«Wir werden in Rafah operieren. Das wird mehrere Wochen dauern, und es wird geschehen», sagte Netanjahu in einer Kabinettssitzung am Sonntag. Dabei blieb offen, ob er damit meinte, dass der Angriff wochenlang dauern oder in einigen Wochen beginnen würde. Bundeskanzler Olaf Scholz warnte später bei einem Treffen mit Netanjahu vor einer Offensive auf Rafah. «Wie sollten mehr als 1,5 Millionen Menschen geschützt werden? Wo sollten sie hin?», sagte Scholz. In Katar stand die Fortsetzung der Gespräche über eine Waffenruhe zwischen der radikal-islamischen Hamas und Israel an, bei der es auch um die von Hamas noch verschleppten Geiseln gehen sollte.

Bereits bei einem Besuch in Jordanien vor dem Treffen mit Netanjahu in Jerusalem sagte Scholz: «Ich glaube, dass eine grosse Zahl von Opfern bei einer solchen Offensive jede friedliche Entwicklung in der Region sehr schwer machen würde.» Der SPD-Politiker warb für eine längere Waffenruhe im Krieg zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen. Scholz hatte zuvor Jordaniens König Abdullah getroffen, mit dem er sehr ausführlich gesprochen habe. Dabei sei es auch um humanitäre Hilfe gegangen, die in den Gazastreifen gelangen müsse. Flugzeuge der Bundeswehr sind von Jordanien aus an der Luftbrücke für Hilfslieferungen in den Gazastreifen beteiligt.

Bei einem Presseauftritt mit Netanjahu forderte Scholz auch grössere humanitäre Hilfe für die Palästinenser im Gazastreifen: «Wir können nicht zusehen, wie Palästinenser den Hungertod riskieren.» Es werde viel mehr humanitäre Hilfe kontinuierlich und zuverlässig benötigt. Scholz unterstrich, dass Deutschland an der Seite Israels stehe. Die Hamas zu bekämpfen, sei ein legitimes Ziel Israels. Noch immer würden über 100 Geiseln von der Hamas festgehalten.

Netanjahu wirft Verbündeten Vergesslichkeit vor

Netanjahu sagte beim Presseauftritt mit Scholz, Hamas müsse beseitigt werden. Er erklärte, vor einer Offensive bei Rafah werde Israel den Menschen ermöglichen, die Stadt zu verlassen. Sie sollten dort nicht eingeschlossen werden.

Israels Armee war nach dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 in den Gazastreifen einmarschiert. In den vergangenen Wochen hatten die Mahnungen westlicher Regierungen zugenommen, dass Israel die volle Verantwortung für die Versorgung der rund zwei Millionen Zivilisten übernehmen müsse. Nach UN-Angaben droht mindestens 576.000 Menschen eine Hungersnot. Laut Netanjahu hat Israel auch Pläne zur Evakuierung von Zivilisten aus Rafah. Hilfsorganisationen sind skeptisch. Verbündete haben Netanjahu wiederholt aufgefordert, Rafah nicht ohne einen Plan zum Schutz der Zivilbevölkerung anzugreifen.

Nach israelischen Angaben töteten Hamas-Kämpfer bei dem Angriff am 7. Oktober 1200 Menschen und nahmen 253 Geiseln. Bei den darauf folgenden Luftangriffen und der Bodenoffensive Israels wurden seither nach Angaben der Gesundheitsbehörden im von der Hamas beherrschten Gazastreifen mehr als 31.600 Menschen getötet. Der Grossteil der Bevölkerung wurde aus ihren Häusern vertrieben. Hilfsorganisationen haben davor gewarnt, dass in Teilen des Gazastreifens bereits eine Hungersnot herrscht. Krankenhäuser im Norden des Landes berichten von Kindern, die an Unterernährung und Dehydrierung sterben.

Eine mit den Waffenruhegesprächen in Katar vertraute Quelle sagte Reuters, der Leiter des israelischen Geheimdienstes Mossad werde sich der Delegation anschliessen, die an den Verhandlungen mit den Vermittlern aus Katar, Ägypten und den USA teilnehme. Hamas hatte zuletzt einen neuen Vorschlag vorgelegt, der den Austausch von israelischen Geiseln und palästinensischen Gefangenen vorsieht. Ein palästinensischer Funktionär sagte, es liege «nun allein in den Händen von Netanjahu zu entscheiden, ob eine Einigung unmittelbar bevorsteht».

(Reuters)