Das Jahr neigt sich dem Ende zu und Luxuskonzerne dürften sich über einen - zumindest psychologischen - «Neustart» freuen. Sie mussten dieses Jahr Umsatzeinbussen und Gewinnmitnahmen hinnehmen. Die Aktienkurse der europäischen Luxuskonzernen sind teilweise auf Kursstände von 2009 gefallen. 

Besonders betroffen waren Konsumgüterhersteller aus den mittleren Preissegmenten. Deren Konsumenten waren stärker von der Inflation und damit zusammenhängenden Kaufkraftverlust betroffen. Im Gegensatz dazu sind die Bewertungen einiger Unternehmen, die sich an die wohlhabendsten Kunden richten, wie Hermès und Brunello Cucinelli, um fast 20 Prozent gestiegen.

Damit waren nicht allein die Konjunkturflaute in China - chinesische Konsumenten machen fast 15 Prozent des weltweiten Luxusmarktes aus - für die Einbussen verantwortlich. Es soll auch eine gewisse «Müdigkeit» am Luxusmarkt vorherrschen.

Seit einigen Wochen weisen die Aktienkurse der Spitzenreiter dennoch einen Aufwärtstrend auf. Ein Korb von Goldman Sachs, der den Sektor abbildet, hat seit dem Tiefpunkt im November sogar um 12 Prozent zugelegt und den Rückgang im bisherigen Jahresverlauf auf nur 1 Prozent begrenzt. Auch die jüngsten Unternehmensergebnisse weisen eine Verbesserung auf. Ist diese Erholung nachhaltig?

Performances wie in einer Finanzkrise

Die Aktie vom grössten Luxuskonzern LVMH, der noch bis Mitte 2023 das grösste börsennotierte Unternehmen Europas war, ist in diesem Jahr besonders stark zurückgegangen. Die Aktie bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen Erholung und Rückschlag. Seit Januar 2024 hat LVMH an der Börse 14 Prozent verloren, was der schlechtesten Jahresperformance seit der globalen Finanzkrise 2008 entspricht. Nun steigen die Titel langsam wieder und notieren bei rund 640 Euro. 

Kursentwicklung von LVMH in Euro.

Die Analysten der Royal Bank of Canada (RBC) sehen LVMH weiterhin als Favorit im Luxussegment für 2025. Trotz des gesenkten Kursziels von 710 auf 650 Euro bewerten sie die Aktie mit «Outperform». Für LVMH sprechen die Diversifizierung, die Grössenvorteile und der Status als Branchenprimus, schreiben die Analysten. Auch Goldman Sachs spricht eine Kaufempfehlung aus. Das Marktpotenzial und die günstigen Bewertungen überzeugen die Experten.

Für den Konkurrenten Kering geht es jüngst ebenfalls steil bergauf. Seit Anfang Dezember konnten die Aktien um 12 Prozent zulegen und notieren derzeit bei 242 Euro. Einige Analysten stehen dieser Entwicklung skeptisch gegenüber. Während JPMorgan die Einstufung für den französischen Luxuskonzern auf «Underweight» mit einem Kursziel von 195 Euro belässt, spricht auch Goldman Sachs eine Verkaufsempfehlung aus: Sie vermissen Anzeichen für nachhaltige Impulse für einen Turnaround. Das operative Ergebnis (EBIT) des französischen Luxusgüterkonzerns werde wohl etwas unter dessen Zielvorgabe bleiben, schrieb derweil die Analystin von JPMorgan. 

Doch nicht alle Analysten teilen den Pessimismus. Die RBC hat Kering auf «Sector Perform» eingestuft mit einem Kursziel von 230 Euro veranschlagt. Die sich aufhellende US-Konjunktur unterstütze die Aktien von Luxusgüter- und Sportartikelherstellern, schrieb der zuständige Analyst in einem vorliegenden Branchenausblick auf 2025. Jüngste Daten, unter anderem aus China, stärkten sein Vertrauen in eine Umsatzstabilisierung ab dem laufenden Quartal.

Schweizer Markt

Auch der Schweizer Luxusgüterproduzent Richemont strauchelte. Insbesondere die Uhrenkategorie litt unter den Marktbedingungen. Richemont vermeldete ein Nullwachstum und einen 17-prozentigen Rückfall des Betriebsgewinns im ersten Halbjahr. Die Aktien sackten im Sommer zeitweise auf 114 Franken ab, während sie im Juni noch um 150 Franken notiert hatten. Trotz der Ankündigung eines Stimulus-Paket in China im September waren die Kursavancen nicht nachhaltig. Aktuell befinden sich sich bei 137 Franken und damit mit 17 Prozent auf Jahressicht im Gewinn. 

Dieser Optimismus spiegelt sich in den Analystenkommentaren wider. Die zuständige Analystin von JPMorgan hat die Einstufung für Richemont vor Zahlen zum dritten Geschäftsquartal auf «Overweight» mit einem Kursziel von 150 Franken festgesetzt. Ähnlich lautet die Einstufung der Zürcher Kantonalbank bei 156 Franken - das entspricht einem Gewinnpotenzial von etwa 20 Prozent auf das jetzige Kursniveau. Sie erwarten für 2025 einen Anstieg des Reingewinns um knapp vier Prozent, wobei die operativen Margen auf knapp 29 Prozent sinken dürften (2024: 37 Prozent). Die JP-Morgan-Analystin hat insbesondere Hoffnungen auf ein gutes Abschneiden der Jewellery Maisons. Hier dürfte der Umsatz ohne Wechselkurseinflüsse um fünf Prozent zulegen.

Kursentwicklung von Richemont in Franken.

Als grosser Sieger im Luxusgütersektor in diesem Jahr geht wohl Hermès hervor. Das Unternehmen gehört damit zu den fünf wertvollsten Unternehmen aus Europa und konnte sich von der Konkurrenz distanzieren. Trotz der turbulenten Zeiten ist Hermès weiter gewachsen - allein im dritten Quartal nahm der Umsatz um 11,3 Prozent zu. 

Dies spiegelt sich auch im Aktienkurs wider. Die Gewinnmitnahmen fielen deutlich geringer als bei den beiden Rivalen LVMH oder Kering aus. Seit einem Monat notieren sie über 12 Prozent Plus - auf Jahressicht sind es gar 17 Prozent. In den vergangenen fünf Jahren legte der Börsenwert von Hermès um 225 Prozent auf 218 Milliarden Euro zu. Gemäss dem Finanzmarkt-Informationsanbieter «TheScreener» wird in den nächsten Jahren ein aussergewöhnliches Gewinnwachstum von 26,7 Prozent erwartet. 

Ausblick

Wie geht es weiter für die Luxuskonzerne? Die UBS schreibt in einer Studie: «Es ist zu früh, optimistisch zu sein, da es wenig Anzeichen für eine starke Wiederbeschleunigung des organischen Umsatzwachstums gibt, das notwendig wäre, um Bewertungen und Gewinne zu steigern.» Eine Luxusmüdigkeit, bei der die Verbraucher das Preis-Leistungs-Verhältnis einiger Marken zunehmend in Frage stellen, deuten darauf hin, dass eine potenzielle Erholung erst 2026 eintreten könnte. Für das kommende Jahr erwarten sie, dass Faktoren wie die chinesische Nachfrage, Preispolitik, Deviseneinflüsse und die amerikanische Nachfrage die Entwicklung der Branche massgeblich beeinflussen werden. Besonders wichtig seien die Auswirkungen von chinesischen Kaufgewohnheiten und die US-Nachfrage, die etwa 35 Prozent des Wachstums ausmachen. 

«Wir sind für China und die USA positiv gestimmt», meint eine Portfoliomanagerin bei Robeco Schweiz. Auch wenn der genaue Zeitpunkt der Trendwende noch ungewiss sei. Von den angekündigten Hilfspaketen durch die chinesische Regierung dürften die Konzerne profitieren und Donald Trump könnte mit seinen Plänen zur Deregulierung der Wirtschaft und zur Senkung der Steuern die US-Nachfrage erneut beleben. Ein potenzieller Handelskonflikt und Zöllen sind für die Industrie jedoch Störfeuer. Diese würden insbesondere Firmen betreffen, die in Europa produzieren und dann nach Übersee exportieren.

Das Beratungsunternehmen Bain schätzt in einer kürzlich veröffentlichten Studie das Wachstum des globalen Marktes für persönliche Luxusgüter im nächsten Jahr auf 0 und 4 Prozent. Goldman Sachs prognostiziert für 2025 ein währungsbereinigtes Umsatzwachstum von drei Prozent für europäische Luxusgüterhersteller. Dies entspricht der Hälfte des langfristigen Durchschnitts.

In Bezug auf Aktienfavoriten bevorzugen die UBS-Analysten Hermès mit hochwertigen Konsumgüter und einem starken Wachstum im Lederwarenbereich, sowie Richemont mit einer starken Performance in der Schmuckkategorie und weniger Zyklizität. Gegenüber Swatch bleiben sie aufgrund eines ungünstigen Geschäftsmix jedoch vorsichtig.

Aisha Gutknecht arbeitet seit Juli 2024 als Redaktorin für cash.ch.
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