Zwei Jahre nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine sind sich Ampel-Koalition und oppositionelle Union in einem einig: Deutschland soll ab sofort die Selbstverpflichtung der Nato-Staaten erfüllen, mindestens zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. Gemeinsam hatten Regierung und Opposition einen Sonderkredit für die Bundeswehr über 100 Milliarden Euro im Grundgesetz verankert. Zusammen mit dem Verteidigungsetat ermöglicht dies ab 2024 den Sprung über die Zwei-Prozent-Marke.

Aber der Sonderfonds geht 2027 zur Neige. Spätestens im Sommer muss Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) Farbe bekennen, wie er nach dem Auslaufen des Sonderkredits die höheren Verteidigungsausgaben organisieren will. In den vergangenen Tagen wurde klar, dass SPD, Union, Grüne und FDP dazu unterschiedliche Vorstellungen haben.

Reform der oder Ausnahme in der Schuldenbremse

Vor allem Politiker von SPD und Grünen fordern eine Reform der Schuldenbremse im Bundeshaushalt. Sie wollen Investitionen aus der Berechnung der Kreditaufnahme herausnehmen - dies könnte dann auch für Rüstungsbeschaffungen gelten. Eine Variante ist, etwa Ausgaben für den Ukraine-Krieg aus dem Etat zu nehmen und in einem Sondertopf ausserhalb der Schuldenbremse zu bündeln. Beide Wege würden die Finanzierung höherer Verteidigungsausgaben möglich machen. Die Unionsspitze und die FDP lehnen beides ab.

Erhöhung des Sondervermögens

Bundesaussenminister Annalena Baerbock hat eine Aufstockung des Sondervermögens vorgeschlagen. «Investitionen in das Generationenprojekt der europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion können nicht Ein-Jahres-Haushalten und der Schuldenbremse unterliegen», sagte die Grünen-Politikerin in Anspielung auf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Haushaltsführung. Zuvor hatte schon der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter eine Aufstockung auf 300 Milliarden Euro gefordert. CDU und CSU lehnen dies aber ab. Ihre Zustimmung wäre für eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich, in dem die Zahl von 100 Milliarden Euro festgeschrieben ist.

Finanzierung aus dem Verteidigungshaushalt

Lindner und CDU-Chef Friedrich Merz haben klar gemacht, dass sie das Zwei-Prozent-Ziel über den Bundesetat erreichen wollen - ohne dass deshalb die Schuldenbremse gerissen wird. Sie sind sich im Ziel damit mit Kanzler Olaf Scholz sowie Verteidigungsminister Boris Pistorius (beide SPD) einig. Sie begründen das unter anderem mit der Beschaffung zusätzlicher Waffensysteme. Dann steigt nämlich auch der Wartungsbedarf. Diese Kosten können aber gar nicht aus einem Investitions-Sondervermögen gedeckt werden. Zudem muss der Wehretat ohnehin wegen der wachsenden Personalkosten steigen.

Dazu müsste der Verteidigungsetat um mindestens 25 Milliarden Euro pro Jahr angehoben werden. Lindner und Merz sehen darin kein Problem, weil sie ohnehin für Umschichtungen und Einsparungen im Bundeshaushalt an anderer Stelle votieren. In der Regierung wird darauf verwiesen, dass die Zahl eher zu erreichen sein wird, wenn die Steuereinnahmen steigen.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sprach sich vorsorglich gegen Kürzungen im Sozialetat aus. «Wer in dieser sicherheitspolitisch herausfordernden Zeit nicht an der falschen Stelle sparen will, sollte sich entsprechenden Reformen nicht entgegenstellen. Kürzungen bei sozialem Zusammenhalt sind der falsche Weg», mahnte auch Grünen-Co-Fraktionschefin Britta Hasselmann.

Finanzierung über die EU - Verteidigungsanleihen

Auch andere EU-Staaten sehen die Notwendigkeit, ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Klamme EU-Staaten wie Frankreich wollen den Weg über die EU gehen. Eine Idee sind dazu sind gemeinsame EU-Verteidigungsanleihen (defence bonds). Der französische EU-Industriekommissar Thierry Breton hat einen Fonds in Höhe von 100 Milliarden Euro vorgeschlagen. In Deutschland stösst diese Idee aber auf Ablehnung. Denn es wird vermutet, dass dies der Einstieg in eine gemeinsame Verschuldung sein soll. Man könnte den Fonds aber ähnlich wie den Corona-Hilfsfonds so organisieren, dass die EU-Kommission zwar die Schulden aufnimmt, die Rückzahlung aber aus dem EU-Haushalt erfolgt.

Finanzierung über die EU - EU-Haushalt

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat eine weitere Variante vorgeschlagen: Den Ausbau des europäischen Verteidigungsfonds, der im EU-Haushalt angesiedelt wird. Ihre Überlegung dahinter: Wenn die EU gemeinsam Investitionen in Rüstungsprojekte tätigt, wird nationale Parallelplanung verhindert und das Geld effektiver ausgegeben. Über die sogenannte European Peace Facility wird heute schon Rüstungsmaterial an die Ukraine geliefert. Die Crux: Bei diesem Weg muss entweder innerhalb des EU-Haushalts zugunsten der Sicherheit umgeschichtet werden - oder die 27 EU-Mitgliedstaaten müssen mehr Geld an Brüssel überweisen. 

(Reuters)