Die Schweizerische Nationalbank senkt den Leitzins unerwartet deutlich um 50 Basispunkte auf 0,5 Prozent. Sie begründet dies hauptsächlich mit dem abnehmenden Inflationsdruck in der Schweiz.
Das ist nachvollziehbar, aber wie so oft bei Zinsentscheiden der SNB nur die halbe Wahrheit. Der Hauptfokus der SNB liegt bei solchen Jumbo-Zinsschritten auf dem Kurs des Schweizer Franken. Dieser bewegt sich seit Wochen wieder auf Rekordniveaus zum Euro. Und die geopolitischen und konjunkturellen Entwicklungen deuten nicht darauf hin, dass sich der Franken mittelfristig abschwächen wird.
Spätestens seit dem heutigen Donnerstag ist klar, dass die SNB unter der neuen Leitung von Martin Schlegel ein weiteres Erstarken der Schweizer Währung vor allem mit Zinssenkungen bekämpfen will - und nicht primär mit Devisenmarktinterventionen. Darauf deuteten schon Schlegels zwei Drohungen Anfang Oktober und Ende November hin, wonach die SNB nötigenfalls wieder Negativzinsen einführen werde, um einer Frankenaufwertung entgegenzutreten. Solche Äusserungen hatte Schlegels Vorgänger Thomas Jordan stets tunlichst vermieden.
Warum diese auffällige Präferenz von Martin Schlegel für Zinssenkungen als Mittel der Frankenbekämpfung? Der Grund liegt wahrscheinlich auch in den USA. Diese führen seit 2015 eine halbjährlich aktualisierte Liste mit - aus Sicht des US-Finanzministeriums - möglichen Währungsmanipulatoren weltweit. Das sind Länder, welche ihre Währung nicht dem freien Markt überlassen, sondern sie zum Beispiel durch Devisenmarktinterventionen zum eigenen Vorteil steuern.
In der Schlussphase der ersten Regierung Trump im Jahr 2020 erfüllte die Schweiz aus US-Sicht tatsächlich die Kriterien einer Währungsmanipulatorin - und landete auf dieser ominösen Liste, in wenig rühmlicher Nachbarschaft wie Vietnam oder Taiwan. Theoretisch drohen diesen Ländern Zölle auf Exportprodukte in die USA. Das trat aber im Fall der Schweiz nicht ein. Unter der Regierung Biden verschwand die Schweiz auch wieder von der Liste.
Dennoch liegt SNB und der Schweiz offenbar viel daran, unter der Regierung Trump nicht wieder als Währungsmanipulatorin gebrandmarkt zu werden. Was nachvollziehbar ist: Der Markt könnte dann einerseits das Gefühl haben, die SNB werde sich unter dem Eindruck des US-Drucks mit Devisenkäufen zurückhalten und Wetten auf einen stärkeren Franken lancieren.
Das wichtigere aber: Seit langem steht ein Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der USA im Raum. Und unter Donald Trump könnte ein neuer Anlauf zu einem Handels-Deal gestartet werden. Doch mit einer Schweiz als von den USA verdächtigte oder gebrandmarkte Währungsmanipulatorin stünden solche Verhandlungen von Anfang an unter einem sehr schlechten Stern.
Dass die SNB vorerst vor allem auf Zinssenkungen oder gar Negativzinsen setzt zur Frankenschwächung, dürfte also kein Zufall sein. Die SNB vermeidet mit dem Verzicht auf Devisenmarktinterventionen auch ein erneutes Anschwellen ihrer gigantischen Bilanz. Wie nachhaltig diese SNB-Politik mit Blick auf den Frankenkurs und die Effekte im Binnenmarkt Schweiz ist, bleibt abzuwarten.
1 Kommentar
Frage: Wann in den letzten 30 Jahren hat eine Tiefzinspolitik den Schweizer Franken gegenüber dem USD und dem EUR nachweislich andauernd geschwächt?
Kein einziges Mal. Mit Zinspolitik können nur kurzfristige Spikes in die eine oder andere Richtung ausgelöst werden, aber keine langfristige Hebung oder Senkung des Wechselkurses. Und Einmaleffekte werden von den Märkten schlicht konsumiert. Wer anderes behauptet: Bitte zeigen, wann's funktioniert hat.
Die einzige, mittelfristig erfolgreiche Steuerung des Wechselskurses durch die SNB war jene über Offenmarktinterventionen, direkt in Währungen oder indirekt über investive Anlagen. Und auch diese haben nur funktioniert, weil sie laufend erfolgt sind, bis sich im Kopf der Anleger eine Untergrenze als gegeben festgesetzt hat. Und selbst dann musste die SNB die Untergrenze aufgeben, weil sich ihre Bilanz derart aufgebläht hat, dass das Risiko von Folgeeffekten grösser wurde, als das Risiko eines weiteren Erstarken des Frankens.
Der Wechselkurs ist eine Ausgleichbewegung zwischen der unterschiedlichen Kaufkraft in Währungs- und Wirtschaftsräumen. Der Wechselkurs ist das Scharnier dazwischen. Entweder erfolgt der Ausgleich über den Wechselkurs oder aber er erfolgt direkt über die Kaufkraft, aka u.a. Lohn- und Preisniveau, in dem diese sich angleichen. Erfolgen wird er immer, ob man will oder nicht. Wer sich also gegen den Wechselkurs als Scharnier stemmt, wird feststellen, dass seine Kaufkraft über die Zeit sinkt, weil sie sich der tieferen Kaufkraft im EUR und USD Raum angleicht. Ein Prozess, der seit geraumer Zeit bereits in Gang ist.
Es ist daher nicht zielführend, über Zinssenkungen oder Devisenmarktinterventionen zu sprechen. Unser Fokus als Exportnation sollte darauf liegen, möglichst innovativer als andere zu sein, um stets eine höhere Arbeitsproduktivität zu haben. Darüber wird ein Mehrwert gegenüber anderen Wirtschaftsräumen geschaffen, der sich im Erhalt der Margen und damit des hohen Preisniveaus, der höhen Löhnen und einem stabilen CHF manifestiert.
Deutschland zeigt dieses Mechanismus als Negativbeispiel sehr schön: Seit Deutschland seine Innovationsfähigkeit begraben hat, steigen nur noch die Kosten, nicht aber die Arbeitsproduktivität. Das Wirtschaftswachstum geht zurück, Industrien sterben, Arbeitsplätze werden weniger, das Volkseinkommen stagniert oder geht relativ sogar zurück, die relative Wertschöpfung und die bereinigte Kaufkraft sinkt.
Ergo: Innovation ist der Schlüssel, nicht der Wechselkurs. Und ja, Innovation wird von tiefen Zinsen unterstützt, aber der eigentliche Driver für Innovation sind die richtigen Rahmenbedingungen. Und das ist Wirtschaftspolitik, nicht Zins- und auch nicht Währungspolitik.