Der Swiss Performance Index (SPI) notiert bei 17'250 Punkten und damit etwa ein Prozent unter dem am 3. März erreichten Allzeithoch von 17'386 Punkten. Die Rekordrally bei den Schweizer Leitindizes wird von Aktien getragen, die auf einem 52-Wochen-Hoch, nahe eines Mehrjahres- oder gar Rekordhochs stehen. 

Anlegerinnen und Anleger liebäugeln dabei immer wieder mit dem Gedanken, sich von den besten Aktien zu trennen und Kursgewinne mitzunehmen. Das liegt im menschlichen Naturell. Damit steigen aber viele oft zu früh aus. Das hängt mit dem Momentum-Effekt zusammen, der besagt, dass eine Aktie, die schneller steigt als andere Aktien, dazu neigt, das auch in der Zukunft zu tun.

Wissenschaftliche Studien zu den konkreten Hintergründen des Momentum-Effekts gibt es seit den 1960er-Jahren. Robert Levy war einer der ersten mit seinem Konzept der relativen Stärke. Deshalb gibt es auch unzählige Hedgefonds, die auf den Momentum-Effekt setzen. Denn jeder Anleger will Gewinner-Aktien im Depot haben. Daher ist ein gewisses Herdenverhalten bei besonders stark gestiegenen Aktien normal. 

Im laufenden Bullenzyklus an der Schweizer Börse konnten sich seit dem ersten Januar viele Aktien positiv in Szene setzen. Die stärksten Kursavancen unter den bekannten Namen im SPI verzeichneten Cicor (+63 Prozent), AMS (+52 Prozent), Sensirion (+38 Prozent), Implenia (+35 Prozent) oder Adecco (+28 Prozent). Bei diesen Firmen gibt es allerdings einen wesentlichen Unterschied. Die einen wie Cicor oder Implenia rennen schon seit einiger Zeit von einem Mehrjahreshoch zum nächsten, während AMS oder Adecco sich erst von Mehrjahrestiefstkursen am Lösen sind. 

Die Zugpferde am SMI 

Bei den grosskapitalisierten Schweizer Werten haben mit ABB, Alcon und Richemont gleich drei Schweizer Titel im März ein neues Allzeithoch erreicht. Diese drei Firmen haben eines gemeinsam: Sie verfügen über einen hohen Burggraben. Warren Buffett hat den Begriff Burggraben - auf Englisch Moat - geprägt und in der Finanzwelt populär gemacht.

Die Investorenlegende verwendet diesen Begriff, um den nachhaltigen Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens zu beschreiben, der es vor der Konkurrenz schützt und seine Gewinne stabil hält. Im Portfolio von Berkshire Hathaway sind das Unternehmen wie American Express, Apple, Bank of America, Chubb, Coca-Cola oder Moody's.

ABB und der deutsche Konkurrent Siemens liefern sich seit Jahren einen Kampf um den erfolgreichsten Burggraben im Bereich Elektrotechnik. Wieso Siemens für den Moment die Nase vor ABB hat, steht hier. Alcon als auch Richemont können auf der anderen Seite für sich in Anspruch nehmen, der Konkurrenz vorneweg zu sein.

Der Erfolg von Richemont ist der eingeschlagenen Diversifizierungsstrategie geschuldet. Der Grundstein wurde 1999 gelegt, als der Schweizer Luxusgüterkonzern eine Mehrheitsbeteiligung am Schmuckhersteller Van Cleef & Arpels übernahm. Im abgelaufenen Geschäftsjahr war das hochpreisige Schmuckgeschäft so erfolgreich, dass der schwächelnde Uhrenabsatz kompensiert werden konnte. 

Die Alcon-Valoren haben seit der Abspaltung von Novartis 2019 während fünf Jahren an der Börse keine grossen Stricke zerrissen. Nach einem Eröffnungskurs von 55 Franken bewegte sich die Aktie in einer Bandbreite von 40 Franken während der Corona-Krise bis 80 Franken Ende 2022, als die globalen Wachstumsperspektiven ausgezeichnet waren. Seither geht es sukzessive aufwärts, die Aktie erreichte Ende Februar ein neues Allzeithoch von 87 Franken. Dies ist dem erfolgreichen Tagesgeschäft sowie den vielversprechenden Produkten, die in den nächsten drei Jahren auf den Markt kommen, zuzuschreiben. 

Auf einem Mehrjahreshoch notieren auch Holcim. Das Allzeithoch wurde 2007 bei 120,40 Franken erreicht. Bis zu diesem Kurs fehlen noch knapp 20 Prozent. Ein mögliches Ende des Ukrainekriegs sowie die bevorstehende Abspaltung des US-Geschäfts dürften zu einem Teil schon in den aktuellen Kursen eingepreist sein.  

Lauf der Finanzvaloren nicht stoppen

Auf einem Mehrjahreshoch stehen die Versicherungen Swiss Life, Swiss Re und Zurich Insurance. Bei den drei Titeln fehlen aber noch rund 20 bis 30 Prozent zu den Anfang der 2000er-Jahre erreichten Allzeithochs. Dagegen können die Aktionärinnen und Aktionäre von Helvetia und Baloise auf neue Allzeithochs herunterblicken. Sollten sich die Fusionsgerüchte um die beiden Versicherer erhärten, winken weitere Kursgewinne. Aber auch bei einem Alleingang haben beide Titel weiteres Potenzial. Beiden Konzerne stehen unter Druck, Kosteneinsparungen zu realisieren und mehr freien Cashflow via Dividenden und Aktienrückkäufe an die Aktionäre zurückzuführen. 

Unter den Finanzvaloren fallen VZ Holding und Swissquote schon seit Monaten mit immer neuen Allzeithöchstkursen auf. Während VZ Holding sich nahezu unberührt gibt ob der jüngsten Kursturbulenzen an Wall Street, ging es mit den Swissquote-Valoren seit Mitte Februar um 15 Prozent hinunter. Ein Grund ist der Einbruch der Kryptowährungen, wo Swissquote stark exponiert ist und hohe Handelsgebühren generiert.

Titel Preis in Fr. Allzeithoch Fr. KGV Dividenden- rendite in %
ABB 50,8 54 24 1,80%
Alcon 80,8 84,68 28 0,35%
Allreal 178 222 22 3,90%
Cicor 99,8 269,5 15 -.-
Holcim 101,8 120,4 16 3,10%
Investis 115 115 36 2,26%
PSP Swiss Properties 134 153,7 26 2,93%
Richemont 161,8 187,55 27 1,71%
Swiss Life 785 956,8 18 4,46%
Swissquote 365,8 433,6 17 1,64%
Swiss Re 148,5 197,25 11 4,35%
Thurgauer Kantonalbank 143 144 18 2,38%
VZ Holding 163,2 163,4 28 1,67%
Zurich Insurance 611,8 767,1 16 4,58%

Quelle: Bloomberg

Die von Swissquote am Donnerstag vorgelegten Zahlen für 2024 entsprachen den Markterwartungen. Enttäuschend seien vielmehr die Aussichten für das laufende Geschäftsjahr 2025, betont das US-Brokerhaus Jefferies. Insgesamt sei dies allerdings bereits im Aktienkurs reflektiert.

Still und leise warten die Zuger Kantonalbank und die Thurgauer Kantonalbank mit neuen Allzeithochs auf. Die Dividendenrendite hat sich bei beiden Titeln damit zurückgebildet. Ob diese Niveaus ohne deutlich steigende Ausschüttungsquoten gehalten werden können, muss sich weisen. In einer Studie zu den Kantonalbanken gibt die Zürcher Kantonalbank anderen Instituten den Vorrang. Die St. Galler Kantonalbank, Banque Cantonale de Genève und Luzerner Kantonalbank werden mit «Übergewichten» eingestuft, die Glarner Kantonalbank mit «Untergewichten» und die Banque Cantonale Vaudoise, Thurgauer Kantonalbank und die Graubündner Kantonalbank mit «Marktgewichten».

Die sinkenden Zinsen haben den baunahen Firmen sowie den Immobiliengesellschaften in den letzten 12 Monaten Flügel verliehen. Allen voran Investis können mit einem neuen Allzeithoch aufwarten. PSP Swiss Property oder Allreal konnten die Allzeithochs gegen Ende der Nullzinsphase 2021 noch nicht egalisieren. Die sich ebenfalls in guter Form befindende Implenia notiert ebenfalls unter dem Allzeithoch von 2018. 

Cicor auf der Überholspur

Beim Technologiekonzern Cicor läuft es rund. Die Firma konnte im vergangenen Jahr einen Nettoumsatz von 480,8 Millionen Franken ausweisen. Dies ist dank Akquisitionen ein Plus von 23,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Für das laufende Jahr wird ein Umsatz 2025 im Bereich von 520 bis 560 Millionen Franken angepeilt. Wie Cicor die Marge vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) in Zukunft steigern will, erklärt Alexander Hagemann, CEO des Technologieunternehmens Cicorhier

Für Aktionärinnen und Aktionäre, welche sich 2024 Cicor-Titel ins Depot gelegt haben, dürften ob der Kursverdoppelung innert weniger Monate hocherfreut sein. Für Investierende, welche sich den Titel 1999 zu Preisen über 200 Franken angelacht haben, ist es dagegen noch ein weiter Weg, bis die Kursverluste aufgeholt sind.

Fazit: Neben Warren Buffett hat auch der bekannte Investor Peter Lynch ein, zwei wichtige Ratschläge auf Lager. Steigt eine Aktie um mehr als 50 Prozent in sechs Monaten, ist es angebracht, Gewinne zu realisieren. Dies trifft um so mehr zu, wenn die Kursentwicklung parabolisch nach oben geht wie bei Cicor. Aber auch bei allen anderen Überfliegern sind partielle Gewinnmitnahmen keine schlechte Idee. Erstens gibt es immer wieder neue Einstiegschancen. Zweitens ist an Gewinnmitnahmen noch kein Investor verarmt. 

Thomas Daniel Marti
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