«Sell in May and go away»? Mitnichten. Der Schweizer Aktienmarkt, und natürlich auch andere Börsenplätze, bewiesen diesen Monat, dass alte Börsenweisheiten nicht immer stimmen. Der Swiss Market Index (SMI) und der Swiss Performance Index (SPI) legten seit Monatsbeginn um über 5 Prozent zu. Inklusive Dividenden notieren Schweizer Aktien damit seit Jahresbeginn gut 9 Prozent höher.

«Nach einem starken ersten Quartal kam es bereits im April zu Gewinnmitnahmen. Der Mai hat bisher seinem Namen als Wonnemonat alle Ehre gemacht, begünstigt durch solide Quartalsergebnisse vieler Unternehmen», kommentiert Matthias Geissbühler, Anlagechef bei der Raiffeisen Schweiz, die Marktlage. Der Grund dafür, dass der Schweizer Börse trotz des Anstiegs im Mai im internationalen Vergleich hinterherhinkt, liegt - neben Währungseffekten - an den beiden Index-Schwergewichten Nestlé und Roche. Beide Aktien haben in diesem Jahr an Wert verloren.

Der aktuelle Börsenoptimismus fusst auf den wieder aufgekommenen Hoffnungen auf Zinssenkungen durch die US-Notenbank Fed. Zudem scheint die globale Wirtschaft in besserer Verfassung zu sein als befürchtet. «Eine schwächere globale Konjunktur bei gleichzeitig hartnäckig hoher Inflation könnte aber das ‹Soft Landing›-Narrativ in Frage stellen und eine Rotation in defensive Sektoren auslösen. Davon würde der hiesige Aktienmarkt überproportional profitieren», fügt Geissbühler an. Hinzu kommen ab der zweiten Jahreshälfte positive Währungseffekte für die exportorientierten Unternehmen.

Allerdings gibt der Markt seit dem 20. Mai tendenziell nach. Besonders am Dienstag sind die Verluste im SMI verglichen mit anderen Indizes empfindlich. 

Am Gesamtbild, dass sich insbesondere neun Aktien auf dem Schweizer Markt in den letzten zwei Wochen positiv oder negativ hervorgetan haben, ändert sich aber nur wenig. Hier der Überblick.

Logitech: Wie nachhaltig ist der Ausbruch?

Die Aktien von Logitech verzeichnen einen Anstieg von 11 Prozent in den letzten zwei Wochen. Dabei sah es bis zu den Jahreszahlen Ende April eher trüb aus. Der Hersteller von Computer-Zubehör hat im vierten Quartal besser abgeschnitten als erwartet, sowohl beim Gewinn pro Aktie als auch beim Umsatz. Die Umsätze waren über alle Produkte hinweg breit gefächert. Der Anstieg der Bruttomarge ist auf niedrigere Produktionskosten, geringere Werbeausgaben und niedrigere Lagerbestände zurückzuführen.

Kursentwicklung der Logitech-Aktien.

Nun geht es vor allem darum, im Geschäftsjahr 2024/2025 ein gesundes Umsatzwachstum zu erzielen und gleichzeitig die Margen zu verbessern. Mit einem vorwärtsgerichteten Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 24 ist der Lausanner Konzern nur annähernd günstig bewertet. Dies spiegelt sich auch in den Ratings und Kurszielen wider: Laut Bloomberg-Daten gibt es sechs «Kauf»-, acht «Halten»- und fünf «Verkaufs»-Empfehlungen. Das durchschnittliche Kursziel liegt sogar 9 Prozent unter dem aktuellen Kurs. 

Swisscom: Eine Kaufgelegenheit?

Die März-Aufregung rund um die geplante Übernahme von Vodafone Italia ist verflogen. Die Aktie befindet sich kontinuierlich im Abwärtstrend, mit einem Rückgang von 3 Prozent auf Zwei-Wochen-Sicht. Obwohl die Aktie sich nahe dem Jahrestief bewegt, verleitet sie Investoren nicht zum Kauf. Stattdessen dominieren Zweifel an den Wachstumsaussichten des Schweizer Branchenprimus den Markt. Markttenor: Der Wettbewerb auf dem Heimatmarkt bleibt für Telekommunikation intensiv, die Wachstumsaussichten sind begrenzt. Das ist jedoch nichts Neues.

Kursentwicklung der Swisscom-Aktien.

Swisscom-Aktionäre sollten sich dennoch keine Sorgen machen, da die Titel fast schon als ewiger «Bondersatz» und stabil gelten. Analysten erwarten einen 14 Prozent höheren Kurs und für das laufende Jahr nach wie vor eine Dividende von 22 Franken. Das entspricht einer Rendite von 4,4 Prozent.

Alcon: Ist die Durststrecke vorüber?

Alcon, das Produkte zur Behandlung von Augenerkrankungen verkauft, hat einen bemerkenswerten Lauf. Der Anstieg von knapp 11 Prozent in den letzten zwei Wochen brachte das Jahresplus 2024 auf 25 Prozent. Nach einer längeren Durststrecke wurde damit das bisherige Allzeithoch aus dem Dezember 2021 erreicht.

Alcon hat den Gewinn im ersten Quartal 2024 deutlich gesteigert. Bei der Präsentation der Quartalszahlen im Mai zeigte sich das Management zuversichtlich hinsichtlich der angestrebten Ziele für das Gesamtjahr.

Kursentwicklung der Alcon-Aktien.

Letzte Woche erhöhte die UBS das Kursziel auf 92 Franken und sieht weiteres Aufwärtspotenzial. Der zuständige Analyst verwies dabei auf positive Katalysatoren wie die Einführung einer neuen Premium-Kataraktlinse sowie vier anstehende klinische Aktualisierungen im Bereich des trockenen Auges in den nächsten 18 Monaten. 

Swiss Re: Blick auf die Dividende

Die Aktien von Swiss Re näherten sich in den letzten Wochen schnell dem Mehrjahreshöchststand von Anfang April. Der Dividendenabschlag wurde bereits aufgeholt, das die Kursplus seit Jahresbeginn liegt bei 19 Prozent. Swiss Re ist aufgrund einer vergleichsweise geringen Belastung durch Grossschäden und einem positiven Anlageergebnis gut ins neue Jahr gestartet. Wie immer schielen Investoren bei Swiss re auf die Dividende: Die Rendite in diesem Jahr erreicht fast 6 Prozent.

Kursentwicklung der Swiss-Re-Aktien.

Hochdorf und VP Bank: Von Unsicherheiten geprägt

In den letzten zwei Wochen verzeichneten mit Hochdorf (-28 Prozent) und die VP Bank (-10 Prozent) deutliche Kursverluste am breiten Markt. Beim kriselnden Milchverarbeiter sorgt ein Machtkampf im Aktionariat für Schlagzeilen. Die Hochdorf-Aktionäre haben an der Generalversammlung Mitte Mai einen Übernahmeversuch des neuen italienischen Grossaktionärs Newlat abgewehrt und dem bisherigen Verwaltungsrat den Rücken gestärkt. Die Unsicherheit über die Zukunft des Unternehmens bleibt.

Kursentwicklung der Hochdorf-Aktien.

Bei der VP Bank hingegen scheint «Murphys Gesetz» zu herrschen: Der überraschende Rücktritt des CEO und der Gewinneinbruch haben das bisherige Jahreshoch der Aktie pulverisiert. Die finanziellen Ziele der Strategieperiode bis 2026 sind nun in weite Ferne gerückt.

Kursentwicklung der VP-Bank-Aktien.

Ypsomed: Hohe Bewertung ist gerechtfertigt

Obwohl das Medizinaltechnik-Unternehmen mit den Jahreszahlen von letzter Woche die Erwartungen nur knapp erfüllt hat, sind die Aktien mit der Bekanntgabe in die Höhe geschossen. Die Kursbilanz: Plus 20 Prozent in den letzten zwei Wochen, plus 34 Prozent seit Jahresbeginn. Diese Entwicklung ist dem Hype und Wachstum der Adipositas-Medikamente geschuldet, für die Injektionssysteme benötigt werden.

Mit Blick auf die Wachstumsaussichten sei die derzeit hohe Bewertung aber mehr als gerechtfertigt, und die Fokussierung auf Injektionssysteme erhöhe die Attraktivität der Aktien, heisst es am Markt. 

Kursentwicklung der Ypsomed-Aktien.

R&S: Kurssprung dank positiverem Ausblick

Auch ein eher unbekannter Titel sorgt am Schweizer Aktienmarkt für Aufsehen: Die Baselbieter R&S Gruppe ist eine Anbieterin von elektrischen Infrastrukturkomponenten und kam im Dezember 2023 über den Zusammenschluss mit der Spac-Gesellschaft VT5 an die Schweizer Börse. In den letzten Wochen schoss der Titel 14 Prozent in die Höhe, da die Firma den Ausblick für das laufende Geschäftsjahr und die mittelfristige Prognose erhöht hatte. Gegenüber dem Ausgabepreis von 10 Franken hat die Aktie um 22 Prozent angezogen.

Kursentwicklung der R&S-Aktien.

Das Investitionsumfeld im Energieversorgungssektor wird wieder vorteilhafter eingeschätzt, wovon R&S mit seinen über sechs Produktionsstätten in der Schweiz, in Italien, Polen und im Nahen Osten profitieren sollte.

Nestlé: Ein andauerndes Trauerspiel

Nestlé ist neben Roche der grosse Bremsklotz am Schweizer Aktienmarkt. Der Titel ist in den letzten Wochen auf ein Niveau zurückgefallen, das zuletzt beim Corona-Absturz im März 2020 erreicht wurde (rund 92 Franken). Analysten sehen die Margen unter Druck.

Nestlé hat zum Jahresauftakt weniger Produkte verkauft. Dank Preiserhöhungen ergab sich dennoch ein positives organisches Wachstum. Die Hoffnung bleibt, dass es mit Nestlé mittelfristig wieder aufwärts geht. Immerhin sehen die Analysten den Kurs im Schnitt bei 108 Franken, die Anzahl der Kaufempfehlungen dominiert weiterhin. Allerdings kamen zuletzt fast nur noch Kurszielsenkungen.

Kursentwicklung der Nestlé-Aktien.

ManuelBoeck
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