Thomas Jordan, bis letzten Herbst Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), hat bald eine neue Beschäftigung. Er wird Verwaltungsrat beim Versicherungsriesen Zurich Insurance. Man kann ihm durchaus gute Chancen einräumen auf die Nachfolge des derzeitigen Verwaltungsratspräsidenten Michel Liès, der seit 2018 diesen Posten innehält. Oder er übernimmt, wie derzeit spekuliert wird, auch noch das vakante Verwaltungsratspräsidium von Julius Bär.
Jordan setzt damit eine Tradition fort, welche viele in den Ruhestand getretene Präsidenten der SNB pflegen: Die Übernahme von Verwaltungsrats- oder Managementposten bei privaten Unternehmen, auch börsenkotierten. Die SNB macht dazu keine Vorschriften - ausser, dass SNB-Direktoriumsmitglieder während sechs Monaten nach ihrem Austritt nicht bei einer Bank anheuern dürfen.
Dass diese Tradition nicht stärker hinterfragt wird, erstaunt. Schon die kurze Pause zwischen SNB und einem neuen Posten in der Privatwirtschaft irritiert. Offensichtlich genügen Thomas Jordan sechs Monate, um mögliche Interessenkonflikte mit seinen bisherigen Funktionen zu vermeiden. Wechselt ein CEO firmenintern auf den Verwaltungsratsposten, erwarten Corporate-Governance-Experten eine «Cooling-Off-Period» von einem Jahr.
Störend ist generell der «Mir nichts, Dir nichts»-Wissenstransfer von der SNB in die Privatwirtschaft. Thomas Jordan verfüge über «umfangreiche internationale Erfahrung in den Bereichen Finanzmärkte und Geldpolitik», schreibt Zurich in ihrer Medienmitteilung vom Donnerstag.
Das ist eine nette Untertreibung. SNB-Präsidenten befinden sich an einer einzigartigen Schnittstelle von Politik, Geldpolitik, Behörden und Privatwirtschaft. Sie gehören somit zu den bestvernetzten Wirtschafts- und Finanzexponenten der Schweiz mit einem immensen Insider-Wissen. Dies gilt insbesondere für Jordan, der im SNB-Präsidium UBS-Rettung, Euro-Mindestkurs, Negativzinsen und CS-Fusion mitdiktiert hatte. Das galt auch für den unter Druck zurückgetretenen ex-SNB-Chefs Philipp Hildebrand. Er wechselte 2012 zum US-Vermögensverwaltungsgiganten Blackrock.
«Servir et disparaître»: Wäre dieses Bunderats-Motto bei Rücktritten nicht auch für SNB-Exponenten ein Muss? Oder zumindest ein nobler Zug, zumal ein SNB-Präsident mit einem Jahreslohn von rund 1 Million Franken nicht am Hungertuch nagen muss?
«Je disparais. Ich werde im Januar mein Privatleben gestalten können», sagte der damalige SNB-Präsident Jean-Pierre Roth 2009 in meinem Video-Interview kurz vor seinem Abtritt lächelnd. Roth verschwand aber keineswegs. Nach sechs Monaten Karenzfrist sammelte er innert kurzer Zeit Verwaltungsratsmandate bei Swiss Re, Nestlé, Swatch und der Genfer Kantonalbank. Alles börsenkotierte Gesellschaften also - und von der Grösse her keine Kaninchenzüchtervereine.
Für das Vorgehen von Roth haben sich damals auch SNB-Kader fremdgeschämt, wie man hört. Also, Herr Jordan, bitte üben Sie sich beim Mandate-Sammeln in Zurückhaltung.
9 Kommentare
Der Goldverkauf geschah unter Herrn Roth, das war der Vorvorgänger von Jordan. Ich glaube nicht, dass Jordan Gold verkauft hätte, aber das ist reine Spekulation. Ich habe damals in der Folge Gold gekauft, weil ich den SNB Entscheid ziemlich dumm fand. Eins meiner besseren Investments. Was haben sie getan?
Warum soll ein integrer, kompetenter Schweizer seine Erfahrung nicht einem schweizerischen Unternehmen zur Verfügung stellen? Ist sicherlich hilfreicher, als ein ausländischer Manager, der die Sitten und Bräuche in der Schweiz nicht kennt.
Gute Analyse.
Wie kann man jemanden, der milliardenschwere Verluste bei der SNB verursacht hat, in eine solche Position heben? Wahrscheinlich wird die "Zürich" inskünftig im dümmsten Moment Gold verkaufen, im dümmsten Moment teure US Aktien kaufen, bezw. immer noch kaufen, wenn alle Profis dabei sind abzuladen. Good Luck Zurich !!
Der grosse Goldverkauf der SNB war der dümmste, undemokratischte und krimminelste Akt in der ganzen Geschichte der SNB - eine SEHR suspekte Geschichte !!!
Stimme 100% zu