In der vergangenen Woche hat die Ratingagentur Fitch die Bewertung für US-Staatsanleihen von "AAA" auf "AA+" gesenkt. Sie begründete dies mit der Finanzlage der USA und dem zunehmend steigenden politischen Risiko. Entsprechend verschnupft reagierten die Aktienmärkte.

Als mit S&P Global im Jahr 2011 zum ersten Mal überhaupt eine Ratingagentur den Ausblich für US-Staatsanleihen senkte, reagierten die US-Aktienmärkte mit deutlich grösseren Kursverlusten. Diese Börsenbaisse 2011 war aber nicht nur auf die Herabstufung der Kreditwürdigkeit zurückzuführen, sondern auch auf die europäische Schuldenkrise und den damaligen Patt um die US-Schuldenobergrenze.

"Beim Börsencrash 2011 ging es um eine globale Schuldenkrise“, sagte Gina Martin Adams, Chef-Aktienstrategin von Bloomberg Intelligence. "Der Markt war überzeugt, dass Europa dabei sein würde zu implodieren, und die Fed versuchte eine Operation Twist. Damals war entsprechend die Herabstufung der Schulden bestenfalls ein tertiärer Markttreiber."

Der Spuk mit sinkenden Aktienkursen war 2011 allerdings schnell vorbei: Innerhalb von sechs Monaten hatte der S&P 500 Index die erlittenen Verluste und mehr wieder wettgemacht. Und auch sonst lässt sich die Situation 2023 nur bedingt mit jener von 2011 vergleichen. Derzeit gibt es in Europa keine Schuldenkrise, und der Streit in den USA über die Kreditobergrenze wurde bereits Ende Mai gelöst. Ebenso befinden sich die Notenbanken an einem anderen Punkt: Während die Zinsen ab 2011 in den Null-Bereich gesenkt wurden, bewegen sich die Leitzinsen in diesem Jahr Richtung Zinshöhepunkt.

Es erstaunt deshalb kaum, dass es nach dem Lösen des US-Budgetstreits im Mai mit den Börsenindizes wieder nach oben ging - im Juni und Juli wurden praktisch täglich neue Jahreshöchstwerte beim Nasdaq und S&P 500 Index verzeichnet. Daran ändert auch die jüngste Korrektur nach der Abwertung der US-Staatsanleihen wenig. Der S&P 500 Index steht seit Jahresbeginn mit einem satten Gewinn von 18 Prozent da. 

Ein genauerer Blick zurück gibt den Anlegern aber trotzdem einen interessanten Anhaltspunkt, auf was im aktuellen Marktumfeld geachtet werden sollte. Auffallend war 2011, dass nicht die Wachstumsaktien die Erholungsrallye angetrieben hatten, sondern Value-Aktien und Dividendenwerte.  Der Grund war, dass die im Jahr 2011 erfolgte Herabstufung durch S&P zu einer Zeit kam, in der die Märkte wenig optimistisch und unsicher waren, ob Europa die Schuldenkrise der Peripherieländer lösen kann. Entsprechend konservativ haben sich Anlegende aufgestellt.

Implikationen für Investoren

Thomas Rühl, Anlagechef der Schwyzer Kantonalbank, meint denn auch, dass andere Faktoren bald wieder im Vordergrund stehen werden. "Alles in allem befinden wir uns mitten in der sanften Landung, denn die Inflationsbekämpfung drückt bislang nicht auf das Wirtschaftswachstum." In den USA haben sich die Aussichten deutlich verbessert: Konsumenten sind in guter Stimmung und der Arbeitsmarkt schafft viele neue Stellen. Dass die Rating-Agentur Fitch die USA aus dem Club der AAA-Länder geworfen hat, hat die Aktienmärkte kurzfristig belastet, so Rühl. 

Auch für die Goldman-Sachs-Derivatestrategen hat sich der Fokus schnell vom Rating-Downgrade zurück zu den täglichen Mittelzu- und abflüssen am amerikanischen Aktienmarkt verschoben. Ein wichtiger Punkt ist dabei die Stimmung unter den Anlegern - das sogenannte Sentiment. Die Strategen halten dazu fest, dass es merkwürdig sei, dass trotz extrem positiver Stimmung keine Korrektur eintrete. Dies wäre eigentlich wegen der "überkauften" Situation und ausgereizten Stimmungsindikatoren nicht erstunlich.

So könnte nun genau das Gegenteil eintreten. "Diese zurückhaltende Verkaufswelle von letzter Woche signalisiert, dass sich diese Korrektur zwar richtig anfühlt nach einer ziemlich glanzlose Gewinnsaison, aber dies ist eher in ein kurzfristiger Faktor in einer langfristigen Aufwärtsbewegung als der Beginn eines anhaltenden Trends zu tieferen Kursen", so die Goldman-Sachs-Strategen. 

UBS bleibt vorsichtig

Die UBS, welche bezüglich Aktien weiterhin sehr vorsichtig ist, legt den Fokus denn auch weiterhin auf Qualitätsaktien mit Dividendenausschüttung. Dies sei eine gute Einnahmequelle und könne die potenziellen Aktienrenditen zu einer Zeit steigern, in der die Risiko-Ertrags-Aussichten für breite Indizes aus taktischer Sicht gedämpft erscheinen, schreibt sie in einer Einschätzung. Der "MSCI World High Dividend Yield Index" und sein nachhaltiges Äquivalent bieten derzeit eine Rendite von rund 3,85 Prozent, was nahe an den 3,95 Prozent liegt, die derzeit für 10-jährige US-Staatsanleihen angeboten werden.

"Hochwertige Dividendenaktien sind in der Regel in defensiveren Teilen des Marktes zu finden, und die Geschichte zeigt, dass sich die Dividendenzahlungen selbst im Falle eines Wirtschaftsabschwungs als relativ stabil erweisen dürften", so die UBS weiter. Unternehmen dieser Kategorie verfügen zudem oft über eine starke Preissetzungsmacht, die es ihnen ermöglicht, in Zeiten hoher Inflation ihre Margen zu schützen. Nach Regionen betrachtet sehen die Strategen der UBS bei Schweizer und asiatischen Valoren das grösste Potenzial. Die Grossbank folgt damit dem Drehbuch von 2011. 

Thomas Daniel Marti
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