslich der Vereinigten Staaten, an bestimmte qualifizierte institutionelle Käufer durchzuführen. Wie aus einer Mitteilung hervorging, haben sich einige der bereits bestehenden Aktionäre schon im Vorfeld verpflichtet, angebotene Aktien zu kaufen. So werde die Glaxo Group einen Betrag von 3,5 Millionen in das Angebot investieren. Auch der AMR Action Fund hat sich bereits dazu verpflichtet, von der Gesellschaft angebotene Aktien zu kaufen.

Das Geld finanziert die Betriebskosten und den Investitionsbedarf des Unternehmens von 2025 bis 2028. Die Mehrheit der Erlöse aus dem IPO sollen jedoch dazu verwendet werden, das Hauptprodukt BV100 zur Bekämpfung von Krankenhausinfektionen durch die klinische Phase III zu bringen. Davon erhofft sich BioVersys einen Spitzenumsatz von 800 Millionen Dollar. Positive Phase-III-Resultate von BV100 werden in der zweiten Hälfte von 2027 erhofft. 

Pipeline auf «Fast Track»

Daraus ergibt sich bereits das erste Risiko für das auf Infektionskrankheiten fokussierte Unternehmen. Der Optimismus des Börsengangs ist an eine Medikamentenentwicklung geknüpft, was bereits in der Vergangenheit zu Enttäuschung bei Biotech-Aktien führte. Dennoch tönen die Basler an, kurz- und mittelfristig News zu generieren, die den Aktienkurs antreiben können, wie beispielsweise das zweite Entwicklungsprogramm des Tuberkulose-Wirkstoffs Alpibectir, der sich in Phase II befindet. 

BioVersys hat ausserdem den Vorteil, dass das Unternehmen sehr schlank organisiert ist und mit relativ begrenzten finanziellen Mitteln zwei Produktkandidaten erfolgreich in die Phase II der klinischen Entwicklung gebracht hat. Zudem sind die Chancen auf Zulassung durch die US-Arzneimittelbehörde (FDA) und andere Arzneimittelbehörden gut, da Therapeutika im Indikationsgebiet Infektionskrankheiten, die es bis zur Phase III geschafft haben, mit einer Wahrscheinlichkeit von 75 Prozent zugelassen werden. 

Wenn auch die erwarteten Zulassungen der beiden Lead-Kandidaten BV100 und Alpibectir in der Zukunft liegen, stehen die Chancen also relativ gut. Die FDA hatte beiden Lead-Kandidaten «Fast Track Approval»-Status verliehen, und das exklusive Patent in den USA wurde um jeweils 5 Jahre verlängert. In der Entwicklungs-Pipeline befinden sich zudem weitere Kandidaten, die bis in zwei oder drei Jahren ebenfalls Fortschritte verzeichnen können. 

Dennoch besteht die Gefahr, dass Wettbewerber in derselben Zeit wirksamere Therapien entwickeln und an den Markt bringen. Auch könnten die Preise strenger geregelt sein als ursprünglich angenommen, es könnten Patentstreitigkeiten aufkommen, oder die Einführung auf dem Markt könnte länger dauern als geplant. Mit Pharma-Multi GSK als globalem Partner für den Vertrieb und drei Tochtergesellschaften von BioVersys in den USA, Frankreich und China sind die Voraussetzungen für eine schnelle Marktpenetration allerdings gut.

Nicht zu vergessen: der designierte US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy könnte seine Feindseligkeiten gegen die FDA ausweiten. Er hat bereits angedeutet, dass er grundlegende Reformen innerhalb der Behörde anstrebt, die er als zu stark von den Industrien beeinflusst ansieht.

Geduld dürfte sich auszahlen

Die Aktien sind sicherlich nicht für jeden Anlegertyp geeignet. Wer sich in seinem Portfolio an eher risikoreichen Aktien erfreut, beziehungsweise sich satte Renditen erhofft, dürfte ein überschaubares Investment in BioVersys in Betracht ziehen. Der Aktienkurs könnte in den nächsten Jahren durchstarten, aber im schlechtesten Fall auch absacken.

Laurent Flamme von der Zürcher Kantonalbank (ZKB) warnt: «Wie die Entwicklung des Aktienkurses von Basilea zeigt, ist der therapeutische Bereich der Antiinfektiva kein einfaches Segment für börsennotierte Unternehmen und Investoren. Verschiedene Faktoren wie die Schwierigkeit, neue Moleküle gegen resistente Infektionen zu entdecken, die Entwicklungszeiten und -kosten sowie der vorsichtige Umgang mit dem Einsatz neuer, wirksamer Produkte haben zu einem Marktumfeld geführt, das für die meisten Entwickler von antibakteriellen Medikamenten nur wenig oder gar nicht rentabel ist.» Seiner Meinung nach hat dies auch dazu geführt, dass die meisten grossen Pharmakonzerne diese Segmente aufgegeben haben.

Die ersten Investoren des Spin-offs der ETH Zürich müssen sicherlich geduldig sein, bis sie von ihrer Investition profitieren können. Oft steigen die Aktienkurse im Biotech-Bereich jedoch schon vor wichtigen Ereignissen, wie der Zulassung durch die FDA. Die Chancen für Anleger ergeben sich aus der aktuellen Marktbewertung von nur 213 Millionen Franken und den erwarteten jährlichen Umsätzen von 1,2 Milliarden Dollar mit den neuen Medikamenten.

Aisha Gutknecht arbeitet seit Juli 2024 als Redaktorin für cash.ch.
Aisha GutknechtMehr erfahren