Die Lohnzuwächse vermögen im Schnitt die Preissteigerungen von 2022 nicht auszugleichen. Trotz der höchsten ausgehandelten Lohnzuwächse der letzten 20 Jahre, sei es nur teilweise gelungen, die Kaufkraft der Arbeitnehmenden zu erhalten, hiess es am Montag in Bern vor den Medien. Der Grossteil der Lohnverhandlungen sei inzwischen abgeschlossen.
Mit Lohnzuwächsen von durchschnittlich 2,5 Prozent lägen diese unterhalb der Inflationsrate von 3 Prozent. Damit würden die Nominallohnzuwächse auf einem Niveau wie zuletzt 2001 liegen. Insgesamt seien zwar bei 97 Prozent der Verhandlungen generelle Lohnerhöhungen ausgehandelt worden. Diese blieben aber im Durchschnitt hinter den Preissteigerungen zurück. Nullrunden seien keine zu verzeichnen.
Trotz anhaltend guter Wirtschaftslage hätten sich zu viele Arbeitgeber knausrig gezeigt und seien nicht bereit gewesen, die volle Teuerung auszugleichen, hiess es weiter.
Positive Ergebnisse bei den Lohnverhandlungen seien insbesondere im Gastgewerbe, in der Uhrenindustrie, in der Reinigung Deutschschweiz, im Gleisbau und im Schreinergewerbe erzielt worden. Als zufriedenstellend können laut Travail.Suisse die Ergebnisse der Verhandlungen im Baugewerbe, im öffentlichen Verkehr sowie in der öffentlichen Verwaltung bezeichnet werden. Unbefriedigende Resultate habe es hingegen insbesondere im Detailhandel, im Holzbau, bei den Malern und Gipsern und im Gesundheitswesen gegeben.
Reallöhne um fast 2 Prozent gesunken
Trotz einer hervorragenden Beschäftigungssituation und zunehmenden Arbeitskräftemangel seien die Reallöhne 2022 um fast zwei Prozent gesunken. Das entspreche dem höchsten Kaufkraftverlust der letzten 80 Jahre. Arbeitnehmende mit tiefen und mittleren Einkommen müssten in diesem Jahr einen Anstieg der Lebenshaltungskosten um 3,5 bis 4 Prozent stemmen. Die finanzielle Situation der Haushalte habe sich entsprechend stark verschlechtert.
Man gehe davon aus, dass die Lebenshaltungskosten auch 2023 ansteigen werden, zudem bleibe der Preisanstieg erhalten, sagte Thomas Bauer, Leiter Wirtschaftspolitik bei Travail.Suisse. Für 2023 rechne man wegen höherer Strompreise, Energiepreise, steigenden Mieten und höheren Kosten für Hypotheken mit einer Inflationsrate von 2,5 Prozent. Dazu komme ein starker Anstieg der Krankenkassenprämien um durchschnittlich 6,6 Prozent.
Automatischer Teuerungsausgleich gefordert
Der Gewerkschaftsdachverband forderte daher einen automatischen Teuerungsausgleich. Dieser müsse zurück in alle Gesamtarbeitsverträge, hiess es. Neben den Arbeitgebern sei auch die Politik gefordert, denn sie habe "die aktiven Arbeitnehmenden im Umgang mit dem Kaufkraftverlust in Stich gelassen", sagte Bauer.
Travail.Suisse fordert Massnahmen bei den zwei grössten Budgetposten der Schweizer Haushalte, bei den Gesundheitsausgaben und den Wohnkosten. Die Prämienverbilligungen müssten erhöht und auf breitere Bevölkerungskreise ausgedehnt werden. Und die Renditen bei Mietwohnungen müssten regelmässig überprüft und begrenzt werden. Nur so könnten die stark steigenden Wohnkosten, als Folge höherer Nebenkosten, höherer Zinsen und der starken Zuwanderung begrenzt werden.
(AWP)