Die G7 verurteilten das Vorgehen der Führung in Teheran am Sonntag scharf: «Mit seinem Vorgehen hat der Iran einen weiteren Schritt zur Destabilisierung der Region unternommen und riskiert, eine unkontrollierbare regionale Eskalation zu provozieren», heisst es in einer Erklärung nach einer Videokonferenz der Staats- und Regierungschefs. Diese müsse verhindert werden. Zu den sieben führenden Industriestaaten (G7) gehören Deutschland, Kanada, die USA, Frankreich, Italien, Japan und Grossbritannien.
Bundeskanzler Olaf Scholz betonte am Rande seines China-Besuchs in Chongqing: «Wir werden alles dafür tun, dass es nicht zu einer weiteren Eskalation kommt.» Irans Aussenminister Hossein Amir-Abdollahian erklärte, sein Land beabsichtige nicht, seine «Verteidigungsoperationen» auszuweiten. Der Iran werde aber nicht zögern, seine legitimen Interessen gegen eine neue Aggression zu schützen, schrieb der Minister auf der Plattform X. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts, man sei sich einig, dass es eine Antwort geben werde. Über Zeitpunkt und Ausmass werde aber noch gesprochen.
In der Nacht zum Sonntag hatte das Regime in Teheran seine Drohungen wahr gemacht und Israel mit zahlreichen Kampfdrohnen und Raketen erstmals direkt beschossen. Von mehr als 300 Raketen und unbemannten Fluggeräten seien 99 Prozent abgefangen worden, teilte das israelische Militär mit. Der Stabschef der iranischen Streitkräfte, Generalmajor Mohammed Bagheri, warnte Israel vor einem Gegenschlag. Sollte dies passieren, werde die nächste Reaktion des Iran noch grösser ausfallen als die in der vergangenen Nacht. Gleichzeitig rief er die USA - Israels wichtigsten Verbündeten - dazu auf, sich herauszuhalten. Anderenfalls würden auch US-Stützpunkte ins Visier genommen.
«Dreister Angriff»
Bundesaussenministerin Annalena Baerbock sprach eigenen Angaben zufolge am Sonntag mit ihrem iranischen Kollegen Amir-Abdollahian. Dabei habe sie deutlich gemacht: «Es darf keine weitere Eskalation geben, auch nicht von Proxies», sagte Baerbock im ARD-Brennpunkt. Als «Proxies» werden «Stellvertreter» bezeichnet, im konkreten Fall etwa die radikal-islamische Hisbollah im Libanon, die vom Iran kontrolliert und unterhalten wird. Gegenüber Israel habe sie betont: «Wir stehen in voller Solidarität an der Seite Israels», sagt Baerbock. Zugleich forderte Baerbock weitere EU-Sanktionen gegen den Iran.
US-Präsident Joe Biden sprach von einem «dreisten Angriff». US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sagte, sein Land suche nicht nach einem Konflikt mit dem Iran, man werde aber auch nicht zögern, die Verteidigung Israels zu unterstützen. Eine direkte Beteiligung an einem israelischen Vergeltungsschlag schloss die US-Regierung allerdings aus. Auch Russland zeigte sich «extrem» besorgt und rief alle Parteien zur Mässigung auf. Das Aussenministerium in Moskau warnte, ohne Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts werde es keine Entspannung geben.
Anlass für den beispiellosen Grossangriff des Iran ist ein Luftangriff auf das Gelände der iranischen Vertretung in der syrischen Hauptstadt Damaskus am 1. April. Dabei wurden sieben Offiziere der Revolutionsgarden getötet, darunter zwei ranghohe Befehlshaber. Der Iran macht Israel für den Angriff verantwortlich. Israel hat weder bestätigt noch dementiert, den Angriff ausgeführt zu haben.
Aus Hisbollah und Huthi sollen beteiligt gewesen sein
Der Angriff startete am späten Samstagabend. Sirenen heulten auf, während in der Ferne dumpfe Knallgeräusche zu hören waren. Neben den Geschossen aus dem Iran feuerte auch die libanesische Hisbollah-Miliz nach eigenen Angaben Raketen auf einen israelischen Militärstützpunkt ab. Baerbock wies allerdings darauf hin, dass sich die Hisbollah nicht derart an den Angriffen beteiligt habe, wie sie dies hätte tun können. Zudem griffen Medienberichten zufolge auch die Huthi vom Jemen aus Israel an. Behörden zufolge wurde ein siebenjähriges Mädchen schwer verletzt. Eine israelische Militäreinrichtung wurde nach Angaben der Armee leicht beschädigt. Medienberichten zufolge beteiligten sich amerikanische und britische Kampfjets an der Abwehr der Drohnen. Zudem wurde Israel nach eigenen Angaben von Frankreich bei der Abwehr des Angriffs unterstützt. Am Sonntagmorgen gab das israelische Militär Entwarnung.
Zwar wurde auch der Luftraum wieder freigegeben. Die Lufthansa Group setzte dennoch alle Flüge nach Amman, Beirut, Erbil und Tel Aviv bis mindestens Montag aus. Darüber hinaus werden alle Flüge des Konzerns die Lufträume über Israel, Jordanien und dem Irak bis auf weiteres umfliegen, wie das Unternehmen auf Anfrage weiter mitteilte.
(Reuters)