Der Swiss Market Index (SMI) hat seit Jahresbeginn 4 Prozent gewonnen, da zuletzt die Aussicht auf fallende Zinsen und ein Ausbleiben einer harten Landung der Konjunktur - insbesondere in den USA - die Börsen auch in der Schweiz nach oben getrieben hat. Die eher defensive Zusammensetzung des SMI hat zwar zu einer Underperformance gegenüber anderen Länderindizes geführt - der deutsche Dax steht 20 Prozent höher, doch die enthaltenen Titel im Schweizer Leitindex haben laut Analysten vereinzelt grosses Potenzial.

cash.ch hat bei allen 20 SMI-Titeln einen Blick auf die Analysten-Ratings geworfen und aufgrund von Daten von Bloomberg die durchschnittlichen Kurspotenziale auf zwölf Monate zusammengetragen. Analysten prognostizieren bei LonzaRoche, Richemont und Nestlé auf Sicht von zwölf Monaten unter den 20 SMI-Titeln die grössten Kursgewinne.

Grosses Kurspotenzial: Bei Lonza wohl eher trügerisch

Nur handelt es sich bei Lonza und Roche um Titel, mit denen Anlegerinnen und Anleger an der Schweizer Börse in den vergangenen Monaten wegen zweistelligen Kursverlusten nicht nur Freude hatten. Bei Roche, bei der ein Kurssturz unter 300 Franken beim Genussschein ein Anreiz für einen blinden Kauf war, ist der Ruf als gutgeölte Maschine nach mehreren Produktrückschlägen ramponiert. Ein guter Ausgangspunkt für eine Stimmungsverbesserung könnte der ausschüttungsfreudige Pharmakonzern - Dividendenrendite von 3,9 Prozent - die jüngsten Akquisitionen sein.

Gegenteiliges muss man wohl bei Lonza anfügen: Die Wachstumsfantasie ist verpufft, neue, gross angelegte Anlagen werden erst 2025-2026 in Betrieb genommen. Und es stehen auch keine kommerziellen Markteinführungen von Antikörpern an. Ebenso sorgt der fehlende CEO für ein getrübtes Bild. Lonza überzeugt als Investment für viele nicht mehr. Die derzeit grosse Mehrheit an Kaufempfehlungen erscheint übertrieben, selbst nachdem die Kursziele schon kräftig zurückgekommen sind.

Aus dem Dornröschenschlaf erwacht ist auf der anderen Seite der Rückversicherer Swiss Re. Die Verkaufsempfehlungen sind klar in der Minderheit und das Kurspotenzial mit 10 Prozent angesichts einer Dividendenrendite von 6 Prozent ansprechend. Swiss Re hat in den ersten neun Monaten 2023 einen Milliardengewinn erzielt, nachdem er im Vorjahreszeitraum noch rote Zahlen geschrieben hatte. Auf der Anlageseite hat es einige interessante Entwicklungen gegeben. So habe der Rückversicherungskonzern Aktien und Staatsanleihen verkauft, Unternehmensanleihen hinzugefügt und mehr privates Beteiligungskapital angehäuft. Dies alles dürfte laut Analysten den Anstieg der Kapitalerträge beschleunigen.

Aktie Durchschn. Kursziel (Franken) 12-Monate-Kurs-Potenzial Rating: Buy/Sell/Hold

Kursentwicklung seit 1.1.2023

Lonza 464 31 % 22 / 2 / 3 -22 %
Roche 297 22 % 14 / 4 / 9 -16 %
Richemont 138 19 % 23 / 0 / 10 -3 %
Nestlé 115 18 % 19 / 2 / 7 -9 %
Alcon 75 14 % 22 / 4 / 4 5 %
Novartis 94 11 % 12 / 2 / 13 7 %
Swiss Re 105 10 % 10 / 5 / 10 11 %
Swisscom 545 7 % 8 / 8 / 6 1 %
Swiss Life 603 4 % 8 / 2 / 5 22 %
Holcim 69 4 % 14 / 1 / 12 39 %
Zurich Insurance 449 2 % 7 / 6 / 13 0 %
UBS 27 1 % 14 / 4 / 9 53 %
Sika 274 1 % 15 / 1 / 10 23 %
ABB 37 -2 % 15 / 3 / 16 33 %
Givaudan 3228 -7 % 9 / 6 / 9 23 %
Sonova 256 -8 % 9 / 3 / 10 26 %
Logitech 72 -9 % 4 / 3 / 11 39 %
Partners Group 1113 -9 % 10 / 2 / 8 50 %
Kühne+Nagel 260 -13 % 4 / 9 / 6 38 %
Geberit 435 -20 % 5 / 14 / 6 24 %

Daten: Bloomberg, Stand 27. Dezember 2023.

Wer zu Beginn des Jahres Aktien der Grossbank UBS gekauft hat, kann sich über eine Kursperformance von 53 Prozent freuen - der beste Wert im Schweizer Leitindex. CS-Übernahme und steigende Zinsen haben den Titel befeuert. Das Kurspotenzial scheint vorerst etwas ausgeschöpft, wenn man den von Bloomberg befragten Analysten glauben schenkt. Die Grossbank hat im dritten Quartal gute Fortschritte gezeigt, das Papier ist angesichts der Risiken, welche die CS-Integration darstellten, wohl eher teuer. Gewinnmitnahmen auf dem aktuellen Niveau sollten daher nicht überraschen.

Befördern zukünftig Aufstufungen Geberit eine Etage höher?

Das grösste Abwärtspotenzial sehen die von Bloomberg befragten Analysten bei Geberit, Kühne+Nagel, Partners Group und Logitech. Alles Titel, die dieses Jahr bereits gut gelaufen sind. So sticht der Computerzubehörhersteller Logitech im SMI mit einem Kursplus von 39 Prozent hervor. Für den Auftrieb entscheidend ist die Tatsache, dass sich die Aussichten stabilisiert haben und damit das Vertrauen der Investoren zurückgekehrt ist. Auch scheint sich die Personalsituation zu beruhigen, nachdem Hanneke Faber am 1. Dezember ihren Job als Logitech-Konzernchefin angetreten hat.

Geberit spürt im laufenden Jahr die lahme Konjunktur in Europa und insbesondere die Schwäche des Baumarkts in Deutschland. Erstmals seit 2020 und den Corona-bedingten Schliessungen von Baustellen wird der Sanitärtechnikkonzern im laufenden Jahr nicht wachsen. Das Kursplus, das insbesondere einem starken Anstieg in den letzten drei Monaten geschuldet ist, geht wohl vielmehr auf den nachlassenden Zinsdruck zurück. Dies und ein sich verbessernder Konjunkturausblick für den Euroraum könnte der Bauwirtschaft und schlussendlich Geberit wieder Halt geben. Auch könnten die 14 Verkaufsempfehlungen aus heutiger Warte für den Kursverlauf vorteilhaft sein, falls Aufstufungen folgen.

Bei Kühne+Nagel verbleiben die Analysten mit dem Fokus auf "Halten" an der Seitenlinie. Angesichts einer Kurssteigerung von 38 Prozent, der eher eingetrübten weltweiten Konjunktur und der Normalisierung nach dem Corona-Boom ist dies aber naheliegend. Umsatz und Gewinn gingen auch im dritten Quartal zurück - insbesondere in der Seefracht. Dem gegenüber gilt der Konzern als Profiteur vom chinesischen E-Commerce-Volumen und der Strategiewechsel zu einem verbesserten Geschäftsmix wird von Analysten begrüsst. Trotzdem geniesst derzeit der dänische Logistiker DSV in der Analystengemeinde grösseres Wohlwollen.

Kursziele von Analysten geben zwar durchaus Aufschluss darüber, wie eine Aktie am Markt eingeschätzt wird. Trotzdem eignen sie sich ausdrücklich nicht als "Gebrauchsanweisung" für den Aktienhandel, der man als Anlegerin oder Anleger einfach unkritisch folgen kann. Kursziele sind ein Blick in die Zukunft, und solche Prognosen sind selbst bei ausgefeilten Berechnungsmethoden mit Unwägbarkeiten behaftet. Kursziele können sich daher im Nachhinein als falsch herausstellen.

Zudem unterstützt ein sogenannter Sell-Side-Analyst im Grunde genommen die Handelsabteilung seiner Bank, indem er Aktienempfehlungen öffentlich macht. Von Kritikern wird auch oft ins Feld geführt, dass Analysten unter Druck stünden, hauptsächlich positive Ratings herauszugeben. So gesehen ist es kein Zufall, dass "Sell"-Ratings eher selten vergeben werden - selbst wenn der Gesamtmarkt wie teils in diesem Jahr über längere Zeit negativ tendiert. Daher sind Kursziele und Ratings ein wichtiges Hilfsmittel bei langfristigeren Anlageentscheiden, können aber die eigene intensive Recherche nicht ersetzen. Über das Thema Analystenratings bei Aktien hat cash.ch hier berichtet.

ManuelBoeck
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