Luxusgüterproduzenten dürften sich mit dem laufenden Geschäftsjahr wohl nicht mehr zu fest anfreunden. Die Konsumflaute in China, getrieben durch die Immobilienkrise und Jugendarbeitslosigkeit, macht Unternehmen weltweit zu schaffen. Die maue Wirtschaft sorgt unter den wohlhabenden Chinesen für Kaufzurückhaltung und lässt sie den Gürtel enger schnallen. Dies zeigt sich im Luxusgütersektor bei Mode, Schmuck und Uhren sowie bei teuren Autos. Laut Einschätzung von Bain könnte der Markt für persönliche Luxusgüter, abgesehen vom Pandemie-Einbruch, seinen ersten Rückgang seit der Finanzkrise 2008/2009 erleben. Das Marktvolumen dürfte dabei um rund zwei Prozent im Vorjahresvergleich auf etwa 363 Milliarden Euro schrumpfen.

Der weltgrösste Luxushersteller von Marken wie Louis Vuitton, Christian Dior oder Hennessy, nämlich LVMH, verzeichnete wegen der schwachen Nachfrage in der Volksrepublik im dritten Quartal den ersten Umsatzrückgang seit der Corona-Pandemie. Der Vorstand erklärte, das Verbrauchervertrauen in China sei auf einem historischen Tiefstand. Ähnlich geht es den Rivalen Burberry oder Kering. Das Unternehmen dürfte dieses Jahr das schwächste operative Ergebnis seit 2016 einfahren, aufgrund von anhaltendem Druck bei der Kernmarke Gucci und den Geschäften in China. Die Aktien der beiden Unternehmen haben seit Januar je rund 20 Prozent eingebüsst. 

Auch die Schweizer Luxusgüterproduzenten Swatch (die allerdings auch im Retail-Markt tätig ist) und Richemont straucheln im hiesigen Jahr. Insbesondere die Uhrenkategorie hat derzeit wegen des relativ geringeren Wirtschaftswachstums Probleme im Reich der Mitte. Richemont vermeldete ein Nullwachstum und einen 17-prozentigen Rückfall des Betriebsgewinns im ersten Halbjahr. Die Aktie von Richemont sackte zur Mitte des Jahres zwischenzeitlich auf 114 Franken ab, während sie im Juni noch um 150 Franken notiert hatte. Auf Jahressicht verzeichnen die Titel allerdings immer noch einen geringen Zuwachs.

Das angekündigte Stimulus-Paket in China hatte den Aktien zwischenzeitlich Aufwind verliehen. Weniger rosig sieht es für die Titel von Swatch aus, die seit Januar rund 30 Prozent Kursverlust einstecken müssen.

Lichtblick unter den Luxusunternehmen

Einen Titel gibt es jedoch für Luxusaktien-Enthusiasten: Hermès. Der Konzern stellt dieses Jahr seine besondere Stellung in der Branche unter Beweis. So konnte der französische Luxusgüterkonzern auch im dritten Quartal um 11,3 Prozent zulegen, auf rund 3,7 Milliarden Euro Umsatz. Damit übertraf das Unternehmen wie schon im ersten Halbjahr die Erwartungen der Experten.

Konzernchef Axel Dumas legte, wie in Frankreich üblich, zum dritten Quartal keine Gewinnkennzahlen offen. Auf mittlere Sicht versprach er den Anlegern aber weiteres Wachstum auf währungsbereinigter Basis.

Dieser Optimismus spiegelt sich auch im Aktienkurs wider. Zwar hat der Hersteller von Handtaschen, die teilweise zehntausende von Euros kosten, nach dem Rekordhoch im Frühjahr nachgelassen, steht aber auf Jahressicht im Plus bei über 5 Prozent. In den vergangenen fünf Jahren legte der Börsenwert von Hermès um 235 Prozent auf 223 Milliarden Euro zu. Das Unternehmen gehört zu den wertvollsten Unternehmen der Eurozone. Zwei Drittel der Anteile gehören der Familie Hermès.

Aber auch Hermès hat es in China nicht leicht, wie das Unternehmen einräumte. Wie bei der Konkurrenz schwächelte insbesondere die Kategorie der Uhren, während sich Lederwaren, Mode, Parfüm und Kosmetik weiter gut entwickelten. Dennoch konnte der Konzern in Asien (ohne Japan) im dritten Quartal ein leichtes Wachstum aufweisen. Japan, Europa und Amerika gaben mit deutlichem Wachstum Schub. Somit koppelt sich Hermes von der Konkurrenz ab. 

"Unternehmen wie Hermès konnten weiter wachsen, da ihre Kunden im oberen Preissegment angesiedelt sind", sagt Tzoulianna Leventi, Fondsmanagerin bei abrdn. Diese seien vom wirtschaftlichen Abschwung nicht betroffen und agierten sehr defensiv. "Sie kaufen die Produkte, um Ihre Zugehörigkeit zu Gleichgesinnten zu nähren", sagt sie weiter. Sie kaufen, um sich als Teil der Gruppe zu fühlen und um sich gut zu fühlen. 

CEO Guillaume de Seynes sagte gegenüber "NZZ" Anfang Monat: "Die wirtschaftlichen Bedingungen sind für alle gleich. Ich kann es mir nur so erklären, dass in schwierigen Zeiten die Qualität wichtiger wird, die hinter einem Preis steht." Er betonte, dass auch Hermès in den chinesischen Einkaufszentren eindeutig weniger Besucher hatte, aber sie von sehr treuen Kunden profitiert hätten.

Tiefere Ursachen

Für ein besseres Verständnis der Wichtigkeit von «Treue» lohnt sich ein Blick ins Tiefere Innere von Hermès. Die Marke unterscheidet sich scheinbar nicht nur in der Aktienperformance und den positiv ausfallenden Geschäftszahlen. Seit der Gründung im Jahr 1837 durch Thierry Hermès verfolgt das Unternehmen nämlich sein Geschäftsmodell konsequent und ohne Blick zur Konkurrenz. 

Hermès schafft zeitlose Produkte wie handgefertigte Taschen, die auch nach 20 Jahren begehrt sind. Die Herstellung erfolgt seit Jahrzehnten in kleinen Manufakturen mit Handwerkern, welche die Taschen mit jahrhundertealten Techniken herstellen. Die hochwertige Qualität der Produkte sorgt dafür, dass sie kaum an Wert verlieren, was sie besonders auf dem Occasions-Markt besonders gefragt macht. Dies stellt Hermès vor eine Herausforderung, wie CEO gegenüber NZZ sagte: "Wir möchten verhindern, dass wir eine Kelly oder eine Birkin an jemanden verkaufen, der damit nur Geld machen will."

Denn Hermès setzt scheinbar nicht auf hohe Verkaufszahlen, sondern auf enge Kundenbeziehungen und Vertrauen. Der Verkauf ihrer Produkte erfolgt beinahe ausschliesslich in eigenen Boutiquen mit individueller Atmosphäre. Die Geschäftsführer passen dabei das Sortiment an lokale Kundenwünsche an und schaffen so einzigartige Angebote – im Gegensatz zu den oft uniformen Sortimenten der Konkurrenz. Die Birkin- und Kelly-Taschen jedoch werden nicht mal ausgestellt – Kunden müssen durch den Kauf anderer Produkte ihre Loyalität zur Marke beweisen und sich als gute Markenbotschafter präsentieren, um eine Tasche zu erwerben.

Durch diese Verkaufstechniken und limitierte Verfügbarkeit hat Hermès eine enge Beziehung zu seinen Kunden aufgebaut und sich vom reinen Verkaufsgeschäft emanzipiert. Dadurch muss das Unternehmen nicht ständig um Umsätze kämpfen, anders als viele andere Luxus- oder Konsumgüterfirmen. Das erfolgreiche Geschäftsmodell zeigt sich in kontinuierlichem, fast zweistelligem Wachstum und beeindruckenden Zahlen: Betriebsmargen über 40 Prozent und Kapitalrenditen über 60 Prozent.

Aisha Gutknecht arbeitet seit Juli 2024 als Redaktorin für cash.ch.
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