Seit letztem Jahr heizt Luzern den Wettbewerb um Firmenansiedlungen unter den Kantonen an. 2012 hatte der Innerschweizer Kanton den Steuersatz für Unternehmen auf den tiefsten Stand im ganzen Land gesetzt. Tiefer noch als die gängigen Steuerparadiese Schwyz, Ob- und Nidwalden oder Zug. Mit den niedrigsten Steuern, so hofft die Wirtschaftsförderungsorganisation Luzern Business, komme man auf die so genannte Shortlist der Firmenberater.
Doch Luzern Business hat noch einen weiteren Pfeil im Köcher: Auf ihrer Internetseite propagiert die Organisation als "Standortargumente" nebst den tiefen Steuern auch ein "tiefes Lohnniveau". Was damit gemeint ist, zeigt die damit verlinkte Information. Man finde in Luzern vielsprachige, motivierte Fachkräfte, liest man da. Und - als einziges Indiz zum angekündigten "tiefen Lohnniveau": "Möchten Sie Arbeitskräfte aus dem angrenzenden Ausland rekrutieren, so ist dies dank freiem Personenverkehr problemlos möglich."
Die Formulierung "tiefes Lohnniveau" wurde nach Publikation des cash-Artikels im Laufe des Tages von Luzern Business abgeändert.
«Aufruf zum Lohndumping»
Ein Vorgehen, das nun in Luzern politisch Wellen wirft. "Diese Aussage ist sehr gewagt“, sagt Juso-Präsident David Roth, als er von cash darauf angesprochen wurde. "Das grenzt praktisch an einen Aufruf zum Lohndumping", so der Politiker aus Luzern, der in der kantonalen Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) sitzt. Roth will nun diese Aussagen von Luzern Business an der nächsten Kommissionssitzung thematisieren, wie er gegenüber cash sagte.
Unverständnis zeigt auch der grüne Nationalrat Louis Schelbert, der in Bern in der nationalen Wirtschaftskommission sitzt. "Das ist keine gute Aktion. Von einer Organisation, die von den Behörden unterstützt wird, würde ich erwarten, dass vor allem auf die Vorteile der einheimischen Arbeitskräfte hingewiesen wird", sagt Schelbert.
Luzern Business wird seit 2006 als Stiftung nach dem so genannten Public-Private-Partnership-Modell geführt. Finanziert wird die Luzerner Wirtschaftsförderung einerseits vom Kanton sowie den 83 Gemeinden, andererseits von 125 Partnern aus der Privatwirtschaft. Über die Höhe der finanziellen Unterstützung wird keine Auskunft erteilt.
Luzern Business will Arbeitsplätze schaffen
Der Direktor von Luzern Business, Walter Stalder, wehrt sich gegen die Kritik der Linken und Grünen. Der Hinweis auf das tiefe Lohnniveau beziehe sich selbstverständlich auf die niedrigen Lohnkosten in Luzern und Umgebung, schwächt er ab. "Bei uns in Luzern werden je nach Branche deutlich tiefere Löhne bezahlt als beispielsweise in Zürich", sagt Stalder. Ein Vergleich, der auf der entsprechenden Internetseite mit keinem Wort erwähnt ist.
Und weiter meint Stalder: "Der Hinweis, dass es problemlos möglich ist, Arbeitskräfte aus dem angrenzenden Ausland zu rekrutieren, erwähnt doch jeder steuergünstige Kanton." Nicht aber den Hinweis auf tiefe Löhne.
Ausgerechnet der Nachbarkanton Zug zeigt, dass es auch anders geht. Auf ihrer Internetseite schreibt die Wirtschaftsförderungsstelle: "Im Verhältnis zum Ausland sind die Lohnkosten in der Schweiz relativ hoch. Diese werden aber durch die hohe Produktivität und die tiefen Lohnnebenkosten ausgeglichen."
Auch andere Steuerparadiese wie Ob- und Nidwalden, Schwyz und Schaffhausen erwähnen in erster Linie die hohe Produktivität und die herausragende Lebensqualität und Infrastruktur in ihrer Region.
2013 für Luzern ein erfolgreiches Jahr
Trotz der Kritik an Stalders Organisation Luzern Business läuft in der Leuchtenstadt das Business wie geschmiert. Letztes Jahr zählte Luzern entgegen dem nationalen Trend bei Neueintragungen im Handelsregister ein Plus von 8 Prozent. Gesamtschweizerisch sind 0,7 Prozent weniger Firmen neu ins Handelsregister eingetragen worden als ein Jahr zuvor.
Und das laufende Jahr dürfte noch beser ausfallen. "Wir stellen eine deutliche Steigerung gegenüber 2012 fest. Die Zahl der Anfragen hat sich nahezu verdoppelt. Das Interesse für eine Verschiebung des Firmensitzes nach Luzern ist also ungebrochen", sagt Stalder im Gespräch mit cash.
Zugenommen haben in Luzern auch die Briefkastenfirmen aus dem In- und Ausland. "Dies lässt sich nicht umgehen bei tiefen Steuern, aber diese Gesellschaften stehen nicht in unserem Fokus", sagt Stalder. Er wolle Firmen nach Luzern begleiten, die vor Ort Arbeitsplätze schaffen.
"Das ist unsere Aufgabe", so der oberste Luzerner Wirtschaftsförderer. Eine Aufgabe, die aber nicht in jedem Fall erfüllt werden kann. Viele Unternehmen, so Stalder, würden zwar ihren Hauptsitz oder die Verwaltung nach Luzern verlagern, nicht zwingend aber die Entwicklung oder Produktion.