Beanstandungen von Wahlergebnissen sind nichts Neues in den USA. Ex-Präsident Donald Trump und seine Gefolgschaft haben dies jedoch nach der Wahl 2020 auf die Spitze getrieben. Bis heute beharren viele Republikaner auf der falschen Behauptung, Trump sei um seine Wiederwahl betrogen worden.
Die Verschwörungstheorie vom angeblich "gestohlen Wahlsieg" belastet auch die Midterm-Wahlen am kommenden Dienstag. Dann werden zwar nicht das Präsidentenamt, aber neben Abgeordneten- und Senatorenposten Tausende weitere politische Ämter auf Bundesstaats- und Kommunalebene gewählt.
Eine Analyse der "Washington Post" hat ergeben, dass mehr als die Hälfte der Republikaner, die diesmal für den Kongress oder einen Schlüsselposten auf Bundesstaatsebene kandidieren, die Wahlergebnisse von 2020 in Frage gestellt haben. Befürchtet wird, dass es 2022 eine regelrechte Welle ähnlicher unbelegter Vorwürfe geben könnte, wenn Rennen nicht wie gewünscht ausgehen.
Es folgen einige Szenarien, wie sich das abspielen könnte:
Neuauszählungen
In 22 der 50 Bundesstaaten sowie der Hauptstadt Washington, D.C. wird eine Neuauszählung automatisch angesetzt, wenn ein Sieg äusserst knapp ausfällt. Oft wird dafür nach Angaben der National Conference of State Legislatures, einer Interessenvertretung der Bundesstaaten, ein Unterschied von 0,5 Prozent veranschlagt. In 41 Bundesstaaten und in Washington können ein Kandidat oder Wähler eine Neuauszählung beantragen, wobei auch hier der Stimmenunterschied sich in einem knappen Rahmen bewegen muss. In einer Handvoll von Bundessstaaten sind Neuauszählungen vom Gesetz her nicht erlaubt. Einem Kandidaten bleibt dort nur der Weg über die Gerichte.
Generell ist eine Neuauszählung von Stimmen in den USA nicht ungewöhnlich. Das gilt besonders für Lokalwahlen, wo der Ausgang oft knapp sein kann. Am Ergebnis ändert sich aber selten etwas.
Bei der Präsidentschaftswahl 2020 stand unter anderem Georgia im Fokus. Der Bundesstaat liess die abgegebenen Stimmen drei Mal nachzählen. Jedes Mal wurde bestätigt, dass Joe Biden sich gegen Trump durchsetzte. In Arizona wurde Bidens dortiger Sieg erst knapp ein Jahr nach der Wahl offiziell bestätigt.
Rechtsstreitigkeiten
In den USA werden nach Wahlen häufig Klagen gegen den Ausgang eingereicht. Oft geht es um Verfahrensfragen, etwa ob bei Briefwahlunterlagen Informationen fehlten oder ob sie rechtzeitig eingingen. 2020 haben Trump und seine Verbündeten jedoch versucht, das Gerichtswesen regelrecht als Waffe für ihre Zwecke einzusetzen. Dutzende Gerichte mussten sich mit Trumps Vorwürfen befassen - und wiesen sie schliesslich zurück. Trotzdem änderte dies bei vielen heutigen Kandidaten aus Trumps Umfeld nichts an ihrer Überzeugung, dass der Ex-Präsident im Recht ist. Es sei daher davon auszugehen, dass es dieses Jahr "ein ähnliches Sperrfeuer unbegründeter Betrugsbehauptungen" geben wird wie 2020, sagt die Politik-Expertin Bo Dul von der Nichtregierungsorganisation States United Democracy Center.
Zertifizierung
Wahlergebnisse sind erst dann offiziell, wenn sie formell bestätigt wurden. Normalerweise geschieht das binnen weniger Wochen nach dem Wahltag. Dieser Zertifizierungsprozess ist von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich. In der Regel bestätigen zunächst kommunale Behörden den Ausgang in ihren Zuständigkeitsbereichen, bevor die Landesbehörden die Gesamtergebnisse für den jeweiligen Bundesstaat zertifizieren.
Der Prozess ist insgesamt stark dezentralisiert. Wahlexperten sprechen von einem zweischneidigen Schwert. Einerseits lässt sich so verhindern, dass eine einzige übergeordnete, zentrale Autorität Ergebnisse verändert. Andererseits gibt es mehrere Stellschrauben, an denen ein unseriöser Behördenvertreter den Prozess stören könnte - etwa indem er sich weigert, Ergebnisse zu bestätigen.
Vor einigen Monaten lieferte ein Landkreis in New Mexico ein Beispiel dafür, was nach den Midterms passieren könnte: Eine von den Republikanern kontrollierte Kommission wollte nach einer Abstimmung das Ergebnis nicht bestätigen. Sie berief sich auf unzutreffende Behauptungen hinsichtlich angeblicher Probleme mit den Wahlmaschinen. Erst nachdem der Oberste Gerichtshof von New Mexiko die Zertifizierung anordnete, lenkte die Kommission ein.
(Reuters)